Kurz: "Der Erdogan-Auftritt wirft uns zurück"

Kurz: "Der Erdogan-Auftritt wirft uns zurück"
Zwei heikle Missionen: Zuerst las er Premier Erdogan die Leviten. Am Dienstag kommt Präsident Putin.

Das austro-türkische Treffen lief ebenso emotional wie sehr unterkühlt ab. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan versuchte am Freitagvormittag, einen Tag nach seiner viel diskutierten Rede vor 10.000 Türken in der Albert Schultz-Halle, die angespannte Stimmung sehr amikal zu überspielen. Mit offenen Armen und einem Lächeln betrat der machtbewusste Präsident der Türkei den Raum im Wiener Grand Hotel.

Kurz: "Der Erdogan-Auftritt wirft uns zurück"
Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres
DochSebastian Kurzließ sich von Erdogans Faserschmeichler-Taktik nicht beeindrucken, verzichtet bewusst auf diplomatische Galanterie. Betont distanziert begrüßte er den türkischen Premier. Diese offensichtliche Zurückweisung irritierte Erdogan.

Im KURIER-Interview erzählt Kurz, wie das Treffen mit Erdogan lief und wie er kommende Woche Russlands Präsidenten Wladimir Putin begegnen will.

KURIER: Herr Minister Kurz, Sie selbst haben das Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan als sehr emotional bezeichnet. In welchen Punkten gingen die Emotionen hoch?

Sebastian Kurz: Wir haben sehr klare Worte gefunden und zwischendurch wurde es durchaus emotional. Aber mir war wichtig, dass Premier Erdogan nicht abreist, ohne dass ich ihm gesagt habe, was wir von seinem Auftritt halten. Es war schädlich. In den Fragen, ob es eine Wahlkampfrede war oder nicht und in der Frage, warum er mit seinem Auftritt den Integrationsprozess behindert, lagen wir sehr weit auseinander. Aus Erdogans Sicht fand er nur verbindliche Worte zur Integration.

Kurz: "Der Erdogan-Auftritt wirft uns zurück"
APA18951996-2_20062014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0159 VOM 20.06.2014 - Außenminister Sebastian Kurz (l.) traf am Freitag, 20. Juni 2014, den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien. Am Donnerstag hatte Erdogan vor rund 13.500 Anhängern eine Rede angesichts der türkischen Präsidentenwahlen gehalten. FOTO: APA/DRAGAN TATIC
Sie treten gegenüber dem türkischen Ministerpräsidenten ungewöhnlich scharf auf. Wollten Sie HC Strache bei seinem Paradethema mit dieser Strategie keine Plattform geben?

Ich arbeite seit drei Jahren als Integrationsbeauftragter der Regierung und ich weiß, welch ein mühseliger Prozess die Verbesserung der Integration ist, und wie schwer es war, das Thema zu versachlichen. Insbesondere beim Identitätskonflikt, in dem viele junge Menschen mit türkischen Wurzeln stecken, sind solche Events alles andere als hilfreich. Insofern habe ich mit dem Auftritt von Premiere Erdogan, der uns ein Stück weit zurückwirft und das Thema wieder stärker emotionalisiert als wir das in Österreich wollen, ein Problem. Der türkische Premier muss akzeptieren, dass es Menschen gibt, die in der Türkei geboren sind oder türkische Wurzeln haben, aber nun selbstbewusste Österreicher sind. Das habe ich ihm klar gesagt und das ist auch legitim. Ich war nie unfreundlich. Ich habe niemanden beleidigt. Eines ist auch klar: Wir sind zwar ein kleines Land, aber wir haben auch das Recht auf einen Standpunkt.

Premier Erdogan hat die Türken als Enkel von Sultan Süleyman bezeichnet, der die erste Türkenbelagerung leitete. Eine versteckte Provokation?

Die Türken als Nachfahren der Feldherren zu bezeichnen, kann man durchaus als Provokation werten. Insgesamt war die Rede eine Spur sanfter als jene in Deutschland. Aber es geht nicht nur um die Inhalte der Rede, sondern um die Bilder, die der Auftritt des Premiers geschaffen hat. Da gab es Demonstrationen und Gegendemonstrationen, er hat den türkischen Wahlkampf nach Österreich getragen und das lehnen wir ab.

Premier Erdogan betonte in seiner Rede Europa beginnt bei den Quellen von Euphrat und Tigris. Wo beginnt Europa für Sie?

