Wirbel um Erdogans Wahlkampfauftritt in Köln

Tayyip Erdogan hält am Samstag in Köln eine Rede, unter Deutschen mehr sich Unmut.
Nach dem Bergbau-Unglück sollte der türkische Premier nicht in Deutschland wahlkämpfen, empören sich Politiker.

Der türkische Premierminister will am Samstag vor Tausenden Menschen in Köln reden. Was genau er sagen will, darüber schweigt sein Büro genauso wie seine Partei, die AKP. Doch schon jetzt regt sich Widerstand in Deutschland: Die deutsche Regierung hat Recep Tayyip Erdogan vor seinem Wahlkampfauftritt zu Zurückhaltung gemahnt. Die CSU forderte sogar eine Absage der Veranstaltung. Für Unmut unter deutschen Politikern aus allen Parteien sorgt aber nicht nur die Befürchtung, Erdogan trage seinen Wahlkampf nach Deutschland, sondern auch der Zeitpunkt seines Auftritts kurz nach der Bergbau-Katastrophe in Soma.

Kölns Oberbürgermeister forderte Erdogan sogar indirekt auf, seinen Auftritt in der Lanxess-Arena abzusagen. Die Behörden rechnen nach Angaben des Kölner Stadt-Anzeigers mit mehr als 10.000 Gegendemonstranten.

"Belasteter Zeitpunkt"

Mit Blick auf Soma und die bevorstehende Europawahl sagte Regierungssprecher Seibert, der Auftritt am Samstag finde zu einem "sehr belasteten" Zeitpunkt statt. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass der türkische Ministerpräsident "verantwortungsbewusst und sensibel" auftreten werde. Nach der Katastrophe in der westtürkischen Stadt, bei der mehr als 300 Menschen starben, zeigte Erdogan sich überraschend empathielos, brachte die Angehörigen der Opfer und viele Türken gegen sich auf.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte am Montag: "Ich rufe ihm zu, dass er diese Veranstaltung am 24. Mai absagen wird". Er nannte es "inakzeptabel", dass Erdogan einen Tag vor dem deutschen Europawahltag am Sonntag eine "Huldigungsshow" in Deutschland abhalten wolle und verwies zudem auf das schwere Grubenunglück.

Steinmeier: "Halten das aus"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hingegen ist dafür, den türkischen Ministerpräsidenten in Köln reden zu lassen. "Unsere Demokratie hält es aus, wenn sich Herr Erdoğan an seine Landsleute wendet", sagte Steinmeier.

Im August wählen die Türken erstmals direkt einen Staatspräsidenten. Auch die im Ausland lebenden türkischen Staatsbürger dürfen an der Wahl teilnehmen, darunter alleine 1,3 Millionen in Deutschland lebende Türken (mehr dazu siehe unten). Erdogan wird eine Kandidatur nachgesagt, offiziell bestätigt hat er diese allerdings noch nicht.

Erdogans Berater Yusuf Yerkel wurde vom Dienst krankgeschrieben: Grund ist eine Beinverletzung, die er sich durch das gewaltsame Treten von Demonstranten in Soma zugezogen hat. Er ist nun für sieben Tage von der Arbeit befreit, um sich zu erholen, berichtet die türkische Hürriyet Daily News.

Das Bild Yerkels, der am Tag nach dem Unglück einen am Boden liegenden Demonstranten in den Bauch tritt, hatte international für Empörung gesorgt. Am Sonntag schließlich entschuldigte er sich öffentlich für sein Verhalten.

Die häufigen Reden vor Tausenden Auslandstürken in Berlin zeigen: Erdogans Wahlkampf beschränkt sich nicht nur auf die Türkei. Es geht um Einfluss und Wählerstimmen, auch im Ausland: Schließlich leben allein in Deutschland 1,3 Millionen türkische Staatsbürger. Bei den Präsidentschaftswahlen sind sie wahlberechtigt.

Obwohl kaum wahlentscheidend, bieten sie eine willkommene Stütze: Die Zustimmung der hier lebenden Türken gegenüber Erdogans AKP ist höher als im Land selbst, erläutert der Istanbuler Politologe Ekrem Güzeldere dem KURIER. Besonders aus den ländlichen Regionen der Türkei sind die Menschen ausgewandert. Traditionell sind das Hochburgen der AKP.Es ist also wenig verwunderlich, dass die Auslandstürken kontinuierlich ins Zentrum des Interesses rücken. Das geht über potenzielle Wählerstimmen hinaus: Gehandelt wird nach dem Prinzip, die Familie der Türken müsse weltweit zusammenhalten. 2010 schuf Erdogan sogar ein eigenes Ministerium für Auslandstürken.

Einfluss stärken

Seit den Korruptionsvorwürfen ist der türkische Premier besonders bemüht, den Einfluss in der Diaspora zu stärken. Türkische Vereine werden nach Ankara eingeladen und finanziell ausgestattet. So schafft sich der Premier Verbündete, auch außerhalb der Türkei. "Die AKP kann sich außerdem auf nahestehende Institutionen stützen. Darunter Ditib, welches in Deutschland an die 2000 Moscheen betreibt", erklärt Güzeldere. Auch der größte Moscheenbetreiber in Österreich, der Verein ATIB, soll zumindest teilweise durch den türkischen Staat finanziert sein.

Lobbyarbeit betreibt zudem die Union der Europäisch-Türkischen Demokraten, welche die Rede in Berlin organisierte. Der Verein expandierte zuletzt in 60 Städte. Auch in Wien gibt es einen Ableger.

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