Auftrittsverbot für Türkei-Politiker wird geprüft

Sebastian Kurz
Außenminister Sebastian Kurz hofft auf Abstimmung mit Ankara. Die Vorschlag von Kanzler Kern, Auftritte von türkischen Politikern EU-weit zu verbieten, stößt auf geteiltes Echo.

In Österreich wird es schon bald Vorschläge für ein Wahlkampfauftrittsverbot türkischer Politiker geben. "Der Innenminister wird das in den nächsten Tagen tun", sagte Kurz am Montag in Brüssel. Die Ansage richte sich nicht nur an ein Land oder an einen Politiker.

"Ganz gleich wer hier kommt, um den Wahlkampf nach Österreich hereinzutragen, um eine Polarisierung nach Österreich hereinzutragen, der hilft uns nicht", sagte Kurz. Die türkische Gemeinschaft stelle diesbezüglich aber eine größere Herausforderung dort, weil dort die Stimmung besonders aufgeheizt sei nach dem Putschversuch vom Juli und vor dem Hintergrund des Kurden-Konflikts.

Auch Kurz für europäische Regelung

Kurz bezeichnete Auftrittsverbote ausländischer Politiker als sensiblen Bereich. Österreich erwarte von der Türkei, dass keine Wahlkampfauftritte in Österreich stattfinden. "Es ist durchaus Usus, dass Besuche in anderen Staaten nicht einfach unabgestimmt sattfinden", sagte Kurz. Er habe die große Hoffnung, dass dies auch von der Türkei respektiert werde.

Kurz sagte, er sei auch offen für eine europäische Regelung, wie sie am Wochenende bereits von Bundeskanzler Christian Kern gefordert worden war. Wie diese Forderung umgesetzt werden kann, ist allerdings umstritten (siehe Abschnitt unten). Kurz wies außerdem darauf hin, dass die Masse der europäischen Staaten keine türkische Gemeinschaften hätten. Der richtige Weg wäre daher eine schnelle, nationale Lösung. "Wir sollten hier nicht auf eine Lösung, die Jahre dauert oder ohnehin nie kommt."

Freilich, es ist nicht die erste Attacke, die Recep Tayyip Erdoğan Richtung Berlin loslässt. Doch dass der türkische Präsident nun sagte, "dass der Nationalsozialismus in Deutschland noch immer andauert", wird in Berlin als Tiefpunkt gewertet. Wie lässt sich mit der Situation umgehen? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

  • Wie hat die Berliner Regierung reagiert?

Die Regierung setzt auf Deeskalation. "Solche deplatzierten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich gar nicht kommentieren", sagte Angela Merkel am Montag. Man will sich nicht auf dieselbe verbale Ebene wie Erdoğan begeben – man fürchtet, das würde ihn nur stärken.

  • Was sagen die Türken in Deutschland dazu?

Jene Verbände, die der AKP nahestehen – das sind die meisten –, stellen sich hinter Erdoğan; die Türkische Gemeinde – ein überkonfessioneller und parteiunabhängiger Verband – verurteilt seine Attacken als "inakzeptabel". Sein Verhalten würde die in Deutschland lebenden Türken nur spalten.

  • Kann Berlin juristisch und diplomatisch etwas tun?

Untersagen will die Regierung Auftritte von AKP-Politikern nicht – dann hätte man auch Obamas Auftritte hinterfragen müssen. Man verlässt sich auf Kommunalbehörden, die – wie bereits passiert – Auftritte untersagen, wenn sie nicht für die Sicherheit garantieren können oder wollen. Will Erdoğan in seiner Funktion als Präsident sprechen, muss das Kanzleramt Ja sagen – hier hat man Bewegungsfreiheit: Man wird einen Auftritt zwar nicht untersagen und ein Einreiseverbot erteilen – was rechtlich möglich wäre –, aber die Reise muss akkordiert werden; hier hat man etwa in puncto Landeerlaubnis oder Sicherheitspersonal Spielraum.

  • Kann Merkel Erdoğan wegen Beleidigung verklagen?

Eher nicht, so Jurist Niels Petersen von der Uni Münster: Er bezweifelt, dass ein Straftatbestand erfüllt ist, zudem genießt Erdoğan "als Staatsoberhaupt Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung".

  • Wie ist die Lage in Österreich?

Laut der AKP-nahen UETD ist derzeit kein Auftritt eines Politikers geplant. Generell garantiert die Verfassung aber Versammlungsfreiheit auch für ausländische Politiker, darum ist es schwierig, Auftritte zu verbieten: "Es braucht gute Argumente, also die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit", sagt Verfassungsjurist Theo Öhlinger; mögliche Tumulte reichen nicht aus. Über Beschwerden entscheidet in letzter Instanz der Verfassungsgerichtshof – bis der aber ein Verbot aufhebt, vergehen Monate, zudem drohen dem Staat Österreich kaum Konsequenzen. "Es wäre vielleicht ein Triumph für die Türkei."

  • Und was sagt die EU?

Der Vorschlag von Kanzler Kern, Auftritte EU-weit zu verbieten, stößt auf geteiltes Echo. Außenminister Kurz plädiert wie sein Kollege Sigmar Gabriel für nationale Lösungen; EU-Kommissar Hahn verweist auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. "Ich persönlich halte jedoch wenig davon, politische Debatten, insbesondere Wahlkampfauftritte, ins Ausland zu tragen", sagt er zum KURIER. "Der vollkommen inakzeptable Nazi-Vergleich, der von türkischer Seite gegenüber Deutschland erhoben wurde, bestätigt meine Meinung. Diese Eskalation zeigt, wie durch einen von außen in die EU getragenen Wahlkampf das Meinungsklima nachhaltig vergiftet werden kann."

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