Es ist die Frage, ob er hier eine geografische oder eine inhaltliche Diskussion führen will. Geografisch liegt ein Teil der Türkei in Europa. Die spannendere Frage ist: Soll die Türkei ein Teil der EU sein? ich bin eindeutig skeptisch. Die Entwicklung der letzten Jahre gerade in Fragen der Meinungsfreiheit ist nicht gerade ein Kurs, der die Türkei näher an Europa heranführt.

Will die Türkei überhaupt noch in die EU?

In diesem großen Land gibt es sicherlich viele Strömungen. Aber die politische Elite strebt den Beitritt aus meiner Sicht nach wie vor an.

Am Dienstag kommt mit Russlands Präsident Wladimir Putin der nächste kritische Gast nach Österreich. Wie werden Sie Putin gegenüber auftreten?

Beim Ukraine-Konflikt hat sich Österreich stets als Ort des Dialogs angeboten und war damit auch erfolgreich. Wir hatten eine sehr hochrangig besetzte Europaratskonferenz, wo sich der russische und ukrainische Außenminister erstmals gegenübersaßen. Insofern halte ich es für richtig, dass Heinz Fischer mit beiden Seiten das Gespräch sucht. Er war bei der Amtseinführung von Poroschenko, hat Gespräche mit ihm geführt. Und ja, er wird jetzt auch das Gespräch mit Putin suchen, wie das andere europäische Staatschefs auch schon gemacht haben.

Im Moment toben schwere Kämpfe in der Ostukraine. Drei Tage nach dem Putin-Besuch in Wien will Präsident Poroschenko den Assoziierungsvertrag mit der EU unterschreiben. Wird das den Konflikt nicht noch mehr verschärfen?

Es ist eine heikle Phase, aber es ist nicht die erste dieser Art in der Ukraine. Beim einem Konflikt muss es neben den tagespolitischen Reaktionen und Sanktionen auch weiterhin Gesprächskanäle geben. Die Position von Österreich innerhalb der europäischen Union war immer, neben den Verhandlungen mit der Ukraine auch mit Russland zu sprechen. Und ja, ich bin froh, dass es eine Expertenkommission gibt, die mit Russland die Auswirkung des Assoziierungsvertrages für Russland prüfen soll. In so einer angespannten Situation ist es notwendig, alles zu tun, dieses Blockdenken zu verhindern. Dazu gehört auch, dass man über Veränderungen auf unserem Kontinent mit Russland spricht. Ob es allerdings zu einem Assoziierungsvertrag kommt, ist allein eine Entscheidung der Ukraine und der EU selbst.

Welche Botschaft wird es an Präsident Putin geben?

Ganz zentral ist die Botschaft, dass die Separatisten in der Ukraine ihre Waffen niederlegen sollen. Das ist das oberste Ziel der EU, so habe ich das auch mit Deutschlands Außenminister Steinmeier bei seinem Wien-Besuch diese Woche besprochen.

Sie sind nun seit sechs Monaten Außenminister. Wie sehen Sie Ihre Bilanz? Was haben Sie unterschätzt?

Der Einstieg war wesentlich intensiver, als ich mir das hätte erwarten können. Neben dem geplanten außenpolitischen Schwerpunkt Westbalkan hatten wir von Anfang an mit der Ukraine-Krise zu kämpfen. Das war in einer Phase, in der Österreich den Vorsitz des Europarates hatte, und daher keine unwesentliche Rolle einnahm.

Glauben Sie, dass Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident letztendlich bestellt wird?

Es gibt noch immer Diskussionen. Aber ich glaube, am Ende des Tages wird es eine Einigung für Juncker geben. Zumindest sieht es derzeit danach aus. Aus österreichischer Sicht gibt es an Juncker nichts zu rütteln.

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Au§enminister Sebastian Kurz trifft seinen deutschen Amtskollegen Frank Walter Steinmeier in Wien. Besuch eines Heurigenlokales in Wien. 19.06.2014, Foto: Dragan Tatic
Neben Erdogan war dieser Tage auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Wien. Sie haben mit ihm einen Heurigen besucht. Ist das mehr als nur eine rein politische Beziehung?

Wir hatten einen sehr netten Abend beim Heurigen. Er brachte mir einen Fußball mit den Unterschriften der deutschen Nationalspieler mit. Ich halte sehr viel von Außenminister Steinmeier, weil er eine sehr besonnene Art hat und damit eine große Leistung bei den Sitzungen in Brüssel bringt, um eine gemeinsame Linie in der EU zu finden. Wir haben von Beginn an einen guten Draht und das ist gut, denn für Österreich ist eine starke Achse mit Deutschland aufgrund unserer Verflechtungen sehr wichtig.

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