Coronavirus: Anschober rechnet mit "leichter Wellenbewegung"

Coronavirus: Anschober rechnet mit "leichter Wellenbewegung"
Gesundheitsminister Anschober setzt auf qualitativ hochwertige Tests und will zweite Welle "mit aller Kraft verhindern".

"Mein Name ist Rudi Anschober, ich bin der Gesundheitsminister dieser Republik."

Für alle, die ihn nach gefühlt 100 Pressekonferenzen in den vergangenen Wochen  noch nicht kennen, stellte sich Anschober am Donnerstag vorsichtshalber ganz förmlich vor. Und freute sich, dass er diesmal eine Pressekonferenz hält, die Fachinformationen zum Coronavirus liefert. 

Aber zunächst zur Routine: Wie immer hatte Anschober Zahlen parat - sehr gute Zahlen, wie er betonte, und auch Grafiken. "Das zeigt, dass wir das Virus gut unter Kontrolle haben." So gut man ein Virus eben unter Kontrolle haben kann, merkte er an. 

Gesundheitsminister Anschober: Wir sind am richtigen Weg

15.980 Erkrankungsfälle gab es bisher in Österreich, in Summe gibt es aber deutlich mehr Neu-Genesene (101) als Neuinfektionen (59). 949 aktiv Erkrankte sind es aktuell. Die Zahl jener, die in intensivmedizinischer Behandlung sind, gehe ebenfalls stetig nach unten, sagt Anschober.

Und auch das Thema Testungen erklärte er noch einmal ausführlich: Da wären erstens die klassischen PCR-Tests, mit denen festgestellt wird, ob jemand aktuell an Covid-19 erkrankt ist. Bis dato seien 336.000 solche Tests durchgeführt worden. 

Kombination an Tests

Und  zweitens gibt es Antikörpertests, mit denen untersucht wird, ob jemand krank war - und jetzt möglicherweise immun ist. 

Bei Antikörpertests war bis dato unklar, wie verlässlich die Ergebnisse sind. Es gab deutliche Verbesserungen, und die präsentierte der Gesundheitsminister gemeinsam mit Lukas Weseslindtner, Virologe an der MedUni Wien

Er erklärte, dass derzeit eine Kombination aus Bindungstests und Neutralisationstests ausprobiert wird. Bindungstests messen die Konzentration von Antikörpern im Blut, Neutralisationstests messen, wie gut sich der Körper gegen das Virus wehren kann.

Neutralisationstests sind der "Goldstandard" an Tests. Sie sind qualitativ hochwertig, aber nicht zur breiten Anwendung gedacht und sehr aufwändig.

"Antikörper sind nur ein Baustein"

Virologe Weseslindtner dämpfte dann aber doch die Erwartungen: Es sei nach derzeitigem Wissensstand nicht ganz sicher, ob eine überstandene Erkrankung wirklich eine lang andauernde Immunität bringt. "Antikörper sind nur ein Baustein im Immunsystem des Körpers."

Anschober appelliert jetzt an die Bevölkerung, Blut zu spenden, damit möglichst breite Laborstudien möglich sind. 

"Leichte Wellenbewegung"

Ziel sei, die zweite Welle "mit aller Kraft zu verhindern", betonte Anschober. Wovon er aber ausgeht, sei eine "leichte Wellenbewegung", die aber nicht dramatisch sein werde.

Gesundheitsminister Anschober erwartet eine Wellenbewegung

Und er betonte einmal mehr: "Das Virus ist nicht auf Urlaub, es ist noch da." Als warnendes Beispiel nannte er Singapur: Bis vor kurzem war es noch Vorbild, wie das Virus unter Kontrolle zu bringen sei, mittlerweile gibt es wieder 20.000 Fälle. 

Das Gesundheitsministerium sei am Erarbeiten eines Gesamtkonzepts für die Bevölkerung, was die Folgen der Corona-Krise betrifft. Es gehe um psychische Gesundheit, um Armut und um andere soziale Faktoren. "Solche Probleme sind erwartbar in der Krise, wenn die Arbeitslosigkeit drastisch zunimmt." 

