Neue Regeln. Die hochinfektiöse Delta-Variante könnte gleich zu Beginn ganze Klassen nach Hause schicken. In Nordrhein-Westfalen mussten zuletzt 30.000 Schüler sofort in Quarantäne.
Im deutschen Nordrhein-Westfalen (NRW) mussten die Behörden nur acht Tage nach dem Schulstart am 18. August 30.000 Schüler in Quarantäne schicken. PCR-positiv waren zu diesem Zeitpunkt nur 6.500 Schüler, die Quarantäne betraf also vor allem jene Mitschüler, die als K1-Kontakte engen Kontakt mit den Infizierten hatten.
Seither streitet dort die Landespolitik, wie die Schüler optimal vor einer Corona-Infektion geschützt werden sollen. Und damit sind wir zurück in Österreich. Am Montag startet das neue Schuljahr für 500.000 Schüler in den drei östlichen Bundesländern, eine Woche später folgen 600.000 Schüler in den restlichen sechs Bundesländern. Die Bundesregierung versichert, alle Eventualitäten in ihre Überlegungen einbezogen zu haben, damit der Schulstart gelingt.
Das Blöde ist nur: Das liegt eigentlich gar nicht in ihrer Macht, wie man am Fall NRW sieht. Kurz zu den Corona-Regeln: Für alle Schulen kommt eine dreiwöchige Sicherheitsphase mit Maske für alle (in Volksschulen nur Mund-Nasenschutz), in jeder Woche werden alle, Schüler und Lehrer, egal ob geimpft oder genesen, Antigentests und PCR-Tests machen müssen. Am Beispiel Wien und Niederösterreich (siehe Grafiken) zeigt sich jedenfalls, dass die Testungen nicht einheitlich sind. Wien etwa testet ab der zweiten Woche zwei Mal (montags und mittwochs) mit einem PCR-Test, Niederösterreich sowie alle anderen Bundesländer nur einmal mit PCR. Die Tests gelten in Wien nur in der Schule 48 Stunden (Antigen) bzw. 72 Stunden (PCR), das gilt aber nicht für alle anderen Aktivitäten in Wien (Gasthaus), wo die Gültigkeit der Tests ja um 24 Stunden reduziert wurden.
So weit, so kompliziert. Geht alles gut, sind alle Tests negativ und der Schulalltag kann stattfinden wie seinerzeit, vor Corona.
Wenn positiv, dann …
Was aber, wenn ein Test anschlägt und eine Infektion anzeigt? Ist bei einem Kind der Antigentest positiv, ist das nur ein „Verdachtsfall“, das Kind wird dann sogleich PCR-getestet und muss nachhause. Ist der PCR auch positiv, liegt eine Infektion vor, eine 14-tägige Quarantäne beginnt, nach zehn Tagen kann man sich freitesten. Die lokale Gesundheitsbehörde entscheidet dann, welche Kinder aus der Klasse zusätzlich als K1 gelten – meistens die direkten Sitznachbarn vorne, hinten und auf der Seite. Sie müssen ebenfalls PCR-getestet werden und in Quarantäne. Gibt es zwei positive PCR-Fälle unter 10 Jahren in der Klasse, wird die ganze Klasse oder eine Teilgruppe ins Homeschooling geschickt. Apropos: In Israel wurde drei Wochen vor Schulstart eine Studie gestartet, wie viele Kinder inzwischen Antikörper nach überstandener Infektion haben. Erste Ergebnisse zeigen, dass das auf jedes fünfte Kind zutrifft.
Was das alles aber auch bedeutet: Mit ein wenig Pech könnten Schüler bereits in der ersten Woche als K1 heimgeschickt werden, zwei Wochen Quarantäne und Homeschooling unter den Augen der Eltern absitzen, nach 14 Tagen wieder in der Schule erscheinen, wo das Gleiche erneut passieren kann. Die Bildung der Kinder könnte also erneut enorm leiden.
Keine Sonderbetreuung
Und die Eltern haben ebenfalls ein enormes Problem, müssen sie doch auf ihre lieben Kleinen daheim aufpassen. Bis zum Sommer hatten Eltern dafür gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf Sonderbetreuungszeit, womit gesetzlich geregelt war, dass der Bund und damit der Steuerzahler das Gehalt der Eltern für diese Zeit bezahlt.
Die Regelung wurde im Sommer aber nicht verlängert, dennoch gibt es einen Rechtsanspruch, sagt jedenfalls das Arbeitsministerium: Nach dem Angestelltengesetz und dem ABGB bestehe aus dessen Sicht Anspruch auf Dienstfreistellung „unter Fortzahlung des Entgelts pro Anlassfall und Kind“. Jedes Kind unter Quarantäne stelle einen eigenen Anlassfall und damit einen Freistellungsanspruch im Ausmaß von bis zu zwei Wochen pro Elternteil dar, gibt das Arbeitsministerium von Martin Kocher bereitwillig Auskunft.
Dem widerspricht allerdings die Arbeiterkammer aufs Heftigste, sie fordert seit Wochen eine Wiederaufnahme der alten Sonderbetreuungsregeln. Man müsse nämlich unterscheiden, ob das Kind infiziert ist und daheim bleiben muss, oder das Kind nur in Quarantäne geschickt werde. Im Krankheitsfall erlaube das Gesetz im Falle einer tatsächlichen Erkrankung des Kindes eine Woche pro Arbeitsjahr und eine zweite Woche nur bei neuerlicher Erkrankung. Bei einer Dienstverhinderung aufgrund einer Quarantäne sei jene auf eine „verhältnismäßig kurze Zeit“ zu begrenzen. „Keinesfalls lässt sich daraus ableiten, dass hiervon eine zweiwöchige Dienstverhinderung erfasst wäre.“
Kurzum: Manche Dienstnehmer werden das mit dem Arbeitgeber erst ausstreiten müssen.
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