„Ganz Europa ist in der dritten Welle, auch wir“, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Freitag – nur drei Tage, bevor die Regierung am Montag über weitere Öffnungen entscheiden soll. Klingt, als seien Lockerungen bereits abgesagt und die Schanigärten müssten zubleiben.
Und tatsächlich: „Es wird keiner der Experten dazu raten, mehr aufzumachen, das geben die Zahlen nicht her“, sagt Dorothee von Laer, Professorin für Virologie an der MedUni Innsbruck. Bei einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen würden wir nicht durchhalten, bis ausreichend Menschen in Österreich geimpft sind, erklärt sie. Schon in etwa drei Wochen drohe die Überlastung des Gesundheitssystems.
Statt über weitere Öffnungsschritte zu beraten, wird die Regierung also darüber nachdenken müssen, wie man gegensteuern kann.
Die zentrale Frage: Kann der Kollaps des Gesundheitssystems ohne einen weiteren harten Lockdown verhindert werden?
An diesem Punkt ist der Blick zurück hilfreich. Geben die bloßen Zahlen Öffnungsschritte her? Nein. Am 16. März 2020 wurde Österreich in den Lockdown geschickt, den ersten 159 Neuinfektionen und drei Todesfälle registrierte man damals. Als das Land nach Ostern erleichtert aus dem Lockdown entlassen wurde, hielt man bei 118 Neuinfektionen, 384 Todesfällen und 243 belegten Intensivbetten.
Und ein Jahr später? Am Freitag wurde der Höchststand an neuen Infektionen des Jahres gemeldet, 3.515. Statistiker berechneten, dass demnächst die 4.000 er Marke fallen könnte.
Intensivstationen voller
4.000 Neuinfektionen am Tag? Auch das gab es schon, Anfang November 2020. Kurz darauf wurde Österreich in den Lockdown geschickt, den Zweiten. 658 Intensivbetten waren damals belegt, derzeit steht man bei 397. Bis Ende März befürchten Mediziner 515 Patienten auf Intensivstationen.
Das wäre mehr als zu Beginn des dritten Lockdowns am 26. Dezember. Da waren 431 Intensivbetten belegt.
Virologin von Laer ist jedoch zuversichtlich, dass durch „viele kleine Optimierungen“ eine Verbesserung der Lage erreicht werden kann „ohne gleich das L-Wort in den Mund zu nehmen“. Als Beispiel nennt sie, wieder stärker auf Homeoffice zu setzten. Auch eine Verlängerung der Osterferien könne dazu beitragen, die Infektionszahlen im Griff zu behalten. Hier widerspricht das Bildungsministerium. Die Gleichung „Verlängerte Osterferien = verringerte Inzidenzen“ würde so nicht aufgehen.
Die Expertin fordert außerdem dazu auf, sensitivere Tests in den Schulen einzusetzen, um wirklich alle infizierten Schüler herauszufiltern. Man sei dabei, die unterschiedlichen Möglichkeiten zu validieren, erklärt hierzu das Bildungsministerium. Das Problem sei, dass aussagekräftigere Tests in der Handhabung oft komplizierter seien.
Von der Möglichkeit, wieder auf Distance Learning umzustellen, will derzeit niemand sprechen. Auch weil sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sehr viele Kinder in die Notbetreuung geschickt werden.
Dennoch: „Gerade bei jungen Erwachsenen sind die Infektionszahlen besonders hoch“, sagt von Laer. Auch steige die Zahl junger Menschen auf den Intensivstationen. Aus diesem Grund will die Virologin am Montag einen neuen Vorschlag in die Beratungsgespräche einbringen: Gerade in den höheren Schulstufen sollen nur jene in den Präsenzunterricht kommen, die es nicht ganz so leicht haben, in der Schule mitzukommen, also die z. B. nicht in allen Hauptfächer auf einem Dreier oder besser stehen.
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