Finanzminister Marterbauer: "Wir schaffen es auch ohne neue Steuern"

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) sieht die Bundesregierung bei der Budgetsanierung trotz höherem Defizit als erwartet auf Kurs.
KURIER: Werden Sie auf der Straße erkannt und angesprochen?
Markus Marterbauer: Ja, weil ich viel auf der Straße unterwegs bin, weil ich viel zu Fuß gehe.
Dass Sie das meiste Vertrauen der Regierungsmitglieder genießen, obwohl die Zahlen schlecht und die Folgen der Rezession spürbar sind, ist nachvollziehbar?
Die Zahlen sind gar nicht so schlecht, die Rezession ist vorbei, die Wirtschaft wird heuer leicht wachsen, die Budget-Sanierung ist auf Kurs – also Schritt für Schritt wird es besser. Vielleicht trägt zu meiner Beliebtheit bei, dass ich mich bemühe, meine Expertenrolle weiter einzunehmen. Wenn die Botschaft „Wir müssen Wirtschaft und Budget in Ordnung bringen und das auf gerechte Weise“ ankommt, dann freue ich mich.
Der Budgetvollzug zeigt, dass der Bund beim Budget auf Kurs ist, Länder und Gemeinden aber nicht.
Gesamtstaatlich halten wir das angepeilte Ziel. Generell glaube ich, dass Länder, Gemeinden und Städte – ganz egal wo in Österreich – in einer ganz schwierigen Situation sind, weil sie ihre Ausgaben und ihre Einnahmen nur schwer selbst bestimmen können. Sie bekommen Ertragsanteile vom Bund – abhängig von der Steuerentwicklung, sie haben Kommunalabgaben, die von der Beschäftigungssituation vor Ort abhängen und sie haben eine Grundsteuer, die laufend weniger wert wird. Das ihr Dilemma.
Dass in Wien die Schulden derart hoch sind, ist also kein Spezifikum?
Ich fahre derzeit durch ganz Österreich und es gibt keine Gemeinde oder Stadt, die ich besuche, die nicht jammert. Zurecht, glaube ich.
Sie wollen, dass Länder und Gemeinden schneller ihre Zahlen einmelden, um rascher Prognosen zu kommen. Gibt es hier schon Fortschritte?
Es gibt zum Teil Fortschritte, aber wir brauchen noch gesetzliche Änderungen.
WKO-Präsident Harald Mahrer kritisiert, dass die Staatsausgabenquote von 56,3 Prozent viel zu hoch ist und ortet bei Bund, Ländern und Gemeinden Sparpotential in der Verwaltung…
Er ortet Sparpotential in der WKO? Wir sparen in der Verwaltung massiv. Der Präsident kennt, so hoffe ich, das Doppelbudget, in dem wir 1,1 Milliarden Euro allein bei den Ministerien einsparen. Der Präsident wird sicher auch wissen, dass wir 2026 rund neun Milliarden Euro durch Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen sparen und wird deshalb voll des Lobes für das sein, was wir machen.
Um bei der Zahl zu bleiben: Gibt es eine Staatsquote, die Sie als erstrebenswert erachten?
Warum haben wir denn eine so hohe Staatsquote? Weil wir uns dafür entschieden haben, uns bei Bildung, Gesundheit oder im Pensionssystem gesellschaftlich zu organisieren und all das nicht dem Markt zu überlassen. Ich glaube, das ist das richtige Konzept, damit alle Menschen den Anspruch auf die gleiche Leistung haben. Wenn ich es über den Markt organisiere, dann bedeutet das, dass die, die höhere Einkommen haben auch bessere Leistungen bekommen. Ich bin ein Verfechter des ersten Weges. Das heißt aber nicht, dass wir keinen Beitrag zur Finanzierbarkeit des Systems leisten müssen.
Zum Beispiel im Pensionssystem ...
Wir bemühen uns derzeit, die Finanzierbarkeit der ersten Säule des Pensionssystems auch langfristig sicherzustellen. Deshalb machen wir eine Reihe von Reformen. Aber wir erhöhen die Pensionen merklich – 1,7 Milliarden Euro kostet die Valorisierung. In Zeiten knapper Budgets ist das eine markante Erhöhung. Jemand, der 4.000 Euro Pension bezieht, der bekommt 67 Euro mehr, jemand der 1.500 Euro Pension hat, rund 40 Euro mehr. Und das, obwohl Brot und Milch für alle gleich viel kosten.

