Pröll & Niessl verlassen Schulreform-Kommission

Burgenlands Landeschef Hans Niessl und sein Amtskollege aus Niederösterreich, Erwin Pröll, stellen Regierung vernichtendes Zeugnis aus
SP-VP-Landeschefs sehen "kein Indiz für ernsthafte Bemühungen".

Das zentrale Projekt der Regierung, die große Bildungsreform, ist geplatzt. Am Mittwoch haben zwei Landeshauptleute, Hans Niessl von der SPÖ und Erwin Pröll von der ÖVP, die Reformkommission der Regierung verlassen.

Kosmetik statt echter Reform

"Es gibt kein Indiz für ernsthafte Bemühungen, diese Reform wie geplant durchzuführen", sagt Pröll gegenüber dem KURIER. Der Prozess in den Arbeitsgruppen, welche die Grundlage für die Bildungsreform erarbeiten sollten, wandle sich ins Gegenteil dessen, was ursprünglich vereinbart worden war, erklärt der Landeshauptmann. Es gebe einen Rückschritt "hin zu einer totalen Zentralverwaltung" im Schulbereich statt der versprochenen Autonomie. "Eine Einigung auf eine echte Reform ist so nicht mehr absehbar."

Pröll: "Alles deutet darauf hin, dass die Reform zu einer reinen Kosmetik verkommt. Dafür bin ich nicht zu haben"

Niessl: "Kann nicht mehr mit"

Für die SPÖ fungierte Niessl in der Reformgruppe als Experte für den Bildungsbereich. Er erklärt gegenüber dem KURIER, dass die Grundlage der vereinbarten Reform die Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz von Frauenkirchen gewesen seien.

Niessl: "Von diesen Reformvorschlägen haben wir uns in den vergangenen Wochen immer weiter entfernt. Jetzt kann ich inhaltlich nicht mehr mit"

"Katastrophaler" Start

Die Richtung, in die sich die Reform entwickle, sei für die Lehrer, für die Schüler wie auch für die Eltern nicht zumutbar, weil die Verunsicherung so immer größer werde, resümiert der niederösterreichische Landeschef.

2010: "Schluss mit der Debatte"

Das sei umso bedauerlicher, weil das nicht der erste Anlauf für die dringend notwendige Reform gewesen sei. 2010 habe es noch unter Bildungsministerin Claudia Schmied einen ersten Anlauf gegeben, der von Werner Faymann nach Protestaktionen der Lehrergewerkschaft und heftigen Querelen um zwei zusätzliche Unterrichtsstunden mit dem Satz "Schluss mit der Debatte" beendet wurde. Pröll: "Und jetzt verläuft auch der neue Anlauf im Sand."

"Katstrophale" erste Runde

Die Bildungsreform stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Am 22. Jänner dieses Jahres trat die Bildungsreformkommission der Regierung erstmals zusammen. Vertreten waren aufseiten des Bundes Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (beide SPÖ), für die ÖVP Staatssekretär Harald Mahrer und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Als Ländervertreter wurden Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten), auf ÖVP-Seite Erwin Pröll und Wilfried Haslauer (Salzburg) nominiert. Schon das erste Treffen wurde wurde von den Ländervertretern scharf kritisiert, weil nichts Inhaltliches vorbereitet gewesen sei. "Das war damals eine katastrophale erste Runde", sagt Pröll rückblickend.

Freiraum für die Schulen

Besser sei das zweite Treffen Anfang März verlaufen, dort wurde ein 39-seitiges Reformpapier für mehr "Freiraum für Österreichs Schulen" präsentiert. Konkret ging es darum, innerhalb der kommenden zehn Jahre die Bildungslandschaft radikal umzukrempeln, den Schulen mehr Autonomie zu geben, und bei der Verwaltung deutlich schlankere Strukturen zu ermöglichen.

Vereinbart wurde, dass drei Expertengruppen bis Ende Mai Details in den Bereichen Pädagogik, rechtliche Grundlagen sowie Finanzen ausarbeiten sollen. Dem Vernehmen nach gab es nur von der Gruppe Pädagogik gute Ergebnisse. Die Gruppe Finanzen soll statt Einsparungen einen zusätzlichen Finanzbedarf in dreistelliger Millionenhöhe berechnet haben. Und bei den rechtlichen Grundlagen, wo es um eine sinnvolle Aufteilung der Zuständigkeiten geht, sollen die Meinungen diametral auseinanderliegen.

Kein Kontakt zu Lehrern

Zudem wurde bereits im März vereinbart, umgehend sowohl mit der Lehrer-Gewerkschaft als auch mit der Opposition Gespräche aufzunehmen. Mit der Gewerkschaft hätte unter anderem vor allem eine Lockerung des Versetzungsschutzes verhandelt werden müssen, mit der Opposition über die gesamte Reform, weil viele Bereiche der Schulpolitik eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigen.

Gegenüber dem KURIER bestätigte Lehrergewerkschafter Paul Kimberger, dass er bisher in der Sache nicht kontaktiert worden ist.

Auch Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, erklärt, dass es bisher kein Gespräch, geschweige denn einen Verhandlungstermin gegeben hat.

Spätestens im November 2015 hätte Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek dem Ministerrat die ausverhandelte Reform vorlegen sollen. Zum Ausstieg von Niessl und Pröll sagt sie: "Die Bildungsreform ist weiter auf Kurs."

NEOS-Chef Matthias Strolz kritisiert Pröll und Niessl scharf - und plädiert für Neuwahlen: "Es ist beschämend: Bildungsreform ist für die Landesfürsten offensichtlich ausschließlich Machtpolitik."

Nach vielen Querelen startete die Reformkommission der Regierung im Jänner mit je zwei Vertretern von SPÖ und ÖVP aus Bund und Ländern. Die Schulreform sollte spätestens im November stehen

Expertenplan für Autonomie: Auf 39 Seiten legte im März eine Beamten-Expertengruppe mit Mitgliedern aus dem Bund und den Ländern ein revolutionäres Konzept vor. Die Schulverwaltung sollte gänzlich neu geregelt werden, die Landesschulräte abgeschafft und alle Lehrer von den Ländern verwaltet werden. Die Schulen sollten fast vollständige Autonomie bei Personal, Öffnungs- und Unterrichtszeit bekommen. Dafür sollten zwei Drittel aller Verordnungen, die derzeit die Lehrer und den Unterricht extrem einengen, abgeschafft werden.

Kommentare