Kurz: "Vieles wird im Herbst schneller funktionieren müssen"
KURIER: Vor allem Familien, und da vor allem die Mütter, sorgen sich vor dem Schulstart, dass gleich wieder Schulen geschlossen werden. Was soll jetzt anders sein?
Da haben Sie vollkommen recht, die Pandemie war für viele eine Belastung und Herausforderung, ganz besonders für Familien, als die Schulen geschlossen waren und zuhause unterrichtet werden musste. Viele Eltern hatten also eine noch größere Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Das war keine einfache Zeit. Daher ist das Ziel für den Herbst, dass die Schulen geöffnet bleiben, dass möglichst normal der Unterricht stattfindet. Wenn es Ansteckungsfälle gibt, so ist das Ziel, dass schnell getestet wird, nur regional geschlossen wird, und da zuerst nur im Klassenverband und nur wenn es notwendig ist, die ganze Schule. Aber ja, natürlich kann es dazu kommen.
Sebastian Kurz zu Entlastung der Familien
Wenn aber alle Urlaubstage schon aufgebraucht sind?
Für den Fall, dass es zu Schulschließungen kommt, haben wir die Sonderbetreuungsurlaubstage verlängert, das heißt wenn wirklich eine Schule geschlossen wird, und Arbeitnehmer daheim bleiben müssen, um auf die Kinder aufzupassen und es keine andere Möglichkeit gibt, dann kann bis zu drei Wochen Sonderurlaub konsumiert werden.
Hat man da einen Anspruch drauf, oder ist das freiwillig?
Der Arbeitergeber bekommt einen finanziellen Zuschuss, damit das möglich gemacht werden kann.
Sebastian Kurz über die Steuerreform
Sie wollen Familien auch durch die Tarifreform bei den Einkommenssteuern entlasten. Die erste Stufe wurde bereits beschlossen, aber kommen die anderen Stufen auch noch im kommenden Jahr?
Das Regierungsprogramm gilt, die Entlastungsmaßnahmen werden so wie alle anderen Maßnahmen umgesetzt. Wir haben jetzt einmal die Steuersenkung bei den untersten Einkommen vorgezogen, vor allem kleine und mittlere Einkommen werden schon in diesem Jahr davon profitieren, mit den vereinbarten Zahlungen von 360 Euro pro Kind kann das insgesamt eine Entlastung von über 1000 Euro pro Jahr sein.
Wann?
Schritt für Schritt. Die Entlastung für dieses Jahr ist schon beschlossen.
Eine Steuererhöhung trotz erheblicher Mehrkosten für den Staat schließen Sie aus?
Steuererhöhungen wären der absolut falsche Weg. Was wir schaffen müssen ist, für den Standort zu attraktivieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Wir brauchen Wirtschaftswachstum, das ist das Allerwichtigste. Es geht nicht um die absolute Zahl unserer Staatsschulden, sondern vor allem auch um den Prozentsatz im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Das muss wieder sinken, wir brauchen Wachstum, und darauf werden wir unsere Kräfte fokussieren. Ich bin sehr froh, das für nächstes Jahr wieder ein massives Wachstum prognostiziert wird.
Wird es mehr Geld brauchen, etwa für Freiberufler, für all jene, die derzeit wenig bis kein Geschäft haben? Wie viel Geld haben wir überhaupt noch zur Verfügung für diese Notfallfonds?
Wir haben ein sehr großes Rettungspaket gebaut mit 50 Milliarden, und 23 Milliarden Euro sind bisher bewegt worden. Viele Unterstützungsmaßnahmen wie der Fixkostenzuschuss sind noch nicht beantragt worden, ich glaube dass sich in vielen Branchen sich die Situation wieder etwas verbessert hat, aber es stimmt, es gibt ganz besonders betroffene Branchen, wie die Städtehotellerie, die Gastronomie, Kulturbetriebe und andere, wo die Situation nach wie vor schwierig ist. Aber es gibt kaum ein Land mit einem so großzügigen Hilfspaket wie Österreich.
Schulen mit einem schwachen sozialen Hintergrund sollen speziell gefördert werden, in einem Pilotprojekt soll das einhundert Schulen helfen. Es gibt aber deutlich mehr sozial schwache Schulen, braucht es da nicht mehr Maßnahmen und zusätzliches Geld, sonst verlieren wir sehr viele Kinder?
Das Ministerium wir gemeinsam mit den Bundesländern rasch die Brennpunktschulen definieren, mit Schulpsychologen und administrativen Personal zu unterstützen, damit wirklich alle Kinder mit wenig Unterstützung daheim bestmöglich ihren Bildungsweg bestreiten können.
Es wird eine Frage des Geldes sein? Wie wird entschieden, welche Schulen da unterstützt werden?
Das wird das Ministerium machen, je nachdem wie stark die Schulen betroffen sind.
Wir warten auf die Corona-Ampel. Soll dabei rauskommen, dass Regionen, die auf grün sind, auch keine Maskenpflicht mehr haben? Sollte das die erhoffte Entspannung und Normalität bringen?
Was derzeit nicht ansteht, ist Maßnahmen zurückzunehmen, weil wir im Moment ja steigende Infektionszahlen haben. Minister Anschober wird nächste Woche die Ampel präsentieren, aber tendenziell werden steigende Ansteckungszahlen eher zu Verschärfungen von Maßnahmen führen, und nicht zur Rücknahme. Klar ist, dass Herbst und Winter herausfordernd werden.
Funktioniert das Testen aus Ihrer Sicht gut?
