Regierung gegen Parlament: Machtkampf ums marode Bundesheer
Nach zwei Tagen war er da, der Gabelstapler, der Wachtmeister Gregor Haas und seine Männer beim Sandsackschleppen unterstützen sollte. Insgesamt 7.500 Säcke haben die Milizsoldaten bei der Übung "Scheitelhöhe 2019" zu Kampfstellungen aufgetürmt – den Großteil davon mit bloßen Händen.
Denn der einzige Stapler, der zu Beginn der Übung in Innsbruck zur Verfügung stand, hatte kein Pickerl, er durfte also nicht mehr fahren. Und nachdem ein mögliches Ersatzfahrzeug aus Kärnten auch an einer Panne litt, dauerte es bis Mittwochabend, ehe Wachtmeister Haas und seine Männer ein vernünftiges Ersatz-Fahrzeug zur Verfügung hatten.
Man könnte die leidige Stapler-Episode als kuriosen Einzelfall abtun, allein: Was bei der Milizübung in Tirol passiert ist, steht sinnbildlich für den Gesamtzustand der Streitkräfte. Sie sind technisch am Ende, finanziell ausgehungert. Und die teils besorgniserregende Situation hat am Donnerstag eine zusätzliche, neue Wendung genommen.
Die Bundesregierung – oder genauer: deren Sprecher – hat eher trocken festgehalten, dass man vorerst nicht daran denke, die Budgetmittel für Bundesheer und Justiz aufzustocken.
Wörtlich sagte Regierungssprecher Alexander Winterstein: "Es gibt Herausforderungen, denen man sich zu stellen hat." Und die Aufgabe der Übergangsregierung sei es nun mal, Analysen und Vorarbeiten zu leisten, "damit die nächste Regierung entsprechende Maßnahmen treffen kann".
Zusätzliche Mittel für die Armee?
Das sei nicht Aufgabe der amtierenden Regierung.
Die Feststellung ist insofern bemerkenswert, als SPÖ und FPÖ erst am Tag zuvor im Parlament einen gemeinsamen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht haben, der dem Bundesheer kurz- und mittelfristig deutlich mehr Budget zugestehen würde. 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2020; 3 Milliarden im Jahr 2021 – und damit um insgesamt mehr als 800 Millionen Euro mehr als im ursprünglichen Finanz-Fahrplan.
Der Entschließungsantrag sei eine durchaus verbindliche Vorgabe für die amtierende Bundesregierung, hieß es gegenüber dem KURIER gleichlautend aus SPÖ und FPÖ. Nachsatz: Man wisse ja nicht, wie lange die Regierung Bierlein im Amt sei – die Koalitionsgespräche könnten ja noch bis ins Jahr 2020 andauern.
Was aber bedeutet das Nein der Bundesregierung
im Umkehrschluss? Steuern Parlament und Regierung auf einen Machtkampf zu?
Der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried, will der Regierung – noch – keine Rute ins Fenster stellen. "Der Sprecher ist nicht die Kanzlerin selbst und ich würde in diesem Fall vor etwaigen Ansagen das persönliche Gespräch mit der Regierungschefin suchen", kalmiert Leichtfried.
Klar ist aber auch: Im Falle eines Patts oder Machtkampfes säßen die Parlamentsparteien letztlich am längeren Ast – sie könnten Bierlein mit ihrer Abwahl drohen.
Kein extra Geld für Justiz oder Bundesheer
Richtiger Schritt
Den höchsten Militär des Landes, Generalstabschef Robert Brieger, muss man nicht lange fragen, ob er die von SPÖ und FPÖ in Aussicht gestellte Finanzspritze nehmen würde. "Das wäre jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, entspricht es doch den Forderungen, die ich bereits in meiner Broschüre (Ein Appell zur effektiven Landesverteidigung, Anm.) gestellt habe", sagt Brieger zum KURIER.
Auf die Frage, ob es bereits konkrete Beschaffungspläne gäbe, um das Geld dort zu investieren, wo es am dringendsten notwendig sei, antwortete der General eher allgemein: "Ich kann aber zu 100 Prozent garantieren, dass wir diese zusätzlichen Mittel sofort investieren würden – etwa in die Mobilität, die Miliz, die Mannesausrüstung, um nur wenige der akuten Probleme zu nennen."
Für die wichtigen Anschaffungen wie die aktive Luftraumüberwachung sollen laut dem Antrag zusätzlich eigene Investitionspakete geschnürt werden.
Bis dahin ist es freilich ein langer Weg. Und bis dahin ist die Übung von Wachtmeister Haas und seinen Kameraden vorbei und der fehlende Stapler wohl schon wieder vergessen. "Die Männer haben trotzdem angepackt und alles in der geforderten Zeit erledigt", sagt Soldat Haas zum KURIER.
Die fehlenden Millionen sind damit nicht wettgemacht. Aber immerhin hat die Truppe noch Moral. Und das ist in Zeiten wie diesen ja auch ein Wert.
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