Kopftuchverbot für Kinder: SPÖ und Neos wollen verhandeln, Kurz nicht
Bundeskanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) hat am Mittwoch eine entsprechende Initiative von FPÖ-Chef Heinz-Christian aufgenommen und will nun auch ein Kopftuchverbot an Kindergärten und Volksschulen. Gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal" kündigte er eine entsprechende Gesetzesinitiative an, die bereits heute im Ministerrat eingeleitet wurde.
Kurz will konkret ein Kinderschutzgesetz, das von Bildungsminister Heinz Faßmann, Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (beide ÖVP) und Integrationsministerin Karin Kneissl ( FPÖ) ausgearbeitet werden soll. Teile davon werden nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit umsetzbar sein, womit die Regierung Unterstützung von SPÖ oder NEOS benötigt. "Wir sehen keine Notwendigkeit, in Verhandlungen zu treten", sagte Kurz nach dem Ministerrat. Es werde ein Gesetz erarbeitet, vielleicht finde die Opposition das ja vernünftig. Er hoffe vor allem auf die Sozialdemokratie, weil sich das Thema angeblich "vor allem in Wien abspielt".
Ministerrat beschließt Kopftuchverbot für Mädchen
SPÖ und Neos würden verhandeln
Während Kurz keinen Verhandlungsbedarf sieht, zeigten SPÖ und NEOS sich am Mittwoch grundsätzlich erneut gesprächsbereit, forderten aber eine breiter aufgestellte Debatte über Integration. "Die SPÖ lehnt es ab, wenn Mädchen im Kindergarten und der Volksschule Kopftuch tragen", sagte SP-Chef Christian Kern. Aber: "Reale Probleme brauchen konkrete Lösungen, Einzelmaßnahmen alleine lösen nur wenig." Kern erinnert außerdem daran, dass der heutige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) noch als Integrationsstaatssekretär gefordert hatte, die Integrationsdebatte "nicht auf plumpe Botschaften wie 'Kopftuch -ja oder nein'" einzuschränken.
Kern fordert daher ein umfassendes "Integrationspaket" und verlangt von der Regierung, auf Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen im Bildungsbereich und beim Integrationsjahr zu verzichten. Außerdem will die SPÖ ein zweites Gratiskindergartenjahr und einen Ausbau der Ganztagsschulen mit kostenlosem Essen und Freizeitangebot bis 2025. kern: "Wir fordern von der Regierung seriöse Verhandlungen über dieses Maßnahmenpaket und nicht nur über eine Einzelforderung."
Etwas skeptischer reagiert NEOS-Chef Matthias Strolz auf den Vorstoß der Regierung: "Mit Bekleidungsvorschriften und -verboten müssen wir in einer liberalen Demokratie immer vorsichtig sein." Den Entwurf der Regierung will er sich dennoch "anschauen". Weder dürfe es den Zwang zum Kopftuch, noch Mobbing gegen Kopftuchträgerinnen geben, so Strolz. Auch er kritisiert die von der Regierung geplanten Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen: "Die Bundesregierung darf sich nicht hinter populistischen Zügen verstecken, während sie echte Integrationsarbeit durch Mittelkürzungen erschwert."
Der NEOS-Chef fordert einen "Integrationsgipfel" mit Experten, Verantwortungsträgern und Betroffenen: "Symboldebatten können niemals eine ernsthafte Integrationspolitik ersetzen." Von der Islamischen Glaubensgemeinschaft fordert Strolz ein "entschlossenes Auftreten" für einen "Islam europäischer Prägung".
Viel Rummel, kaum Betroffene?
sagte nach dem Ministerrat, dass das Gesetz zum Beginn der Sommerferien bereits stehen soll. Es sei "eine heikle Frage" und sicher vor allem "eine symbolische Handlung", sagte der Bildungsminister. Ob das Verbot schließlich auch auf ältere Kinder als jene im Kindergarten und Volksschulen ausgeweitet werden könnte werde "der Prozess ergeben", sagte Faßmann. Er will erheben lassen, wie viele Kinder das derzeit angedachte Verbot überhaupt betreffen kann. Experten halten schon diese Erhebung für schwierig, weil die Daten schwer zugänglich sind und Äußerlichkeiten eventuell gar nicht erhoben werden dürfen.
Ein Massenphänomen ist es nach bisherigen Erkenntnissen nicht. Offenbar tragen vor allem Kinder aus frisch geflüchteten Familien noch ein Kopftuch, wie sie es aus der verlassenen Heimat gewohnt waren. Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft deutete dem KURIER bereits am Dienstag an, dass Gespräche mit diesen Leuten als Instrument eigentlich sehr gut funktionieren würden, damit die Kinder das Tuch schließlich ablegen. Insgesamt sei es ein "Randthema". Sie, deren Organisation laut Faßmann in die Gesetzgebung eingebunden werden soll, sprach sich gegen eine "Verbotspolitik" aus.
Gefragt nach dem Ausmaß konnten auch Heinz-Christian Strache und Kurz keine Zahlen oder Schätzungen vorlegen. Kurz hält es "für ein zunehmendes Phänomen". Strache behauptete: "Es ist in allen städtischen Bereichen ein Thema." Er findet: "Es ist sicherlich etwas absolut Vernünftiges."
Kanzler Kurz begründet sein Vorhaben damit, dass man jeder Entwicklung von Parallel-Gesellschaften entgegenwirken wolle: "Es ist keine Religionsdebatte". Tatsächlich ist ein Kopftuch-Gebot aus der Religion nicht eindeutig abzuleiten und insbesondere für kleine Kinder laut Experten "nicht erwünscht". Kurz wiederum sagte, alle Mädchen sollten die gleichen Entwicklungschancen haben. Dabei sei das Verbot aber nur eine Maßnahme in einem Bündel, aber "dazu gehört, dass es zu keiner Diskriminierung in jungen Jahren kommt".
Alle Parteien gegen Kopftuch bei Kindern
Ein KURIER-Rundruf vom Dienstag zeigt, dass auch die Oppositionsparteien keine Sympathien fürs Kopftuch bei kleinen Mädchen zeigen.
Die SPÖ ist über die Gegen-Maßnahmen gespalten. Teile der Partei forderten kürzlich ein Verbot. Andere bevorzugen Sozialarbeit und Dialog zur Lösung. Sie fürchten, ein Verbot könnte betroffene Kinder noch weiter isolieren. Eine einheitliche Linie gibt es nicht – möglicherweise nach der Programmreform.
Neos-Integrationssprecherin Stephanie Krisper will „mit Bekleidungsverboten wohlüberlegt umgehen“ und „Freiheitsrechte verteidigen, nicht beschneiden“. Um Kinder vor Zwang zu schützen, müsse man „die Eltern in die Pflicht nehmen“.
„Vollkommen verständlich“ findet die Verbotsforderung Daniela Holzinger. Die Familiensprecherin der „Liste Pilz“ findet es „verwerflich“, Differenzen zwischen so jungen Buben und Mädchen zu schaffen. Ein Verbot dürfe aber nicht den Kindern schaden. Die Liste Pilz hat im Falle einer Zustimmung nicht genug Stimmen, um die Verfassungsmehrheit zu liefern.
Grünen-Landesrat Rudi Anschober will das Verbot „durchaus diskutieren“. Ein freiwilliger Weg wäre aber besser und auch möglich. Die Debatte solle wohl vom „Kahlschlag im Integrationsbudget“ ablenken. Seine Partei könnte freilich derzeit auch gar keine Parlamentsstimmen liefern.
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