Die Behörden kennen meinen Zugang und den aller Experten: Je mehr getestet wird, desto besser ist es möglich, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Ich bin froh, dass wir die Testkapazitäten massiv aufstocken konnten. Klar ist, vieles wird im Herbst schneller funktionieren müssen, denn je kürzer die Zeit zwischen Verdachtsfall und Ergebnis, desto besser kann man eine weitere Ausbreitung verhindern.
Aber, angesichts der nahenden Grippewelle im Herbst, müssen wir annehmen, wenn es mehr Verdachtsfälle gibt, muss mehr getestet werden und das dauert dann wieder länger?
Das ist eigentlich nur eine Frage der Organisation. Zu Beginn gab es einen starken Engpass beim Testen, mittlerweile sind die Verzögerungen nur hausgemacht, weil die Logistik nicht immer funktioniert. Da sind alle Behörden gefragt, sich bestmöglich auf diese Phase einzustellen.
Wie sauer sind Sie auf den Gesundheitsminister?
Wie sauer sind sie eigentlich auf den Gesundheitsminister?
Also sauer bin ich nicht. Der Gesundheitsminister hat mein Vertrauen. Das Gesundheitsministerium ist in dieser Krise sehr gefordert, und ich bin überzeugt davon, dass dort alle ihr Bestes geben. Was stimmt ist, dass es Probleme bei einzelnen Verordnungen gegeben hat. Das GH-Ministerium wird aber künftig verstärkt die Expertise des Verfassungsdienstes nutzen.
Die Maßnahmen wegen der Coronakrise haben gezeigt, dass alle Staaten sehr wohl auf große Krisen mit unglaublicher Wucht reagieren können. Bei der Klimakrise kann ich das nicht erkennen, würden sie mir da Recht geben?
Das sehe ich anders. Es gibt eine massive Anstrengung der EU und vieler anderer Staaten, da werden große Investitionen getätigt für die notwendige ökologische Transformation. Und ich erlebe in den letzten Jahren ein deutlich größere Anstrengung als noch vor fünf oder zehn Jahren.
Die heißesten Jahre waren fast alle im vergangenen Jahrzehnt. Wo bleiben die radikalen Schritte in der Klimapolitik?
Wir sind sehr aktiv in Österreich, die ökologische Transformation auf den Weg zu bringen, da hinken andere Staaten sicher hinterher. Aber insgesamt merke ich auch international ein stetig steigendes Bemühen, und das würde ich positiv sehen.
Sie erwähnten in ihrer Rede am Freitag, dass ein Verbrennungsmotor aus mehr als tausend Teilen besteht, wenn wir aber bis 2040 klimaneutral sein wollen, müssen wir wohl überhaupt aufhören, solche Motoren zu bauen. Welche Überlegungen gibt es da in Richtung Transformation der österreichischen Wirtschaft?
Im Regierungsprogramm haben wir uns mit dem Koalitionspartner auf einen ambitionierten Plan für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 verständigt. Hier setzen wir auf einen Mix an Maßnahmen, wie der Ausbau erneuerbarer Energieträger, wir setzen hier zum Beispiel auch auf Wasserstoff, treiben die Gebäudesanierungen voran und bauen den öffentlichen Verkehr massiv aus. Diese Ökologisierung spielt auch in unserem Wirtschaftspaket eine wichtige Rolle. Zugleich müssen wir aber auch so ehrlich sein, dass der Verbrennungsmotor immer noch 1400 Teile hat und aktuell 300.000 Jobs daran hängen. Die Transformation der Wirtschaft treiben wir ehrgeizig voran, aber es geht eben nicht von heute auf morgen.
Krisengewinner wie Amazon sollen deutlich mehr besteuert werden als jetzt, die Bundesregierung plant aber auch ein eigenes Portal „Kaufhaus Österreich“. Denken Sie, das kann erfolgreich sein, wenn es nicht besser funktioniert als die Amazon-App? Wie wollen sie verhindern, dass außer hohen Kosten nichts dabei rausspringt?
Wir wollen eine attraktive Alternative für jene schaffen, die regional kaufen wollen. Natürlich muss das aber ein Portal sein, das dem Wettbewerb standhält. Niemand wird auch erwarten, dass es Amazon vom Markt verdrängt.
Sie haben die Bundesregierung und die Sozialpartner gebeten, das veraltete Arbeitsrecht an die aktuelle Situation anzupassen, es brauche mehr Flexibilität. Wird es da so etwas wie einen Rechtsanspruch auf homeoffice geben, etwa ein bis zwei Tage pro Woche? Was soll bei der Reform am Ende herausschauen, was soll sich ändern?
Unser Arbeitsrecht stammt noch aus der Zeit der Industrialisierung. Die Digitalisierung verändert aber unsere Arbeitswelt drastisch und die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch massiv beschleunigt. Ich habe daher die Sozialpartner gebeten, in den kommenden Monaten gesetzliche Regelungen auszuarbeiten für eine ganze Reihe an Themen mit Bezug zum Homeoffice. Das beginnt bei den Ruhezeiten und geht bis zum Krankenstand. Hier braucht es eine Modernisierung des Arbeitsrechts und mehr Klarheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.
Halten Sie es für ratsam, wenn Senioren gemeinsam in einem Innenraum kulturelle Veranstaltungen besuchen – auch, wenn es erlaubt ist?
Wir müssen hier sehr achtsam sein, die Generationen nicht gegeneinander auszuspielen oder zu stigmatisieren. Ich halte nichts von Verboten für gewisse Personen- oder Altersgruppen. Gerade für ältere Menschen war die Zeit des Lockdowns und die damit verbundene Einsamkeit eine sehr schwierige. Wir arbeiten daher nun einen Pakt gegen Alterseinsamkeit aus. Dazu gehört auch, dass ältere Menschen weiterhin soziale Kontakte in einem sicheren Umfeld haben können.
Kommentare