Juncker lobt Kurz - und kritisiert Kneissl

Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker
Kanzler noch vor der Regierungserklärung bei EU-Spitzen. Vorbehalte gegen Koalition mit FPÖ bleiben leise - nur Karin Kneissl wurde gerügt.

Es war eine Geste, die in Brüssel wohlwollend aufgenommen wurde: Noch vor seiner Regierungserklärung eilte Sebastian Kurz gestern Abend zu einem Blitzbesuch in die europäische Hauptstadt. Die Botschaft des neue Kanzlers: Österreich ist und bleibt auf Europa-Kurs.

Gerade einmal eineinhalb Tage lang war Kurz Österreichs neuer Kanzler, als er einem ihm wohl gesonnenen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk die Hand schüttelte. Der altgediente polnische Politprofi und der jüngste Kanzler Europas – sie liegen auf einer Linie. Besonders, seit Tusk das verpflichtende Flüchtlingsverteilungssystem in der EU als ineffizient kritisiert und Kurz ihn dabei unterstützt hatte. Die Migrationspolitik der EU muss wirkungsvoller, der Schutz der EU-Außengrenzen besser werden, diese Forderung ließ Kurz sowohl Tusk als auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wissen. Doch der Neo-Kanzler versuchte zudem zu vergewissern: Auch mit einem in Brüssel sehr skeptisch gesehenen Koalitionspartner FPÖ wird Österreich Entscheidungen der EU voll mittragen und sich nicht in die Brüssel-kritische Frontstellung Ungarns oder Polens einreihen.

Kritik an Kneissl

Juncker lobt Kurz - und kritisiert Kneissl
ABD0099_20171219 - BRÜSSEL - BELGIEN: BK Sebastian Kurz (ÖVP, r.) trifft am Dienstag, 19. Dezember 2017, im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Brüssel mit EU-Ratspräsident Donald Tusk (l.) zu einem Arbeitsgespräch zusammen. - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

Juncker goutierte das. "Ich sehe unserer Zusammenarbeit hoffnungsvoll entgegen", sagte der Kommissionschef nach dem Treffen mit Kurz. Er gab sich überzeugt, dass Österreichs Regierung einen deutlichen pro-europäischen Kurs steuere: "Das Regierungsprogramm ist stimmig, deutlich und trägt eine europäische Tonalität." Er verwehre sich, so Juncker mit Blick auf die FPÖ, gegen Vorverurteilungen. Einzig an Kurz' neuer Außenministerin Karin Kneissl stieß sich Juncker ein wenig: Dass sie vor eineinhalb Jahren gesagt hatte, dass er ein „Zyniker der Macht“, „rüpelhaft“ und „arrogant“ sei, trägt er ihr nach. So möchte Juncker freilich nicht genannt werden: „Wer Außenministerin ist, muss sich daran gewöhnen, andere Worte zu wählen“, so seine Botschaft an die Nahost-Expertin.

Der ansonsten aber sehr freundliche Empfang für Kurz in Brüssel ist Ausdruck dafür, wie sehr sich die Stimmung gedreht hat, seit vor 17 Jahren zum ersten Mal eine schwarz-blaue Regierung in Wien die EU verstörte. Österreich wurde mit Sanktionen bestraft. Besonders Frankreichs Präsident Jacques Chirac zeigte sich unversöhnlich. Die Folge: Die damals 14 anderen EU-Staaten verweigerten eine Zeit lang alle bilateralen Kontakte mit der Regierung von Wolfgang Schüssel. Der damalige belgische Außenminister Louis Michel hatte gar empfohlen: "Fahrt nicht zum Schifahren nach Österreich." Später nannte er seine Äußerung selbst "dumm".

Keine Sanktionen

Die Sanktionen blieben wirkungslos und wurden nach neun Monaten aufgehoben. Die FPÖ blieb in der Regierung, und in der EU war man einig, solche ziellosen Schritte nicht wieder zu setzen.Auch heute sind Vorbehalte gegenüber der Regierungsbeteiligung der FPÖ in Brüssel spürbar. "Die Situation ist vielleicht anders als im Jahr 2000. Aber die Tatsache, dass eine extrem rechte Partei an die Macht kommt, ist nie trivial", sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici – der Franzose ist eines der wenigen sozialistischen Kommissionsmitglieder. Sein Parteifreund Gianni Pittella, Vizepräsident des EU-Parlaments, holte noch weiter aus: Er drohte mit Sanktionen, sollte Österreichs "unsere Werte und europäische Prinzipien gefährden".

Taten werden diesen alarmistischen Worten nicht folgen. EU-Abgeordnete haben ebenso wenig wie das ganze Parlament keinerlei rechtliche Handhabe. Nur die Kommission könnte agieren, im Gleichklang mit den 27 anderen EU-Mitgliedsstaaten. Nichts aber deutet darauf hin.

"Eine gewisse Unsicherheit bleibt"

Die Empörung über die Beteiligung von Rechtspopulisten an einer EU-Regierung ist weitgehend Vergangenheit. Finnland hatte die "wahren Finnen" mit an der Macht, in Dänemark stützen Rechtspopulisten die Regierung. Und in Polen oder Ungarn fordern national-konservative Regierungen den Rechtsspielraum der EU so weit heraus, dass sich die VP-FP-Regierung im Vergleich dazu moderat anfühlt. Die FPÖ habe die Quadratur des Kreises geschafft, ätzte die britische Financial Times: Abgesehen von den "üblichen Anti-Islam-Slogans" positioniere sich die europa-kritische , rechtspopulistische FPÖ als Europa-Partei.

"Eine gewisse Unsicherheit bleibt", gibt Alex Jarman zu bedenken. Der Rechtspopulismus-Experte vom Think Tank CEPS (Centre for European Policy Studies) denkt dabei an Österreichs Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2018. FPÖ-Minister würden dann Sitzungen leiten. "Dass in der Regierungserklärung so viel vom Europa-Bekenntnis zu lesen ist, ist ein guter Start", sagt Jarman. Aber: "Man wird die Regierung an ihren Taten messen."

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