Kurz: "Der Islam gehört zu Österreich"
Der Festsaal in der privaten Hochschule für Islamische Religion ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Hier, wo die angehenden Islam-Religionslehrer für Pflichtschulen seit 15 Jahren ausgebildet werden, warten die Studierenden auf Außenminister Sebastian Kurz. "In Krisenzeiten ist es wichtig, im Dialog zu bleiben, um den Extremismus zu beseitigen", so IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac, der den Minister empfängt.
Der Weg in den Festsaal führt Kurz an Plakaten mit Slogans vorbei wie #ich bin stolze österreichische MuslimIn. Mehr Frauen als Männer wollen mit dem Minister diskutieren. Die Studentinnen mit ihren modischen Kopftüchern dominieren die Sitzreihen.
Unsicherheit
Anfangs herrscht unter den 18- bis 25-Jährigen Unsicherheit. Die Moderatorin appelliert an den Mut ihrer Kolleginnen. Endlich ist die Hemmschwelle überwunden. Die ersten – noch harmlosen – Fragen an Kurz folgen: Wie schafft man es, sich zu integrieren, ohne zu assimilieren? Oder: Mädchen mit Kopftuch werden in Schulen benachteiligt. Was kann man dagegen tun? Nach der ersten Fragerunde meldet sich die 20-jährige Sumera. Sie greift das Aufreger-Thema Islam-Gesetz auf, konfrontiert Kurz mit dem Vorwurf: "Warum will die Regierung dieses Gesetz, obwohl es von allen Muslimen verurteilt wird?"
Kurz: "Ich bin froh, dass das Thema endlich kommt." Der Minister versucht, Missinterpretationen aufzuklären. Etwa die Frage der Auslandsfinanzierung. "Es steht in der Verfassung, dass sich Religionsgesellschaften selbst finanzieren müssen." Und meint weiter: "Wir wollen nicht, dass Imame, die vom Ausland finanziert werden, in Österreich unterrichten. Sie werden keinen evangelischen Pfarrer bei uns finden, den Angela Merkel bezahlt. "
Langsam verschwindet die Zurückhaltung. Stammtisch-Atmosphäre kommt auf. Die Fragen werden brisanter. "Warum brauchen wir eine Religionspolizei? Schüren nicht die Medien die Ängste, wenn sie über Austro-Dschihadisten berichten, obwohl die meisten IS-Kämpfer aus Österreich tschetschenischer Herkunft sind?
Der Minister bemüht sich, die Integration über alles zu stellen. Und deklariert sich deutlich: "Der Islam gehört selbstverständlich zu Österreich." Aber Kurz fordert auch Eigenverantwortung. "Sich immer nur in die Opferrolle zu begeben, ist leicht. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und gehen Sie gegen jede Art von Radikalisierung vor." Er legt den jungen Muslimen nahe, gegen den Terror auf die Straße zu gehen. "Wenn die Mobilisierung von 20.000 Muslimen beim Erdogan-Besuch in Wien funktioniert, dann muss auch so eine Demo machbar sein."
"Das ist doch logisch, dass wir dagegen sind, warum müssen wir auf die Straße gehen?"
In diesem Punkt macht sich eine Kluft auf. Demos gegen Terrorismus – das fällt auf keinen fruchtbaren Boden. "Das ist doch logisch, dass wir dagegen sind, warum müssen wir auf die Straße gehen?" Kurz spricht von einem "Denkfehler". Und meint: "Wenn die Terroristen behaupten, sie sind die wahren Muslime – dann müsst ihr ein lautes Zeichen dagegen setzen." Nach zwei Stunden ist die Diskussion zu Ende. IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac versucht abschließend, zu besänftigen: "Die meisten Studenten sind im ersten Lehrjahr. Wenn sie vier Jahre an der Hochschule sind, denken sie anders."
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