Michael Häupl: "Schulreform zum Erfolg verdammt"

Häupl ärgert sich über die ÖVP: „Warum sind wohl alle katholischen Eliteschulen Ganztagsschulen?“
Wiens SP-Chef sitzt statt Niessl im Verhandlungsteam und redet erstmals über die offenen Fragen.

KURIER: Den Eltern ist ja grundsätzlich egal, wie die Schule verwaltet wird, solange die Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Was können Sie als Mitglied der Bildungsreformkommission versprechen?

Michael Häupl: Bildung und Schule sind wesentliche Fragen jeder wissensbasierten Gesellschaft und unendlich wichtig. Ich will mithelfen, dass wir zur Schule des 21. Jahrhunderts kommen.

Was soll man sich da vorstellen?

Mir geht es um zwei Grundsätze: Kinder sind per genetischer Definition neugierig, diese Neugier dürfen wir den Kindern in der Schule nicht abgewöhnen, sondern wir müssen sie fördern. Das zweite Prinzip heißt: Stärken stärken und Schwächen schwächen.

Schaffen wir das derzeit?

Nein, natürlich nicht, sonst hätten wir nicht die PISA-Ergebnisse, wie sie sind. Wir haben kein billiges Schulsystem und bei Weitem nicht das effizienteste.

Sind Sie gegen Elite-Schulen?

Ich habe überhaupt nichts gegen Eliteschulen. Gerade auch für die Forschung, die Wissenschaft, brauchen wir die Besten der Besten. Nur darf in dem System niemand zurückgelassen werden. Jedes Kind kann etwas. Das sind zentrale Überlegungen der Schulreform.

Seit Jahrzehnten reden wir über eine Schulreform – ohne Ergebnis. Vielleicht kann man das System gar nicht reformieren?

Natürlich kann man das, gar keine Frage. Die Reformgruppe ist, ähnlich wie bei der Steuerreform, zum Erfolg verdammt. Natürlich wird nicht jeder alles durchsetzen können.

Was ist dann strittig?

Es gibt viele Themen, wo Meinungsverschiedenheiten nur mehr unter dem Mikroskop erkennbar sind, etwa bei der Schulautonomie. Bei der Verwaltung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich kann mir aber ein Scheitern nicht vorstellen, nur weil wir uns nicht einigen können, wer zum Schluss den Lehrer-Gehaltscheck unterschreibt.

Wer die alleinige Hoheit über die Lehrer hat, darüber ringen Bund und Länder seit Jahren.

Nur die wenigsten wissen, dass die Geburt der Landeslehrer seinerzeit ein Budgettrick war, um die Personalkosten der Republik zu senken. Die Pflichtschullehrer wurden den Ländern gegeben, die Kosten vom Bund refundiert – als Sachbudget. Uns ist es in hervorragender Weise gelungen, aus diesem Budgettrick eine Ideologie zu machen, an dem seither alles scheitert. Da mache ich aber nicht mehr mit.

Pröll und Niessl haben die Reformgruppe verlassen, weil es nicht in Richtung Verländerung der Lehrer ging.

Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, weil das eine offene Frage betrifft, wie wir das künftig organisieren wollen. Das wird noch diskutiert

Die Finanzgruppe sagt, die Reform kostet 500 Millionen Euro.

Wenn man mir hier in Wien so ein Finanzpapier geben würde, tät’ ich einen Papierflieger draus machen und es zurückschicken. Im Ernst: Ein bisschen mehr kann es schon kosten, aber sicher nicht eine halbe Milliarde.

Welche Reform wollen Sie?

Ich bin für die gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen, für Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht und Leistungsmodulen. Auch das verpflichtende erste Kindergartenjahr gehört dazu. Ich halte auch ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr für sehr gut.

Das kommt vorerst nicht, sagt Familienministerin Karmasin.

Dann muss sie mit dem Finanzminister reden, der ist ja ein umgänglicher Mensch.

Aus ÖVP-Ländern hört man, dass es wenig Nachfrage nach Ganztagsschulen gibt.

Das glaube ich nicht. Ich muss meine schwarzen Freunde schon fragen: Warum sind alle katholischen Eliteschulen Ganztagsschulen? Weil das eine vollkommen andere Ausbildung gewährleistet.

Bei der Gesamtschule bewegt sich in der VP etwas, Vorarlberg will sie, die guten PISA-Tests in Südtirol verblüffen Nordtirol.

Ja, Südtirol, der Born des Sozialismus, das ist doch lachhaft. In dieser Diskussion bleiben am Ende des Tages nur mehr vereinzelte AHS-Lehrergewerkschafter übrig. Südtirol ist ja für jeden Konservativen das schlagende Argument. Die sind um Klassen besser, weil sie eine gemeinsame Schule haben – in Form einer Ganztagsschule.

Strache will als Bürgermeister auch "die Verantwortung des Präsidenten des Stadtschulrates leben" und das selber machen. Ein gutes Modell für Sie?

Der Wiener Wähler möge die Kinder, die Lehrer und die Eltern vor diesem Schicksal bewahren.

Die Bildungsreform

Frist Mitte November: Seit Anfang des Jahres wird verhandelt, bis zum 17. November soll alles fertig sein. So gut wie fix ist, dass die Schulen deutlich mehr Autonomie bekommen werden. Strittig bleibt, wie die Schulverwaltung künftig aussehen soll.

Mitglieder der Kommission: Es sind je zwei rote und schwarze Minister und Landeshauptleute am Verhandlungstisch.

Größte Hürden: Die Verwaltung, die Gewerkschaft und die Grünen für die nötige Zweidrittelmehrheit.

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