Mehr Polizei-Rechte bei IS-Verdacht

Seit den Attentaten in Paris werden Kanzleramt und Hofburg verstärkt überwacht.
Die ÖVP drängt auf raschen Beschluss, die SPÖ bremst und fordert mehr Kontrolle. Derzeit sind Polizei-Befugnisse eher beschränkt.

Polizisten vor dem Bundeskanzleramt sind ein gewohntes Bild. Dass aber Beamte adjustiert mit Schutzwesten und Sturmgewehren auf dem Ballhausplatz patrouillieren, ist doch außergewöhnlich. Die verstärkte Überwachung ist eine Folge der Terroranschläge in Paris.

Intensiver observieren möchte die Polizei auch potenzielle Terroristen. Daher hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Frühjahr ein neues Staatsschutzgesetz vorgelegt, im Sommer kam es ins Parlament. Dort liegt es seither aber unverändert. SPÖ und ÖVP sind sich nicht einig darüber, welche Befugnisse die Staatsschützer bekommen sollen.

SPÖ: Kein Grund zur Eile

Anlässlich der Attentate in Frankreich drängt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka nun auf einen Beschluss des Gesetzes. Sein SPÖ-Pendant Andreas Schieder sieht keinen Grund zur Eile. Die Neuregelung solle ja erst Mitte 2016 in Kraft treten. Das Gesetz sei "schlecht". Schieder fordert "mehr parlamentarische Kontrolle". Eine solche urgiert auch der Grüne Peter Pilz. Mikl-Leitner sagt: "Wir werden die Bedenken der SPÖ ausräumen."

Was im Gesetz steht

Worum geht es konkret? Das neue Gesetz sieht vor, dass die Staatsschützer früher als derzeit ermitteln dürfen. "Es wird aber keine anlasslose Bespitzelung geben. Es braucht konkrete Hinweise", erklärt ein Experte aus dem Innenministerium dem KURIER.

Ein Beispiel: Jemand meldet der Polizei, dass sich eine Person stark verändert hat. Der Anzeiger mutmaßt, der Betreffende sympathisiere mit dem radikalen Islam. In einem solchen Fall kann die Polizei Ermittlungen einleiten – allerdings nur nach einem Sanktus durch den Rechtsschutzbeauftragten (wird von der Regierung auserkoren und vom Bundespräsidenten ernannt; ist unabhängig). Der Rechtsschutzbeauftragte kann den Beamten beispielsweise Observationen und/oder verdeckte Ermittlungen erlauben. Er kann genehmigen, dass überwacht wird, wann der Verdächtige telefoniert und wem er eMails schickt, das sind "Verbindungsdaten".

"Inhalte dürfen aber nicht gespeichert werden", betont man im Ministerium. Um Telefonate abhören oder eMails lesen zu dürfen, ist ein richterlicher Beschluss vonnöten. Das wird auch künftig so bleiben.

Daten länger speichern

Verändert werden soll aber die Frist für die Datenspeicherung. Derzeit müssen Daten nach neun Monaten gelöscht werden. In Zukunft sollen sie zwei Jahre gespeichert werden können, bei Bedarf sogar bis zu sechs Jahre – nach Genehmigung durch den Rechtsschutzbeauftragten. Kommt es zu keinem Verfahren, muss der Überwachte informiert werden, dass die über ihn gesammelten Daten gelöscht wurden.

Neu sind auch die geplanten Vertrauensleute – zumindest im Bereich des Staatsschutzes. Die Kriminalpolizei darf schon seit 2008 bezahlte "Zunds" – also Privatpersonen, die der Exekutive gegen Geld Informationen liefern – einsetzen.

Mehr Überwachung, mehr Befugnisse für Nachrichtendienste und Polizei – seit Jahren wird das mit notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen den Terror begründet.
In Frankreich wurden die Anti-Terror-Gesetze in den vergangenen Jahren laufend verschärft; zuletzt wurde nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo im Jänner u. a. die Überwachung von Personen und Wohnungen sowie die Verfolgung von Autos per Peilsender vereinfacht.

Schon vorher hatte Frankreich scharfe Anti-Terror-Gesetze: Seit zehn Jahren werden Kommunikationsdaten auf Vorrat gespeichert. Die Behörden haben weitgehende Rechte, was die Überwachung und das Abfangen von Daten anbelangt. Sie führen auch eine Datenbank mit mehr als 11.000 Personen, die sie als „radikalisiert“ einstufen. Mehrere der Paris-Attentäter waren auf dieser Liste – gestoppt wurden sie nicht.

Belgien hat in den vergangenen Jahren ebenfalls die Maßnahmen verschärft und u. a. die Befugnisse der Behörden bei der Observierung von Verdächtigen ausgeweitet. Abdelhamid Abaaoud, der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge, ist seit Jahren im Visier der Behörden – und konnte offenbar im Frühjahr Richtung Syrien ausreisen, unmittelbar nachdem eine Terror-Zelle in Ost-Belgien ausgehoben wurde, die er führte.

Großbritannien ist gerade dabei, die Gesetze zu verschärfen: Die Regierung hat unlängst eine Reform auf den Weg gebracht, nach der die Behörden auf gespeicherte Telefon- und Internetdaten zugreifen dürfen sollen. Die Zahl der Geheimdienst-Mitarbeiter soll erhöht werden.

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