Leak im U-Ausschuss? SPÖ und Neos schießen sich auf Türkis ein

Leak im U-Ausschuss? SPÖ und Neos schießen sich auf Türkis ein
U-Ausschuss geht in Sommerpause, sorgt aber weiter für Wirbel. Opposition verurteilt Angriffe auf WKStA, ÖVP zieht indes ernüchternde Bilanz über Erkenntnisse.

Gestern, Donnerstag, wurde im U-Ausschuss zur Ibiza-Causa ein Leak bekannt: Gregor Adamovic, Oberstaatsanwalt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, war als Auskunftsperson geladen und legte einen Bericht der SOKO Tape vor, der seiner Behörde anonym zugespielt wurde. 

Der anonyme Schreiber warnt die Behörde, dass das Papier zwecks dirty campaigning gegen die WKStA auch an Medien gegangen sei. Das Papier trägt offenbar ein Wasserzeichen der ÖVP und soll aus den U-Ausschuss-Akten stammen.

Die Opposition kritisiert die Türkisen nun scharf: Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeige sich, „welch Geistes Kind die türkise ÖVP ist“. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sah darin eine „neue Dimension türkiser Niedertracht“.

"Versuch, die WKStA zu desavouieren"

Deutsch erinnerte in einer Aussendung an ein Hintergrundgespräch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Medienvertretern, indem dieser die WKStA kritisiert hatte. Kurz habe damals von Roten Netzwerken in der Justiz fabuliert und der WKStA vorgeworfen, Daten illegal weiterzugeben, so Deutsch: „Wie sich heute herausstellt, war es die ÖVP selbst, die Daten leakt, um es der WKStA in die Schuhe zu schieben“.

Dem Versuch, die WKStA zu „desavouieren“, müsse vehement begegnet werden, so Leichtfried bei eine Pressekonferenz am Freitag. Er zeige jedenfalls, dass die ÖVP offenbar mit parlamentarischer Demokratie und Moral „nicht viel am Hut hat“. Der Wähler werde „entsprechend“ reagieren, meinte der SPÖ-Vizeklubchef.

"FPÖ hat Tango Korrupti nicht allein getanzt"

Auch Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper hat sich in ihrer Zwischenbilanz des Ibiza-Ausschusses auf die ÖVP eingeschossen. Die FPÖ habe den türkis-blauen „Tango Korrupti“ nicht allein getanzt, sagte Krisper am Freitag: „Die ÖVP steckt mitten drin - und das sehr tief.“ Die ÖVP sieht den „eigentlichen Skandal“ indes darin, dass der Ausschuss nicht mehr Ibiza und die FPÖ im Fokus hat.

Für Krisper spricht die „ständige Diskreditierung“ des Untersuchungsausschusses durch die ÖVP für die Nervosität der Kanzlerpartei. „Das zeigt vor allem eines: dass wir bei der Aufklärungsarbeit sehr erfolgreich sind.“

Scharfe Kritik übte sie daran, dass (wie es in dem anonymen Schreiben, das die WKStA erhielt, heißt) aus dem ÖVP-Klub Unterlagen hinausgespielt wurden, um die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu „beschädigen“: „Es gehört eine ordentliche Portion Perfidie dazu, wenn man der WKStA ständig Leaks vorwirft, aber selbst leakt.“

Erstellt wurden die Unterlagen bereits im Februar - also vor Beginn der Befragungen im Ausschuss. Für Krisper ist daher offensichtlich, dass die Unterlage von der ÖVP hinausgespielt wurde und nicht etwa - wie sich ÖVP-Fraktionschef Wolfgang Gerstl zuletzt gerechtfertigt hatte - von Anderen im Ausschuss abfotografiert.

Leak im U-Ausschuss? SPÖ und Neos schießen sich auf Türkis ein

Überhaupt sieht Krisper die ÖVP zunehmend im Zentrum der Untersuchungen des Ibiza-Ausschusses. So habe der Ausschuss zwar auch mögliche Geldflüsse von FP-nahen Vereinen an FPÖ-Politiker über die Immobilienfirma Imbeco aufgedeckt.

Allerdings habe sich auch gezeigt, dass die ÖVP 2018 eine Liberalisierung des Glücksspielgesetzes vorangetrieben habe, ohne ihren damaligen Regierungspartner einzubinden. Auch sonst habe man türkise Großspender bei Gesetzesvorhaben freundlich bedacht. Etwa wenn von der Aufstockung des Finanzierungsfonds für Privatkrankenhäuser (Prikraf) die PremiQaMed profitiert habe, die zuvor 50.000 Euro an die ÖVP überwiesen hatte.

Diese Causa will sich Krisper im Herbst näher ansehen. Ebenfalls „dranbleiben“ werde man bei der Forderung nach Übermittlung zusätzlicher Beweismittel - vom Kalender des Bundeskanzlers über gelöschte Mails von Justiz- und Finanzministerium bis hin zum Ibiza-Video. Im Zweifelsfall will Krisper den Verfassungsgerichtshof anrufen.

Und dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) trotz diverser Kontakte zum Glücksspielkonzern Novomatic nach wie vor den Vorsitz führt, ist für sie „inakzeptabel“.

Gerstl: "Aufklären, statt neue Skandale zu erfinden"

Indes zieht ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl eine "ernüchternde Bilanz" zum U-Ausschuss, der nun in die Sommmerpause geht. Die Befragungen werden im September fortgesetzt. 

„Wir sind in diesen U-Ausschuss gestartet, um das Ibiza-Video, den FPÖ-Skandal rund um Strache und Gudenus sowie die Arbeit der Bundesregierung während der Koalition mit der FPÖ zu kontrollieren", sagt Gerstl, der findet, der derzeitige Verlauf widerspreche dem massiv. 

Die SPÖ und die Neos seien aufgefordert, sich "den am Tisch liegenden Skandalen zu widmen, anstatt selbst welche zu erfinden". Derzeit sei das Bild, dass es ihnen um "rein persönliche und gegenseitige parteipolitische Anfeindungen, Unterstellungen und Untergriffigkeiten" gehe. Besonders die Neos hätten den Ibiza-U-Ausschuss "zur Theaterbühne für ihr ÖVP-Bashing gemacht". 

Leak im U-Ausschuss? SPÖ und Neos schießen sich auf Türkis ein

Auch am Ablauf des U-Ausschusses übt er Kritik: Er spricht von "endlosen Streitereien über die Geschäftsordnung", die es unmöglich machen, den Ladungsplan mit drei Auskunftspersonen pro Tag zu schaffen. An den bisher zehn U-Ausschuss-Tagen konnten aus Zeitgründen bereits fünf Auskunftspersonen aus Zeitgründen nicht mehr befragt werden und mussten in den Herbst verlegt werden. 

Für den ÖVP-Fraktionsführer gab es bisher wenig relevante Erkenntnisse: Dazu zählen für ihn die schweren Konflikte zwischen der SOKO Tape, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Wien.

Erhärtet haben sich für Gerstl aber Erkenntnisse zur FPÖ, die aus seiner Sicht auch tief in den neu aufgepoppten Wirecard-Skandal verstrickt sei. 

„Es gab sehr wohl hohe Parteispenden, die über blaue Vereine geschleust wurden, um sie am Rechnungshof vorbeizuleiten. Um in dieser Richtung noch mehr zu erfahren, müsste der U-Ausschuss dringend wieder zurück zu seinen eigentlichen Wurzeln kehren."

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