Kurz will, dass die EU die "christlich-jüdische Identität schützt"
Der erste Kongress der Europäischen Volkspartei nach der EU-Wahl im Mai findet gerade in Zagreb statt. Die EVP hat bei der Wahl europaweit zwar 4,7 Prozentpunkte verloren, ist aber mit 182 von 751 Sitzen immer noch die stärkste Partei im EU-Parlament. Die EVP besetzt zwei der bedeutendsten fünf Jobs in der EU: die Chefin der Kommission, Ursula von der Leyen, und die Chefin der EZB, Christine Lagarde.
In Zagreb wählt die EVP einen neuen Chef: den scheidenden EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Auch die ÖVP unterstützt Tusk. „Im Zweifel sind wir für die Osteuropäer“, scherzt Sebastian Kurz auf der Reise nach Zagreb.
Der ÖVP-Chef hat allen Grund für gute Laune. Er ist einer der wenigen Wahlsieger aus der Parteienfamilie der Christdemokraten – und ein entsprechend gefragter Gesprächspartner für die Parteichefs, die aus ganz Europa angereist sind.
„Endlich“ Grenzschutz
In Zagreb führt Kurz Vieraugengespräche mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Donald Tusk und Kommissionschefin von der Leyen sowie einer ganzen Reihe an weiteren Regierungschefs und Oppositionsführern.
Bei von der Leyen deponiert Kurz die österreichischen Wünsche für die Arbeit der neuen Kommission. An erster Stelle nennt Kurz Konjunktur- und Standortpolitik. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas müsse gestärkt werden, damit es Arbeit gebe, „von der die Menschen leben können“.
Die neue EU-Kommission müsse auch „endlich“ den Außengrenzschutz zustande bringe, „damit wir steuern können, wer nach Europa darf und wer nicht“. Kurz will, dass die EU-Kommission „Europas christlich-jüdische Identität und die Aufklärung schützt“. Man solle „nicht mehr Menschen aufnehmen, als man integrieren kann“.
In der EU hatte es eine Auseinandersetzung um den neuen Namen des Migrationsressorts gegeben. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale lehnten die Formulierung „Kommissar zum Schutz der europäischen Lebensweise“ als „populistisch“ ab. Stattdessen nennt es sich nun das Ressort zur „Förderung“ der europäischen Lebensweise. Kurz ist in dem Streit „definitiv für Schutz“, wie er sagt. Von der Leyen hat aber bereits eingelenkt.
Als dritten Schwerpunkt, den er sich von der neuen Kommission wünscht, nennt Kurz „die Wahrung der Schöpfung“: Schon ganz auf Türkis-Grün getrimmt, äußert der ÖVP-Chef gegenüber von der Leyen seine Priorität für den Klima- und Umweltschutz.
Kein Kommentar zu „Casino“
Die Regierungsverhandlungen in Wien will Kurz in Zagreb nicht kommentieren, außer, dass „die Gespräche im Laufen sind, und die Gesprächsbasis eine gute ist“.
Auch zur Casino-Affäre will Kurz nichts sagen, sondern verweist auf seine Stellungnahme vom Wochenende. Er kenne „die Systematik“, es gebe zunächst eine anonyme Anzeige und später würden sich die Behauptungen „in Luft auflösen“.
Inzwischen gibt es allerdings Chatprotokolle von Straches Handy. Demnach beschwert sich der Ex-Vizekanzler, dass die ÖVP sich beim Postenbesetzen nicht an Vereinbarungen halte: „Kurz will davon nichts wissen, das geht nicht.“
Doch zurück zum EVP-Kongress in Zagreb. Das Populismus-Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Reden. Die deutsche Kanzlerin sagt, dass es in den vergangenen Jahren in Europa notwendig und richtig war, sich „den Populisten klar entgegen zu stellen“. Merkel: „Das macht den Kern der Volkspartei aus.“
Die Kanzlerin erinnert an den Zusammenbruch der kommunistischen Regime vor 30 Jahren und nimmt dies zum Anlass, ein Versprechen abzugeben: „Wir wollen die Einheit Europas, und auch die westlichen Balkanstaaten behalten diese Perspektive.“ Zuletzt hat Frankreichs Präsident Macron die Beitrittsverhandlungen blockiert.
Papst mahnt Christdemokratie
Auch Tusk nimmt in seiner Bewerbungsrede den roten Faden dieses EVP-Kongresses auf. Er warnt die EVP vor „verantwortungslosem Populismus“. Adressat ist der ungarische Ministerpräsident Victor Orban, dessen Fidesz immer noch von der EVP suspendiert ist
Tusk berichtet von einem Besuch bei Papst Franziskus. Tusk habe dem Papst gesagt, dass er Vorsitzender von Europas Christdemokraten werden wolle. Darauf der Papst: „Werden die Christdemokraten in der Lage sein, zwischen Populismus und Popularität zu unterscheiden?“
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