Russisches Gas: Gewessler sorgt für nächsten Koalitionskrach
Lange hat der koalitionsinterne Frieden nach dem Krach um das EU-Renaturierungsgesetz nicht gehalten. Am Dienstag brach der nächste türkis-grüne Streit auf offener Bühne aus. Und wieder ist es die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, die den Zorn der ÖVP auf sich zieht.
Was war passiert? Ziemlich kurzfristig lud die Ministerin für Dienstag zur Präsentation der von ihr eingesetzten "Gasunabhängigkeitskommission“. Das von der prominenten ehemaligen OGH-Präsidentin und Neos-Abgeordneten Irmgard Griss geleitete Gremium soll den bisher geheim gehaltenen Gasliefervertrag zwischen der russischen Gazprom und der heimischen OMV überprüfen.
Konkret soll die Kommission abklären, ob es einen Weg gibt, aus der spätestens seit dem Kriegsausbruch 2022 mehr als heiklen Bindung an den russischen Gaslieferanten herauszukommen. Weiters wolle man laut Griss der Frage nachgehen: „Wie gehen wir in Zukunft bei Verträgen vor, die zwar ein privates Unternehmen schließt, die aber immense Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage, auf die sicherheitspolitische Lage und überhaupt auf die Lebensbedingungen in Österreich haben?“
Vertragsverlängerung mit Kurz und Putin
Ein Thema soll auch die Vertragsverlängerung 2018 sein, die unter dem Beisein des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und den russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet wurde. Vereinbart wurde damals eine Verlängerung um zwölf Jahre von 2028 bis 2040.
„Dies war ein Fehler“, wie Gewessler offen kritisiert. So wurde damals eine Klausel vereinbart, dass die OMV auch für nicht benötigtes Gas zahlen muss.
ÖVP kritisiert Gewessler scharf
Bei der ÖVP reagiert man mit offenem Unmut über Gewesslers Aktion: Die Kommission hinterlasse den Eindruck, „dass es sich mehr um einen PR-Gag als um einen sachpolitischen Schritt handelt“, wettert Energiesprecherin Tanja Graf via Aussendung. Die Präsentation wirke wie „eine Wahlkampf-Aktion der Grünen-Ministerin in eigener Sache.“
Wobei Graf betont, dass es Ziel der Bundesregierung sei, die Abhängigkeit von russischer Energie zu lösen. Womit man laut ÖVP-Kreisen aber ein Problem habe: Einmal mehr sei Gewessler vorgeprescht, ohne sich mit dem Koalitionspartner abzusprechen. „Aber das ist anscheinend ihrer Art“, ist in Parteikreisen zu vernehmen.
Nicht gelten lassen will man auch Gewesslers Kritik an der Vertragsverlängerung 2018: Jetzt vor mehr als einem halben Jahrzehnt in bester vorausschauender Absicht geschlossene Verträge für politische Effekthascherei zu instrumentalisieren, stehe dem Ansatz der Regierungskoalition, bis zum Ende der Legislaturperiode konstruktiv zusammenzuarbeiten, „diametral entgegen“, kontert Graf der Ministerin. Dieser sei Eigeninszenierung wohl wichtiger als Verantwortung für das Land.
In ÖVP-Kreisen betont man, dass die Deals mit Russland zum damaligen Zeitpunkt die beste Entscheidung gewesen seien. Schließlich habe man über viele Jahre von den preiswerten Gaslieferungen profitiert.
Neos: "Um zwei Jahre zu spät"
Kritik erntet Gewessler auch von der Opposition: „Die Kommission ist zwar top besetzt, kommt aber um zwei Jahre zu spät. Der Ausstieg aus den Gazprom-Verträgen wäre nachweislich bereits möglich gewesen, der politische Wille hat aber gefehlt“, sagt Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. „Österreich ist das einzige westeuropäische Land, das seine langfristigen Lieferverträge nach der einseitigen Reduktion der Liefermengen 2022 entweder nicht gekündigt oder keine rechtlichen Schritte gegen Gazprom gesetzt hat.“
Schon bei der Präsentation hatte Gewessler betont, dass es sich bei der Einsetzung der Kommission keineswegs um eine Wahlkampf-Aktion handle. Und sehr wohl habe man auch in der Vergangenheit viele Schritte gesetzt, um sich aus der Abhängigkeit vom russischen Gas zu lösen, wie ein Sprecher ergänzt.
Abseits des Polit-Gezänks wird die Kommission, der neben Griss unter anderem der Jurist Andreas Kletečka, der ehemalige Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde, Walter Barfuß, der ehemalige E-Control-Vorstand, Walter Boltz und Wifo-Chef Gabriel Felbermayr angehören, demnächst ihre Arbeit aufnehmen. Ende des Jahres soll der Abschlussbericht vorliegen.
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