Warum Michael Ludwig mit gleich drei Parteien sondiert

Sondierungen. Da ist er wieder, der Polit-Fachbegriff mit eher mäßig attraktivem Beiklang: Anstelle einfach mit den Neos weiterzuregieren, hat sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Tag nach der erfolgreich geschlagenen Wien-Wahl von den SPÖ-Gremien grünes Licht geholt, um mit Neos, Grünen und ÖVP in Sondierungsgespräche zu gehen.
Die gute Nachricht: Im Gegensatz zum zähen Gesprächsreigen im Bund vergangenen Herbst kann Ludwig kraft seines starken Wahlergebnisses, das gleich drei realistische Koalitionsvarianten ermöglicht, aufs Tempo drücken. Neben Ludwig werden Landesparteisekretärin Barbara Novak und der Klubobmann der Wiener SPÖ, Josef Taucher, das Sondierungsteam bilden. Es ist das gleiche Trio wie bei den Sondierungen vor fünf Jahren, die mit einer Entscheidung für die Neos geendet hatten.
Idealerweise werden die Sondierungen schon mit Ende dieser Woche abgeschlossen sein, um dann mit den eigentlichen Verhandlungen zu beginnen, heißt es aus Ludwigs Umfeld. Mitte Juni soll die neue Regierung stehen. Ziel ist es demnach, für die Verhandlungen nicht mehr Zeit zu brauchen als 2020. Damals war die Wahl am 11. Oktober, die neue Regierung wurde am 24. November im Gemeinderat gewählt.
Sondieren rein aus Taktik?
Doch warum macht Ludwig nicht einfach mit den Neos weiter – wo doch quer durch die SPÖ betont wird, wie gut die Zusammenarbeit die vergangenen Jahre funktioniert hat?
Wenn es drei Parteien gebe, mit denen man eine Regierungszusammenarbeit eingehen könne, sei es klar, dass man sich davor die inhaltlichen Übereinstimmungen ansehe, betont Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky. Dass Ludwig rein aus taktischen Gründen zunächst mit allen drei Parteien redet, wird parteiintern unisono bestritten.
Gleichwohl dürften nach jetzigem Stand die Neos gute Chancen haben, wieder Ludwigs Juniorpartner zu werden. „Die Grünen sind mit ihrem starken Wahlergebnis zu teuer, inhaltlich wird es bei Themen wie Bildung und Verkehr mit ihnen schwierig. Zudem machte man mit ihnen als Koalitionspartner nicht die besten Erfahrungen“, sagt ein roter Rathaus-Funktionär zum KURIER. „Bleiben also die Neos mit der ÖVP als Joker in der Hinterhand.“ Wobei die Türkisen mit einem möglichen neuen Parteichef Markus Figl für Ludwig an Attraktivität gewinnen könnten, herrschte doch zwischen SPÖ und dem Innenstadt-Bezirksvorsteher stets bestes Einvernehmen.

Was zur Frage führt, wie das künftige rote Regierungsteam aussieht. Grundsätzlich steht Ludwig in Personalfragen für Beständigkeit. Seit er 2018 das Bürgermeisteramt übernahm, hat er keinen seiner Stadträte ausgetauscht. Diesmal ist aber eine Neubesetzung nötig, nachdem der frühere Finanzstadtrat Peter Hanke Verkehrsminister wurde.

Immer wieder wird Landesparteisekretärin Novak als mögliche Stadträtin genannt. Aber könnte sie das angesichts des auch in Wien enormen Spardrucks besonders schwierige Finanzressort übernehmen? „Was sie kann, ist aufräumen und mit harter Hand führen“, bejaht ein Genosse diese Frage.
Umbau bei Ressorts
Ansonsten spricht vieles gegen größere personelle Überraschungen. „Auch das Wahlergebnis ist kein Auftrag für einen großen Umbau“, sagt der Genosse. Denkbar sind aber Verschiebungen bei den Ressortzuteilungen.
Dennoch beginnt jetzt schon die Zeit der Personalspekulationen und Gerüchte. Eines davon lautet: Der linke Parteiflügel will Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, als neuen Gesundheitsstadtrat in Position bringen. Er würde damit Peter Hacker folgen. Damit könnte es aber auch eng für Czernohorszky werden, der wie Lochner aus der SPÖ Penzing stammt. Diese würde bei dessen Verbleib in der Stadtregierung zu stark vertreten sein.
Und Ludwig selbst? Immer wieder hieß es in den vergangenen Jahren, er wolle 2025 zum letzten Mal als Bürgermeister bei der Wahl antreten. Am Wahlabend betonte er in der ZiB2, er werde auf alle Fälle noch die ganze Legislaturperiode weitermachen. Parteiinsider folgern daraus, dass er sich auch noch der Wahl 2030 – er ist dann 69 Jahre alt – stellt. „Es würde keinen Sinn machen, wenn er kurz vor der Wahl sein Amt abgibt.“
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