Kurz zu Richter: "Das ist nicht Ihr Ernst, oder?"
Für die Opposition steht nach der Veröffentlichung des Protokolls der Beschuldigteneinvernahme von Sebastian Kurz fest: Der ÖVP-Kanzler sei „hochnervös“ und „respektlos“ gegenüber der Justiz gewesen. Phasenweise war es – wie aus dem über 150 Seiten fassenden Protokoll, das dem KURIER vorliegt – eine durchaus konfrontative Begegnung. In der mehr als sechsstündigen Einvernahme (mit vier Pausen) war die Antipathie zwischen dem Kanzler und dem Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic spürbar.
So zeigte sich der Kanzler genervt, weil in den Unterlagen lediglich belastende und keine entlastenden Passagen markiert waren und kreidete das der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an. Tatsächlich hatte die Markierungen Richter Stephan Faulhammer vorgenommen, um die Vorwürfe nachzeichnen zu können, wie er erklärte.
Faulhammer, der übrigens jünger als der 35-jährige Kurz ist, war in seinem Fragestil ebenso hartnäckig wie bestimmt.
Der Ball liegt nun bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wird sie eine Anklage gegen den Kanzler erheben oder nicht?
Rückblick: Im Juni 2020 war Kurz im U-Ausschuss nach seiner Involvierung der Reform der Staatsholding ÖBAG befragt worden und gab ausweichende Antworten wie: „Eingebunden im Sinne von informiert, ja.“ Über die Aufsichtsratsbesetzungen sei er nur „manchmal mehr, manchmal weniger“ informiert worden. Das brachte ihm schlussendlich den Vorwurf der Falschaussage ein und führte nun am 3. 9. zu seiner Einvernahme.
Hier die wichtigsten Punkte der Befragung zusammengefasst:
War Kurz in die Auswahl der Aufsichtsräte involviert?
Bei dieser Frage ging es durchaus immer wieder hitzig zu. Eigentlich habe Kurz die ÖBAG aber nur „marginal“ beschäftigt. Es lag im „Promillebereich“.
Doch dann fragt der Richter, ob Kurz und Ex-Finanzminister Hartwig Löger gemeinsam nach einer neuen Kandidatin für den ÖBAG-Aufsichtsrat gesucht hätten – denn so stand es in einer Bildunterschrift im Wirtschaftsmagazin Trend. „Das ist nicht Ihr Ernst, oder?“, fragt der Kanzler den Richter.
„Sie drehen mir schon wieder jedes Wort im Mund um, das ist ja unglaublich.“, sagt Kurz in Richtung Oberstaatsanwalt. Wobei Richter Stephan Faulhammer den Oberstaatsanwalt in Schutz nimmt: „Ich habe jetzt kein Wortumdrehen wahrgenommen.“
Später aber geht die Befragung doch ruhig weiter und der Richter will wissen, ob Kurz faktisch in die Entscheidung über die Aufsichtsräte involviert war. „Ich würde um einen genaue Unterscheidung bitten. (...) Auf die Frage, ob ich eingebunden war, habe ich im U-Ausschuss mit Ja geantwortet. Weil natürlich – und das liest sich aus den SMS heraus – irgendwie auch Vorschläge von mir gekommen sind. Hartwig Löger hat sicherlich auch da und dort meine Meinung eingeholt (...). Die Entscheidung selbst hat Löger getroffen.“
Diese Schilderung wird von den Zeugenaussagen der ÖBAG-Aufsichtsräte vor den Ermittlern des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung gestützt. Sie sagten aus, dass es Löger war, der sie angesprochen habe, ob sie ÖBAG-Aufsichtsrat werden wollen.
„Es ist nur, dass ich einfach monatelang jetzt schon mit diesem Thema zu tun habe und es ärgert mich einfach ungeheuerlich. Ich kann aus meiner Haut nicht raus, dass ich das Gefühl habe, es werden Wortfetzen aus SMS, die man gegen mich interpretieren kann, verwendet und es werden Dinge, die eigentlich rot leuchten müssen, und die zeigen, wie es wirklich war, einfach ignoriert.“
Die „Na“- oder „Nein“-Antwort
Fast einen Eklat gab es im Juni 2020 im U-Ausschuss als Neos-Abgeordneter Helmut Brandstätter wissen wollte, wann Thomas Schmid den Kanzler über seine Absicht informierte, dass er sich für den ÖBAG-Alleinvorstandsposten bewerben will. „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert (...).“ Genaugenommen hatte Kurz „Na“ gesagt, was von der Opposition im Protokoll auf „Nein“ verändert wurde.
„Ich verstehe, dass das Ganze emotional wird und ich habe vorher auch gesagt, dass der Herr Oberstaatsanwalt das aushalten muss. Aber ich muss jetzt schon an der Stelle sagen, bitte mit dem Sprachgebrauch sich ein bisschen einzuschränken (...)“ Kurz antwortet: „Tut mir leid, wird gemacht“.
Kurz beharrte in der Einvernahme darauf, dass er es irgendwann, als es auch schon in den Medien thematisiert wurde, erfuhr. „Das war eindeutig ein Jahr vor der Ausschreibung, (...) dass es in den Medien war, übrigens sogar vor dem Gesetz, wie ich mittlerweile herausgefunden habe.“
Außerdem sei es lebensfremd, wenn er nichts davon gewusst hätte.
Postenabsprache
Im U-Ausschuss wurde Kurz ein Chat zwischen Schmid und FPÖ-Mann Arnold Schiefer vorgelegt, in dem sich beide über Postenbesetzungen einigen. „Da fehlen mir fast ein bisschen die Worte. Mir wird eine SMS vorgelegt, die weder ich geschrieben habe, noch deren Empfänger ich war. (...)Und ich sage nach wenigen Sekunden Anschauen dieser SMS: Keine Ahnung, das kann alles sein. Also bitte - nichts für ungut, aber dass das zum Vorwurf einer Falschaussage führt?“, schilderte Kurz die Szene. Er beharrte darauf, nichts von einer zusätzlichen Vereinbarung gewusst zu haben.
„Wenn in der Kantine wer was zum Essen holt und er will sich nicht anstellen, dann sagt er wahrscheinlich auch: ,Ich hole das für den Bundeskanzler.“
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