Markus Marterbauer bei seiner Budgetrede
ÖVP und Neos haben 40 Prozent bei der Steuern- und Abgabenquote immer als Ziel genannt. Damit wären wir im EU-Schnitt, sind aber weit davon entfernt.
Unser oberstes Ziel ist die Budgetkonsolidierung – darauf haben wir uns in der Koalition verständigt. Wir müssen und wollen bis 2028 das Budgetdefizit auf unter drei Prozent des BIP bekommen. Würden wir die Abgabenquote senken, würde das das Defizit steigen lassen. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung.
Warum war und ist es notwendig, bei den Pensionen unter der Inflation abzuschließen und die Beamten neu zu verhandeln? Geht sich der Budgetpfad 2026 sonst nicht aus?
Es geht um zwei wesentliche Punkte: Die Budgetsanierung und eine gerechte Verteilung.
Wie viel erhoffen Sie sich von den Beamtenverhandlungen?
Formal verhandeln wir nur für den Bund, hoffen aber, dass Länder und Gemeinden die Abschlüsse übernehmen. Die 3,3 Prozent entsprechen ungefähr 660 Millionen Euro im kommenden Jahr für den Bund. Für 2027 und 2028 sind im Budget zwei Nulllohnrunden vorgesehen. Jetzt verhandeln wir darüber, wie wir diese drei Jahre gemeinsam denken können. Mehr werde ich Ihnen zu den Verhandlungen der Beamten im öffentlichen Dienst nicht sagen.
Vor geraumer Zeit dachte man noch, über zwei Jahre abzuschließen, würde Planbarkeit bringen. Nun scheint das Gegenteil der Fall.
Das hat die alte Regierung abgeschlossen. Ich würde als Sozialdemokrat in dieser Frage nie über die Gewerkschaften drüberfahren. Die Gewerkschaften waren auf unser Ansuchen hin bereit – und das ist Ihnen hoch anzurechnen – über die Dinge nochmal zu reden. Wir werden nur zu einer Einigung kommen, wenn beide Seiten unterschreiben und zufrieden sind.
Unzufrieden und unterschiedlicher Auffassung sind ÖVP und SPÖ, was die Betrugsbekämpfung betrifft. Die WKO will vermehrt gegen Sozialbetrug von Arbeitslosen vorgehen, die AK gegen Steuerbetrug von Unternehmen.
Wir sind gegen jeden Betrug – egal, wo er stattfindet. Im Regierungsprogramm ist ein Maßnahmenpaket gegen Steuerbetrug festgehalten. 2026 werden wir 270 Millionen Euro und 2029 rund 450 Millionen Euro aus der Steuerbetrugsbekämpfung erhalten, die wir dringend fürs Budget brauchen. Wir haben eine Gruppe mit Expertinnen und Experten eingesetzt, die eine Liste an Maßnahmen erstellt hat, was das Programm kann und welche Ressourcen wir dafür brauchen. Das ist die Politik, die ich machen will: Basierend auf Daten, Fakten und Wissen von Expertinnen und Experten. Wir müssen ja auch jene Unternehmen schützen, die überwiegende Zahl nämlich, die ihre Steuern ehrlich abführen.
Sind Sie sich da so sicher? Schwarzarbeit macht rund 7,5 Prozent des BIP aus.
Wir werden überall die schwarzen Schafe angehen. Im Kampf gegen Steuerbetrug erwarte ich mir auch die Unterstützung der Wirtschaftskammer, weil der Plan die Mitgliedsunternehmen schützt. Was den Kampf gegen den Sozialleistungsbetrug betrifft, gibt es eine Task Force unter Federführung des BMI. Innenminister Gerhard Karner hat kürzlich gesagt: „Wir erwischen alle“. Das ist gut so. WKO und AK haben weitere Vorschläge eingebracht, und ich finde, die beiden sollten sich am besten zusammensetzen und ein Papier erarbeiten.

