Marketz: Kirche erkannte als Erste die Zerrissenheit Kärntens

Der Kärntner Bischof Josef Marketz
Kärntner Bischof zu 100 Jahre Volksabstimmung: Kirche setzte mit Diözesansynode 1970/72 Markstein auf dem langen Weg zur Versöhnung. "Wir sind auf einem guten Weg."

In einer Zeit, als der Begriff der "Kärntner Einheit" noch ausgrenzend verwendet wurde, hat die Kirche "als Erste in diesem Land die Zerrissenheit erkannt". Daran hat der zur slowenischen Volksgruppe gehörende Gurker Bischof Josef Marketz, der sich selbst "nie als etwas anderes denn als Kärntner gefühlt" hat, anlässlich 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung erinnert. Die Kirche habe versucht, diese beschworene und zugleich missbrauchte "Einheit" zu leben, "indem man dem jeweils anderen wertschätzend begegnet", sagte Marketz in einem Interview der Kärntner Kirchenzeitung Sonntag.

Auf die Frage, ob Kärnten am Ziel einer Versöhnung der Volksgruppen angekommen sei, antwortete der Bischof: "Es gibt für das Miteinander keinen Ziel- oder Endpunkt. Wir sind auf einem guten Weg." Er selbst habe noch "Zeiten massiver Spannungen erlebt, als man sich nicht traute, in der Öffentlichkeit slowenisch zu sprechen", erzählte Marketz. Es gebe sicher noch viele offene Themen, aber es seien Fortschritte bei der Verständigung unter den Volksgruppen erzielt worden seien, über die er "glücklich" sei.

Zwei Männer mit "Mut zur Versöhnung"

Ein Markstein sei in dieser Hinsicht die Kärntner Diözesansynode 1970/72 gewesen. Dort wurden laut Bischof Marketz "nicht nur schöne Synodenpapiere verfasst", sondern die beiden Protagonisten Valentin Inzko, heute Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, und Ernst Waldstein, im Vorjahr verstorbener Ehrenpräsident des Katholischen Laienrates, hätten mit hohem persönlichen Einsatz etwa bei Besuchen in vielen Pfarren den Boden für einen Dialog aufbereitet. "Aus ihrem Glauben heraus waren sie überzeugt, dass es den Mut zur Versöhnung braucht. Heute sehen wir, dass es nur diesen Weg gibt", würdigte Marketz die beiden Pioniere.

Vor 100 Jahren sei "an allen Ecken und Enden in Europa und auch in Österreich gezogen und gezerrt worden", um nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg die Staatsgrenzen neu festzulegen. "Gott sei Dank ist vor 100 Jahren die Grenzziehung nach dem Zerfall der Monarchie so ausgegangen", sagte Marketz. Dass die Kärntner Slowenen nach viel Propaganda und vielen Versprechungen "über den Tisch gezogen" wurden, "glaube ich nicht", so Marketz. Es sei von beiden Seiten viel versprochen worden. "Ob der SHS-Staat (das von Serben, Kroaten und Slowenen der ehemaligen Donaumonarchie gebildete "erste Jugoslawien"; Anm.) seine Versprechen eingehalten hätte, bezweifle ich."

"Mythos" der "deutschen" Kärntner Einheit

Nach der Volksabstimmung habe der Landesverweser und spätere Landeshauptmann Kärntens Arthur Lemisch die slowenischsprachige Minderheit "zum Kärntnertum zurückführen" wollen, damit den Mythos von der "deutschen" Kärntner Einheit geschaffen und gleichzeitig viel Gemeinsames zerbrochen, erinnerte Marketz. Besser wäre es gewesen zu sagen: "In Kärnten leben zwei Volksgruppen, wir haben zwei Landessprachen und sie sind gleichwertig. Leider ist das nicht passiert." Im Zweiten Weltkrieg habe sich die Zerrissenheit weiter verschärft.

Auch als sich Inzko und Waldstein ein halbes Jahrhundert später um Brückenschläge bemühten, habe es dafür Anfeindungen und Konflikte gegeben, so Marketz. Sie hätten angeregt, offen über Verletzungen zu sprechen, um sie dann heilen zu können - und das in einer Zeit, "in der manche Beobachter einen Bürgerkrieg in Kärnten befürchtet haben". Heute sollten diese geschichtlichen Entwicklungen mit "schmerzhaften Ausgrenzungen" als Folgen einbekannt und es müsste daraus gelernt werden, so die Überzeugung des Bischofs.

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