Stiefkind Medienpolitik
Medienpolitische Themen fänden sich zwar in allen Parteiprogrammen, aber soweit hinten, dass kaum einer in Gefahr kommt, jemals bis dorthin zu blättern. Der Bedeutung der Branche liefe das zuwider – soweit waren sich die Mediensprecher der unterschiedlichsten Fraktionen einig.
Im Rahmen der Österreichischen Medientage trafen Josef Cap (SPÖ), Silvia Grünberger (ÖVP), Dieter Brosz (Grüne), Tillman Fuchs (Team Stronach) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) zu einer Medienpolitik-Diskussion aufeinander. Vertreter von BZÖ und FPÖ waren geladen, kamen aber nicht, was einen veritablen One-Man-Shitstorm von Kultursprecher Stefan Petzner nach sich zog: Unzählige Male hätte er angerufen und Nachrichten geschickt, um das BZÖ vor Ort zu vertreten, allein die Veranstalter hätten ihn ignoriert.
Freie Kommunikation als wirtschaftliche Grundlage
"Das Erhalten der Medienvielfalt und die Unabhängigkeit der Presse sind in den meisten Parteiprogrammen festgeschrieben", so Martina Hörmer (IAA) in ihrer Keynote, "Was wir dabei jedoch vermissen, ist das Wie." Der IAA (International Advertising Association) sähe in der Freiheit der Kommunikation die Grundlage für die Freiheit der Wirtschaft. Diese Freiheit benötige jedoch eine moderne Medienpolitik als Ordnungsrahmen. Hörmer: "Die Langsamkeit der Gesetzgebung hinkt der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung hinterher."
Moderator Harald Fidler (Der Standard) gab sich skeptisch: "Ich halte bereits das Wort Medienpolitik für einen Widerspruch, weil die Politik von Medien meistens etwas anderes will, als die Medien von der Politik."
Dabei hätte gerade im laufenden Wahlkampf die Medienpolitik eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt: "Die NEOS haben über Vorzensur geklagt und sind am Bundeskommunikationssenat gescheitert. Das Urteil lautete: Es gibt keinen Anspruch darauf, in der Berichterstattung vorzukommen. Die Grünen haben die SPÖ daran erinnert, dass auch Plakate Druckprodukte sind, die ein Impressum brauchen, haben es aber selber auch nicht ganz so genau mit der Impressumspflicht genommen. Die FPÖ glänzte mit rechtsextremen Facebook-Freunden. Das Team Stronach erlebte die Mediendynamiken nach dem Todesstrafen-Sager..."
Dauerbrenner ORF
Kurz: Das Thema ist aktueller den je, dennoch scheint die Debatte stets darin zu enden, dass "dass SPÖ und ÖVP darüber streiten, wer den größeren Einfluss im ORF hat" (Beate Meinl-Reisinger). Auch Tillman Fuchs vom Team Stronach monierte, dass Medienpolitik in Österreich "ausschließlich als Personalpolitik im ORF verstanden" wird.
Quod erat demonstrandum: Kritik an der "rot-schwarzen Proporzaufteilung" von SPÖ und ÖVP im ORF übte der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz. "Das Land schaut mittlerweile etwas anders aus", meinte Brosz in Richtung Cap und Grünberger. SPÖ und ÖVP versuchten durch finanziellen und politischen Druck vor der Wahl Einfluss auf die ORF-Berichterstattung zu bekommen.
Twitter-Verbot?
SPÖ-Mediensprecher Josef Cap sprach sich bei den Medientagen gegen eine "Aushungerung des ORF" aus. "Keinen Sinn" sieht Cap in der ÖVP-Forderung nach einem Zweier-Vorstand im ORF. "Was soll das jetzt? Im Wahlkampf ein Twitter-Verbot fordern und dann auch noch gegen die Geschäftsführung den Finger erheben, jetzt kommt ein Zweier-Vorstand, sonst gibt es überhaupt kein Geld, das geht gar nicht. Soll da jetzt Skylink wiederholt werden", meinte Cap offenbar in Anspielung an die Proporz-Besetzung beim Flughafen Wien. Die Alleingeschäftsführung im ORF habe die ÖVP selbst 2001 ins ORF-Gesetz gehoben.
Spekulationen, wonach die SPÖ mit der ÖVP den Posten des ORF-Generaldirektors gegen den EU-Kommissar abtauschen könnte, wies Cap ebenfalls zurück. "Das ist völlig absurd. Das kommt aus der Spindoktorenabteilung von ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch."
Vier-Augen-Prinzip für die Geschäftsführung
ÖVP-Kultursprecherin Silvia Grünberger, die ÖVP-Mediensprecher Karlheinz Kopf beim Podiumsgespräch zur Medienpolitik vertrat, wies Aushungerungsabsichten gegen den ORF zurück. Die ÖVP sei aber der Überzeugung, dass der ORF seine Hausaufgaben zu machen hat. "Es ist an der Zeit, dass der ORF auch gehen lernt", so Grünberger. Eine Gremienreform und ein Vier-Augen-Prinzip in der ORF-Führung machten Sinn, damit seien aber keine Deals in Sachen Verlängerung der Gebührenrefundierung verbunden. Zum jüngsten Kopf-Vorschlag strengerer Twitter-Regeln für ORF-Journalisten meinte Grünberger: "Natürlich kann man Journalisten Twitter nicht verbieten."
Der bei den Medientagen abwesende VP-Mediensprecher meldete sich unterdessen per Aussendung zu den aktuellen medienpolitischen Plänen und plädierte wie Cap für ein "großes Medienpaket" der neuen Bundesregierung. Über die möglichen Inhalte gibt es freilich weitgehend Uneinigkeit. ORF, Presseförderung und Urheberrecht wollen die Regierungsparteien reformieren, punkto Umsetzung blieb man aber vage.
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