Markus Marterbauer
Markus Marterbauer wurde am 26. Februar 1965 in Uppsala (Schweden) geboren und wuchs in
Oberösterreich auf. Der Nationalökonom arbeitete von 1994 bis 2011 als Konjunkturreferent am WIFO und war u. a. für Wirtschaftsprognosen zuständig. Danach war er wirtschaftswissenschaftlicher Leiter der AK Wien und Vizepräsident des Fiskalrats. Seit 3. März 2025 ist er Finanzminist
Bei Steuerbetrug setzen Sie stark auf Künstliche Intelligenz. Wie kann man sich das vorstellen?
Es geht im Wesentlichen darum, dass die KI beispielsweise alle Arbeitnehmerveranlagungen anschaut und nach Auffälligkeiten sucht. Genau diese werden dann von Fachleuten überprüft. Das gleiche gilt für Einkommenssteuerprüfungen oder Umsatzsteuererklärungen von Unternehmen. Die KI ist in diesem Fall ein Beispiel dafür, wie wir Ressourcen einsparen können.
Die Industrie beklagt die hohen Energie- und Lohnstückkosten, viele Betriebe sperren zu, wandern ab. Wie kann der Staat diese Entwicklung abfedern?
Wir sind einer der stärksten Industriestandorte der Welt, fast ein Fünftel unserer Wertschöpfung stammt aus der Industrie. Das einstmals stolze Industrieland Großbritannien, das die Weltmärkte beherrscht hat, hat unter 10 Prozent. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Standort zu erhalten, aber entscheidend ist: Wir werden nie mit Bulgarien und Indien bei den Kosten mithalten können. Die Arbeitskosten pro Stunde sind bei uns zehn Mal so hoch wie in Bulgarien. Unser Ziel muss sein, trotz hoher Kosten wettbewerbsfähig zu sein.
Das heißt?
Das heißt, wir müssen in die Produktivität investieren. Das war unsere Erfolgsstory der letzten 50 Jahre. Der neue Bericht des Produktivitätsrates kommt demnächst. Was wir bereits wissen: Wir müssen in der Digitalisierung besser werden, brauchen billigen Strom und müssen die 300.000 Menschen, die derzeit im Niedriglohnsektor sind, qualifizieren.
Was trägt der Staat dazu bei, den Strom billiger zu machen?
Ganz viel. Wir müssen die Erneuerbaren ausbauen. Das Wichtigste ist die Windkraft. Wir haben im Winter zu wenig billigen Strom und da ist die Windkraft das beste Instrument. Und wir haben aufgrund unserer Berge enormes Potenzial bei Pumpspeicherkraftwerken. Die können für uns das sein, was für Norwegen das Gas ist. Wir pumpen Wasser in die Stauseen, wenn der Strompreis negativ ist. Wir lassen das Wasser herunter, wenn wir es teuer verkaufen können. So wird man reich.
Auch die Genehmigungsverfahren will die Regierung verkürzen. Welcher Beschleunigungszielwert schwebt Ihnen vor?
Beim Limberg III Kraftwerk des Verbunds betrug die Bauzeit vier oder fünf Jahre und die Genehmigungszeit ähnlich lange. Ziel muss es sein, die Genehmigungszeit zumindest zu halbieren. Eigentlich sollten wir alle zwei Jahre ein neues Kraftwerk eröffnen.

Andreas BABLER, Christian STOCKER, Beate MEINL-REISINGER
ÖVP und Neos wollen die Lohnnebenkosten senken, dafür dürfte aber das Geld fehlen. Wie sollte man das sozial verträglich gegenfinanzieren – wenn nicht mit der SPÖ-Kernforderung nach vermögensbezogenen Steuern?
Wenn Neos und ÖVP auf mich zukommen und sagen, das ist eine Idee, wir wollen dieses oder jenes Projekt gerne mit einer Erbschaftssteuer gegenfinanzieren, dann gehe ich zu meinem Schreibtisch und ziehe das fertig vorbereitete Gesetz aus der Lade. Die Erbschaftssteuer ist an sich die ur-liberalste Steuer, die es gibt. Gerade die Neos müssten die ersten sein, die mit der Idee kommen.
Sie sind im Regierungsprogramm nicht vorgesehen und: Ich werde dieses Thema nicht offensiv vertreten. Das werde ich erst im Nationalratswahlkampf 2029 tun und dann wird es 2030 kommen.

35. Bundesparteitag: Marlene SVAZEK, Mario KUNASEK, Herbert KICKL
Schaffen wir es ohne neue Steuern?
Wir schaffen es auch ohne neue Steuern! Österreich ist eines der wirtschaftlich und sozial stärksten Länder der Welt. Wenn wir die Probleme nicht lösen können, wer soll es sonst?
Da schwingt auch ein bisschen der Titel Ihres Buches mit: „Politik ohne Angst“.
Wir brauchen in Österreich mehr Zuversicht. Trotz aller Krisen und Probleme haben wir in eine relativ gute Ausgangssituation. Wir können auf dieser Basis pragmatisch und im Konsens der demokratischen Parteien versuchen, Dinge zu verändern und weiterzubringen. Das ist unser Job in der Regierung.
In Umfragen gibt es Mehrheiten für SPÖ-Forderungen wie Preiseingriffe oder die Erbschaftssteuer, aber die SPÖ ist auf einem Tiefststand. Wie erklären Sie sich das?
Ich bin kein Meinungsforscher. Unser Job ist es, konkrete umsetzbare Vorschläge zu machen und das tun wir.
Sie teilen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl die Leidenschaft fürs Bergsteigen. Kommen Sie überhaupt noch dazu?
Ja. Ich war im Sommer eine ganze Woche in den Südtiroler Dolomiten. Herrn Kickl habe ich dort aber nicht angetroffen.
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