Maiaufmarsch: Gudenus verwechselt säkulare Türken mit Islamisten

Gudenus postete ein Foto vom Wiener Rathausplatz mit Atatürk-Fahne (li.) und zwei Fotos aus Linz (re.)
FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus spricht von "Pro-Erdogan-Türken". SPÖ Wien sieht Grund für "Nachhilfe in Außenpolitik".

Eine Debatte über türkische Fahnen bei den 1.-Mai-Feiern der SPÖ startete am Dienstag FPÖ-Klubobmann Johann Er postete auf Facebook mehrere Fotos und schrieb: "Das ist der 1. Mai Aufmarsch der SPÖ. Türkische Fahnen, so weit das Auge reicht. Diese Partei hat sich schon lange von den Interessen der Österreicher entfernt. Eine Schande!" Unter dem Posting ereifern sich Sympathisanten über "rote Volksverräter" und über "Anhänger des Sultans (Erdogan, Anm.)". Einer fragt: "Gehört Österreich jetzt auch schon zur Türkei?"

In einem weiteren Posting legte Gudenus am Dienstag noch einmal nach: "Die SPÖ stützt sich anscheinend nur noch auf radikale Islamisten und Pro-Erdogan-Türken." Auch Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache witterte wenig später auf Facebook und auf Twitter "türkische Fahnen, so weit das Auge reicht".

Wiener SPÖ: Keine Erdogan-Fans

Auf einem Foto vom Wiener Rathausplatz ist ein Mann mit einer türkischen Fahne zu sehen, auf der das Konterfei von Kemal Atatürk aufgedruckt ist. Atatürk gründete 1923 sowohl die türkische Republik als auch die Republikanische Volkspartei (CHP).

Der Sprecher der SPÖ Wien, Raphael Sternfeld, sagt auf KURIER-Nachfrage: "Ich biete dem Orbán-Freund Gudenus Nachhilfe in Außenpolitik an". Die CHP, die laut SPÖ offenbar eine kleine Abordnung von Sympathisanten gestellt hat, ist eine "befreundete Organisation, die für eine säkulare, moderne, urbane Türkei steht und die Antithese zu Erdogan und dessen Politik darstellt", sagt Sternfeld.

Als kemalistische Partei tritt die CHP traditionell für die Wahrung der säkularen Staatsordnung Atatürks ein. Die derzeit größte Oppositionspartei der Türkei ist eng mit der Tageszeitung Cumhuriyet verbunden, die der Regierung Erdogan schon länger ein Dorn im Auge ist und mit mehreren Gerichtsprozessen konfrontiert ist.

Zwei Fotos aus Linz

Zwei der drei von Gudenus veröffentlichten Fotos wurden gar nicht in Wien, sondern in der Linzer Landstraße aufgenommen. Sie zeigen eine rund 15- bis 20-köpfige Abordnung, die österreichische und türkische Flaggen schwenkt. Laut Auskunft der Linzer SPÖ wurden jene Kulturvereine zum Maiaufmarsch eingeladen, die im Linzer Migrationsbeirat vertreten sind und im Sinne der Integration agieren. Das beträfe auch kroatische, bosnische oder mazedonische Vereine, die ebenfalls mit entsprechenden Landesflaggen auftreten würden. Der zuletzt durch in die Kritik geratene Erdogan-nahe Moscheenverein Atib hatte seine Teilnahme auf Facebook angekündigt.

FPÖ-Klubchef Johann Gudenus; Maiaufmarsch, SPÖ

In der Türkei werden am 24. Juni vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten. Seit dem Bekanntwerden des Termins betonen vor allem ÖVP und FPÖ, dass man keinen türkischen Wahlkampf in Österreich dulde.

Gudenus witterte "Allianzen" mit Islamismus

Gudenus warf der SPÖ erst kürzlich in der ORF-Sendung "Im Zentrum" vor, "Allianzen mit islamistischen Bewegungen" zu suchen. In der Bundesparteizentrale weist man dies auf Nachfrage entschieden zurück. "Die SPÖ formt selbstverständlich keine Allianz mit Islamisten. Wir lehnen jede Form von Extremismus ab", heißt es.

SPÖ-Maiaufmarsch: Kritik an Regierung

Zudem verweist man in der Löwelstraße auf die Rede von Parteichef Christian Kern am 1. Mai. Darin wandte sich Kern explizit gegen Antisemitismus: "Ein Angriff auf unsere jüdischen Mitbürger ist ein Angriff auf uns alle." Ob dieser von rechtsradikaler oder islamistischer Seite komme, sei dabei egal.

Laut Angaben der SPÖ nahmen 120.000 Menschen an dem diesjährigen Maiaufmarsch in Wien teil.

 

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