Analyse: Bürgermeister Michael Ludwig hat erneut alle Trümpfe in der Hand

Wien-Wahl 2025 Trendprognose: Ludwig klar vorne
Die SPÖ bleibt mit moderaten Verlusten auf Platz 1 – zudem hat Bürgermeister Michael Ludwig sein wichtigstes Wahlziel erreicht: Mit allen Parteien würde sich eine Koalition ausgehen.

Im Vorfeld wirkte es, als würde es einer der wohl langweiligsten Wahlabende der jüngeren Geschichte werden – da das Ergebnis weitgehend festzustehen schien. Einige Unbekannte gab es dann aber doch, die für Spannung sorgten. Etwa die bedeutende Frage, für welche Koalitionen sich Mehrheiten ergeben.

An der SPÖ-Vormachtstellung in Wien ändert sich jedenfalls auch nach diesen Wahlen nichts. Sie gingen mit 39,3 Prozent als klare Nummer 1 ins Ziel. Erwartbar war auch, dass die FPÖ massive Zugewinne einfahren und auf dem zweiten Platz landen wird. Stimmten bei der Wahl 2020 im Nachgang des Ibiza-Skandals nur 7,1 Prozent der Wähler für Blau, sollten es nun 20,5 Prozent sein.

Die Grünen entscheiden Platz 3 für sich

Das Match um den dritten Platz entschieden die Grünen mit 14,7 Prozent klar für sich. Die ÖVP blieb bei der ersten Hochrechnung hinter den Erwartungen zurück – mit 9,6 Prozent purzelten sie unter 10 Prozent. Etwas, das man im Vorfeld befürchtet hatte. Die Neos gewannen als kleiner Koalitionspartner an Prozentpunkten und lagen am Wahlabend gleichauf mit der ÖVP.

Der Zusammenschluss aus KPÖ und Links verfehlte die 5-Prozent-Hürde knapp und wird nach derzeitigem Stand nicht in den Gemeinderat einziehen. Auch das Team HC Strache scheiterte an dieser Hürde – allerdings klarer mit nur 1,1 Prozent.

Neos mit Startvorteil

Damit hat Michael Ludwig das erreicht, was für ihn noch wichtiger war, als das Knacken des „4ers“ beim Wahlergebnis: Er kann aus dem Vollen schöpfen, was seine möglichen Koalitionspartner betrifft. Aufgrund der Wahlarithmetik brauchen die zwei Regierungsparteien nicht zwingend gemeinsam mehr als 50 Prozent der Stimmen – wichtig ist stattdessen die Mandatsmehrheit im Gemeinderat. Und diese geht sich für die SPÖ nach derzeitigem Stand mit allen Parteien – FPÖ, ÖVP, Grüne und Neos – aus. Dass es keine rot-blaue Koalition geben wird, hat Ludwig allerdings bereits im Vorfeld klargemacht. Bleiben also noch die drei anderen Parteien.

Gute Chancen haben jedenfalls die Neos. Die vergangenen fünf Jahre in der sogenannten Punschkrapfen-Koalition sind weitgehend friktionsfrei verlaufen. Beide Koalitionspartner haben stets die gute Zusammenarbeit gelobt. Ein Pluspunkt ist zudem, dass durch den Wechsel des ehemaligen Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr ins Bildungsministerium die Achse zum Bund sehr stark ist – und das bei einem Thema, das in den vergangenen Jahren für reichlich Streit zwischen Stadt und Ministerium geführt hat.

Plus und Minus bei ÖVP

Auch die ÖVP kann für sich verbuchen, dass sie mit der SPÖ in der Bundesregierung vertreten ist, die Unterstützung aus dem Bund für die Stadt-Türkisen war aber auffallend gering. Der Draht zum Bund als Koalitionsmotiv dürfte also weniger stark ausgeprägt sein als bei der Variante mit Pink. Erschwerend kommt hinzu, dass ÖVP-Spitzenkandidat Karl Mahrer von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeklagt wurde und dass die ÖVP der mit weitem Abstand größte Wahlverlierer ist. Sollte es bei den Türkisen zu einem Wechsel an der Spitze kommen, könnte sich das Blatt aber noch wenden.

Unterschätzte Grüne

Nicht zu vernachlässigen sind bei Regierungsspekulationen die Grünen – die oft zu Unrecht als Underdog gesehen werden. Ludwig hat ein sehr gutes Verhältnis zu Parteichefin Judith Pühringer, damit sind die Gräben, die ihre Vorgängerin Birgit Hebein hinterlassen hat, längst zugeschüttet. Die Grünen sind in Wien zudem prozentual beliebter als ÖVP und Neos.

Strategisch wäre für Ludwig die Option nicht uninteressant: Ludwig war an der türkis-rot-pinken Koalition im Bund nicht unbeteiligt, mit den Grünen in Wien würde er eine weitere Flanke schließen und seine Lieblingsrolle aus Verbinder ausbauen. Inhaltlich könnte es zu Differenzen kommen – rund um die Realisierung des Lobautunnels.

Kommentare