Die "Ischgl-Studie"

Ein neues Projekt ist in Arbeit, und das wurde von Dorothee von Laer vom Institut für Virologie an der Uni Innsbruck präsentiert. 

Von Laer betonte vorab, sie sei nicht im Beraterstab der Regierung. Ihre Aufgabe sei die wissenschaftliche und diagnostische Begleitung des Coronavirus in Tirol. Konkret geht es um die so genannte "Ischgl-Studie". 

Getestet wurde in jenem Skiort, in dem die Erkrankung erstmals im Februar ausgebrochen ist. Und zwar mit den qualitativ hochwertigsten Tests, die derzeit zu haben sind. 

Untersucht werden soll, wie sich die Erkrankung in den Hotspots entwickelt hat, wie viele in der Bevölkerung immun sind, und wie sich das Virus von Tirol aus verbreitet hat. 

Die Forscherin betont, sie habe in Ischgl eine große Unterstützung gespürt, von Vertuschung sei keine Spur. Der Hausarzt habe die Bevölkerung in täglichen Mails animiert, zu den Tests zu kommen, schilderte sie als Beispiel. Das Land Tirol will der Uni Innsbruck die Kosten für die Studie ersetzen. 

Die Ergebnisse folgen in den nächsten Wochen. 

Experten sind für Masken-Pflicht

Eine Frage an die Experten noch: Wie sinnvoll ist die Pflicht, Mund-Nasen-Schutzmasken zu tragen? 

"Wir haben einige Freiheiten zurückbekommen, und andere Einschränkungen bekommen", leitete Expertin Von Laer ihre Antwort ein. "Es gibt einige Studien, die zeigen, dass Masken die Ausbreitung des Virus mindern." Alle sollten sich weiter an die gut erlernten Hygiene-Regeln halten, betonte sie. 

Und Virologe Weseslindtner sagte: "Wir Virologen forschen an Viren, aber wir lieben sie nicht." So gesehen sei ihm alles recht, das dazu dient, dass weniger Viren in der Luft sind. "Und es ist erwiesen, dass die Masken größere Tröpfchen abhalten." 

Viele Fragen rundherum

Die Journalisten vor Ort nutzten die Gelegenheit, Anschober allerhand andere Fragen zu stellen. 

Zum Auftritt von Kanzler Sebastian Kurz im Kleinwalsertal, bei dem es gestern zu Menschenansammlungen kam, äußerte sich Anschober nicht bzw. nur sehr ausweichend. Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn hatte angekündigt, Kurz anzuzeigen. Das stehe jedem Bürger frei, meinte Anschober nur. 

Zum Thema Immunitätspass, das in Deutschland diskutiert wird, meinte der Gesundheitsminister, es fehle noch präzises, verlässliches Wissen über Immunität. Die Frage, ob jemand Vorteile haben sollte, wenn er angeblich immun ist, sei deshalb eine sensible. 

Virologe Weseslindtner ergänzte, dass komplette Immunität noch gar nicht festzustellen sei. 

Zum Kulturbetrieb: Anschober hatte ja angekündigt, dass es eine leichte Öffnung schon Ende Mai geben könnte. Aktuell gibt es eine Diskussion um den angeblichen Rücktritt von Kultur-Staatssekretärin Ulrike Lunacek (den sie bereits dementiert hat). 

Anschober erklärte, er schätze seine grüne Kollegin sehr. Sie sei nicht alleine dafür zuständig, welche Öffnungen es gibt. Er habe Verständnis für die Ungeduld, ersuche aber um Verständnis. "Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen." 

Die Frage, ob die Salzburger Festspiele stattfinden können, beantwortete Anschober so: Bei den Veranstaltungen gehe es um die Umstände - um Größe, um Struktur in den Publikumsreihen. Konzerte, wo viele Menschen stehen, seien länger nicht möglich. Bei Sitzenden seien die Abstandsregeln leichter einzuhalten. 

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