Merkel: Abfuhr vom „lieben Viktor“

Merkel: Abfuhr vom „lieben Viktor“
Ungarns Premier Orbán lehnt weiter die Aufnahme von Flüchtlinge ab und fühlt sich unfair behandelt.

Überraschungen blieben ihr diesmal erspart, keine neuen Allianzen eines Gastes – ohne ihr Wissen oder Querschüsse, wie sie Angela Merkel in den vergangenen Woche erlebt hat. Nein, Viktor Orbán ist zwar einer ihrer größten, aber immerhin berechenbarsten Kritiker. Bei ihm weiß sie, woran sie ist, so sieht es zumindest ihr Gast, der nach seiner Wiederwahl zum Antrittsbesuch nach Berlin reiste: Seine Position in puncto Migration ist seit 2015 gleich, wie Ungarns Premier im Foyer des deutschen Kanzleramts fast stolz verkündete. Er und Merkel sähen die Welt eben "aus einem anderen Blickwinkel". Das konnten sie an diesem Tag kaum verbergen, auch wenn Merkel zunächst bemüht war, den wirtschaftlichen Austausch der Länder hervorzuheben. Bei dem Gespräch aber auch "unterschiedliche Sichtweisen" zutage getreten, was die Kanzlerin noch mit einem "wie nicht anders zu erwarten war" kommentierte.

So fühle sich Ungarn "gar nicht verantwortlich für die Bearbeitung der Asylanträge", sondern stehe auf dem Standpunkt, dass dies "nicht-registrierte Flüchtlinge aus anderen Ländern, vor allem aus Griechenland, sind", erklärte Merkel Orbáns Argumente aus ihrem Gespräch. Dennoch meinte sie, war es "alles in allem ein wichtiger Besuch, lieber Viktor". Und: "Ich glaube, auch bei unterschiedlichen Meinungen ist es wichtig, im Austausch zu bleiben."

Das wird auch nötig sein, will die Bundesregierung ihren Kompromiss umsetzen. Die Chancen auf ein Abkommen mit Orbán sehen nach dem heutigen Gespräch schlecht aus. Noch in den Tagen zuvor signalisierte der Premier via Bild-Zeitung, dass er unter bestimmten Voraussetzungen zu Verhandlungen über ein bilaterales Asyl-Abkommen mit Deutschland bereit sei. "Die Reihenfolge kann nur sein: Verhandlungen zwischen Deutschland und Österreich, dann Verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn. Und erst zum Schluss - wenn wirklich Klarheit über die deutsche Position herrscht - Verhandlungen zwischen Ungarn und Deutschland". Von einer klaren Position ist die Bundesregierung - auch nach Seehofers Gespräch mit Kurz - weit entfern. Heute Abend wird darüber noch mit der SPD-Spitze diskutiert.

Zurück zum Pressegespräch. Selbst bei Einigkeiten kamen ihre Differenzen offen zutage. Merkel und der ungarische Regierungschef sind zwar für den Schutz der EU-Außengrenzen, das bedeute aber nicht, sich abzuschotten und eine Festung gegen Flüchtlinge zu errichten. Es gelte, Schleusern das Handwerk zu legen, proklamierte Merkel. Aber „die Seele von Europa ist Humanität“, erklärte sie an ihren Gast gewandt. Bei der Fluchtursachenbekämpfung setzt sie auf Abkommen mit Herkunftsländern und Möglichkeiten legaler Migration, sonst "wird die Zusammenarbeit mit Afrika schwer". Orbán lehnt dies ab und kam nun etwas in Fahrt.

Orbán fühlt sich verletzt

Er fühlt sich ob der deutschen Kritik an Ungarn verletzt. Es sei "unfair, dass man uns oft mangelnde Solidarität vorwirft". Mit seinem 2014 gebauten Grenzzaun würde er auch Deutschland schützen. "Sonst würden täglich bis 5000 Flüchtlinge kommen. Das ist Solidarität", redet sich Orbán warm. Das spürte die Kanzlerin, überlegte kurz und grätschte rein: Ungarns Grenzschutz sei anerkannt, die Unterschiede zwischen ihnen liegen woanders, flötete sie. Um möglichen Ärger abzuwenden, bat sie schnell weiter: "So, und jetzt machen wir noch ein Foto".

 

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