Reportage: Die SPÖ feiert ihr Minus wie einen Sieg

Reportage: Die SPÖ feiert ihr Minus wie einen Sieg
Entgegen interner Befürchtungen bleiben die Verluste marginal. Die Vorverlegung der Wahl hat der SPÖ zumindest nicht geschadet. In Sachen Koalitionsverhandlungen ist Ludwig in einer komfortablen Position

"Wechselbad der Gefühle" ist wohl ein Hilfsausdruck dafür, was sich an diesem Wahlabend im SPÖ-Klub im Wiener Rathaus abspielt: Als um 17 Uhr die erste Trendprognose das möglicherweise historisch schlechteste Wahlergebnis vorhersagt, ist es wohl nur der parteiinternen Disziplin zu verdanken, dass die wenigen Genossen, die sich vor den TV-Bildschirmen versammelt haben, artig Applaus anstimmen. Mit den 37 Prozent wäre sich auch keine Fortsetzung der Koalition mit den Neos – dem Vernehmen nach die bevorzugte Option von Bürgermeister Michael Ludwig – ausgegangen. Knapp zwei Stunden später, die Reihen hatten sich da schon gelichtet, fällt der Jubel umso lauter – und glaubwürdiger – aus. 

Lauter Applaus beim Verkünden des SPÖ-Ergebnisses

Ein wenig scheint es, als hätten viele selbst nicht mit einem Resultat von 39,5 Prozent gerechnet. Auch dass der Balken bei der FPÖ nicht mehr so weit wie noch bei der ersten Prognose in die Höhe schnellt, wird mit lautem Applaus goutiert.

Zwar bedeutet das SPÖ-Ergebnis ein Verfehlen der ursprünglich intern als Wahlziel ausgegebenen 40 Prozent. Verglichen mit den schweren Wahlniederlagen, die ein Großteil von Ludwigs Amtskollegen aus den anderen Bundesländern in den vergangenen Jahren hinnehmen mussten, machen sich die Verluste der Wiener Roten tatsächlich moderat aus.

Nur Ludwigs Widersacher, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, konnte zuletzt dem Trend trotzen, dass die Landeschefs massiv für die multiplen Krisen der vergangenen Jahre abgestraft werden. Zum Teil mit Verlusten von knapp zehn Prozentpunkten.

Einem solchen Szenario ist die Wiener SPÖ klar entgangen: „Wir haben mehr Zustimmung bekommen als der Zweit- und Drittplatzierte zusammen“, so Ludwig in einer ersten Stellungnahme.

Kein Schreckgespenst

Dabei hatte man sich schon Erklärungen zurechtgelegt, mit denen man das zunächst noch erwartete maue Abschneiden schönreden wollte: Der Umstand, dass es von Vorhinein klar war, dass die SPÖ auf Platz eins landet. Und der Umstand, dass wider Erwarten doch keine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP auf Bundesebene mit einem Kanzler Herbert Kickl zustande gekommen war. Sie hätte wie schon vor einem Vierteljahrhundert die damalige schwarz-blaue den idealen Reibebaum abgegebenen und der SPÖ wohl deutlich mehr Wähler zugetrieben. Dieses Kalkül dürfte auch eine Rolle gespielt haben, als Ludwig im Jänner beschloss, die Wahl von Oktober auf den April vorzuverlegen. Damals deutete noch alles darauf hin, dass eine FPÖ-ÖVP-Regierung zustande kommt.

Es sollte freilich anders kommen. Was zur Diskussion darüber führte, ob sich Ludwig mit seinem Vorverlegungsmanöver womöglich verspekuliert hat.

Kurzer Wahlkampf

Die SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak verneint dies am Wahlabend: „Wir haben den Wählern einen Wahlkampf bis zum Oktober erspart“, betont sie. Doch auch sie räumt ein, dass das Ergebnis mit einem Schreckgespenst Kanzler Kickl im Bund wohl um ein paar Prozentpunkte besser ausgefallen wäre. Trotzdem sei es gut und wichtig, dass die FPÖ nicht in der Regierung sitzt. „Sollten wir deswegen einige Stimmen weniger bekommen, ist das ein geringer Preis, den ich bereit bin, dafür zu zahlen, dass Kickl nicht Kanzler ist“, betont die langjährige Parteimanagerin, die auch immer wieder als künftige Stadträtin gehandelt wird.

Doch wie geht es jetzt weiter? Zumindest offiziell ist es keine ausgemachte Sache, dass Ludwig die Koalition mit den Neos fortsetzt. Er will sich am Montag von den Gremien mit der Führung von Sondierungsgesprächen mit Neos, ÖVP und Grünen beauftragen lassen. Eine Präferenz lässt er am Wahlabend zumindest vor laufenden Kameras nicht erkennen. Die neue Regierung soll jedenfalls noch vor dem Sommer stehen, kündigt er an.

Das ist durchaus wahrscheinlich. Dass Ludwig nun doch wie 2020 aus drei statt nur aus zwei möglichen Partnern wählen kann, dürfte die Verhandlungen wesentlich vereinfachen, da die SPÖ in einer überaus komfortablen Position ist. Letztlich spricht aber doch vieles für eine Fortsetzung des Bündnisses mit den Pinken, die sich in den vergangenen Jahren als vergleichsweise bequemer Partner erwiesen hatte.

Weiter wie bisher?

Schwieriger wäre es mit den Grünen, die in der Endphase von Rot-Grün vor gut fünf Jahren zum Ärger Ludwigs sehr eigenmächtig agiert hatten. Und bei der ÖVP ist noch nicht einmal klar, wer nach deren Wahldebakel dort das Sagen haben wird.

Beide Varianten würden zudem SPÖ-intern wesentlich mehr polarisieren als ein „Weiter wie bisher“ mit den Neos.

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