Steuersenkung auf Lebensmittel: Was sie kostet, was sie bringt

Einkauf im Supermarkt ist in Österreich teurer als in Deutschland
Vorschläge von Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr sollte man ernst nehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie die Politik gerne übernimmt. Zum Beispiel das Modell einer Strompreisbremse, das Felbermayr im Juli 2022 als Maßnahme gegen die hohen Energiepreise skizzierte – und das von der damals türkis-grünen Regierung umgesetzt wurde.
Am Sonntag hat Felbermayr in der ORF-„Pressestunde“ eine Idee wiederholt, mit der zumindest die SPÖ und Teile der ÖVP etwas anfangen können: Da die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Österreich vergleichsweise hoch sei, könnte man sie von zehn auf fünf Prozent halbieren. Gleichzeitig könnte man den Mehrwertsteuersatz auf andere Produkte um rund eineinhalb Prozentpunkte erhöhen.
Am Montag erteilt Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) Felbermayr eigentlich eine Absage: Eine Senkung der Mehrwertsteuer sei vor dem Hintergrund der Budgetsanierung „nicht leistbar“. Am Abend ändert Vizekanzler Andreas Babler die SPÖ-Linie wiederum gegenüber der Krone: Ein Modell ohne Gegenfinanzierung sei nicht möglich, aber angesichts der Preise müsse „Bewegung in die Sache“ kommen: „Welche Nahrungsmittel es betrifft und in welcher Höhe die Mehrwertsteuer sinken soll, wird Sache von Verhandlungen sein.“
ÖVP gesprächsbereit
Am Dienstag zeigen sich Babler und Marterbauer in einer Aussendung dann „einig“. Da die SPÖ-internen Widersprüche geklärt sind: Wird das Thema nun verhandelt? Der Bauernbund ortet „Populismus“, die ÖVP scheint aber prinzipiell gesprächsbereit.
Das überrascht nicht, Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl hatte den Koalitionspartnern im Sommer einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet – der aber bei der Regierungsklausur abgelehnt wurde.
„Nach den jüngsten Äußerungen des Vizekanzlers gehe ich davon aus, dass mein Vorschlag vom Sommer nun von der SPÖ nochmals eingehend geprüft wird“, sagt Eibinger-Miedl. Klar sei: Man müsse genau darauf achten, wie sich dieser auf das Budget und die Konjunktur auswirke.
Die Neos sind wiederum skeptisch. Wirtschaftssprecher Markus Hofer meint: „Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wäre teuer, wenig treffsicher und würde in vielen Fällen gar nicht bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen.“

Gabriel Felbermayr und Holger Bonin
Drei Euro pro Monat
Teuer, sozialpolitisch nicht treffsicher: Dieses Feedback erhält Felbermayr auch von Kollegen wie IHS-Chef Holger Bonin oder Jan Kluge vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Kluge hat Felbermayrs Vorschlag durchgerechnet.
„Senkt man die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent, entlastet das die Haushalte im Durchschnitt um 24,43 Euro pro Monat“, sagt er zum KURIER. Während dem untersten Einkommenszehntel monatlich 12,58 Euro mehr bleiben, sind es beim obersten Zehntel 42,11 Euro. Durch die Maßnahme würden dem Staat Einnahmen von 1,19 Milliarden pro Jahr entgehen.
Und wenn man, wie der Wifo-Chef vorschlägt, gleichzeitig den Normalsteuersatz auf andere Produkte hebt – etwa von 20 auf 21 Prozent? Das Budget würde dann nur noch mit 139 Millionen pro Jahr belastet, so Kluge. Aber: „Dann bleibt einem Haushalt durchschnittlich auch nur noch eine Entlastung von 2,86 Euro pro Monat.“ Kluge lässt der Vorschlag etwas ratlos zurück: „Wir wissen nicht, wie die Konsumenten reagieren, und die Verteilungswirkung ist sehr gering. Es ist auch definitiv keine Maßnahme zur Inflationsbekämpfung. Die Lebensmittelpreise sind auch kein wesentlicher Inflationstreiber, sondern genauso stark gestiegen wie in anderen EU-Staaten.“
Münchner Studie
Babler und Marterbauer wollen übrigens nur Modelle andenken, die gegenfinanziert sind, die Inflation senken und an Konsumenten weitergegeben werden.
Letzteres haben deutsche Händler bei der Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel 2020 laut einer Studie des Münchner Ifo-Instituts getan. Dieses Ergebnis stehe jedoch früheren Untersuchungen entgegen, schränkt das Ifo ein. Heißt: Im Normalfall wird die Steuersenkung über die Jahre immer weniger an die Kunden weitergegeben.
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