KURIER-Faktencheck: Kassenfusion - was sie bringt, was sie kostet
Die Reform der Sozialversicherung werde eine Patientenmilliarde bringen, versprach die türkis-blaue Koalition: 2021 würden 200 Millionen Euro eingespart, 2022 dann 300 Millionen und 2023 sogar 500 Millionen. Das gaben die türkis-blauen Verhandler Volker Knestl und Bernhard Bonelli im Vorjahr an. Kumuliert bis 2023 eine Milliarde, die sie in einen Investitionsfonds für das Gesundheitssystem fließen lassen wollten.
Übergangssozialministerin Brigitte Zarfl spricht hingegen in einer Anfragebeantwortung von Kosten in Höhe von 300 bis 400 Millionen. Von Einsparungen erwähnt sie nichts.
Was stimmt? Ein KURIER-Faktencheck.
Einmalige Kosten
In einer parlamentarischen Anfrage wollte Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann wissen, ob bei der Fusion der Krankenkassen „weiterhin auf eine Abschätzung der Fusionskosten verzichtet“ wird.
Zarfls Antwort: Ein Gutachten von April 2019 „schätzt die zu erwartenden einmaligen Fusions- und Integrationskosten sehr grob mit 300-400 Mio. Euro ein“. Sie beruft sich auf ein von Ex-FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein bei Contrast Ernst & Young Management Consulting in Auftrag gegebenes Gutachten.
Nur eine Seite
Allerdings sind die genannten „negativen Einmaleffekte“ nur ein Teil der Studie, die WU-Professor Werner Hoffmann erstellt hat. Tatsächlich listet das „Betriebswirtschaftliche Gutachten zur ökonomischen Vorteilhaftigkeit der Sozialversicherungs-Strukturreform“ auch relativ detailliert auf, was eingespart wird: Nämlich rund 300 Millionen Euro jährlich. Allerdings nicht gleich, sondern erst nach fünf Jahren.
Zitat aus dem Gutachten: "In Summe schätzen wir das dadurch erzielbare nachhaltige Kostensenkungspotenzial mit einer Höhe von ca. 300 Mio. EUR (mit einer Bandbreite von 277-337 Mio. EUR) jährlich ein. Die Realisierung dieses Kostensenkungspotenzials erfordert allerdings ein professionelles Integrationsmanagement sowie die konsequente Reorganisation der Verwaltungsstrukturen und -abläufe und wird erst nach 5 Jahren voll wirksam werden."
Ausgehend vom Beginn der Reform am 1. Jänner 2019 wären die 300 Millionen Spareffekt also ab 2024 erreicht. Wenn man die Fusionskosten abzieht, kommt die kumulierte Sparmilliarde nicht bis 2023 zusammen, sondern erst später.
Unrichtig ist, was die SPÖ behauptet, dass es nur Kosten und keinen Spareffekt gibt.
Stellenabbau
Hoffmanns Rechnung im Detail: Der Studienautor geht von Verwaltungskosten der österreichischen Sozialversicherung 1,571 Milliarden Euro (2017) aus. Hier errechnet er durch Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, Reorganisation und Personalabbau mit Einsparungen von 95-112 Millionen Euro. Wesentlicher Punkt dabei ist die Reduzierung des Personalstands der Sozialversicherungen (derzeit rund 16.000). Durch Pensionierungen und Nichtnachbesetzungen könnten laut Gutachten binnen fünf Jahren 1.000 bis 1.500 Vollzeitäquivalente eingespart werden.
Im Bereich der Beschaffung von Bürobedarf, Heilbehelfen und Dienstleistungen (z.B. Reinigungsdienste) könnten durch „Zentralisierung und Standardisierung der Beschaffungsprozesse“ 155-185 Millionen Euro eingespart werden. Im Bereich IT 27-40 Millionen.
Geringes Risiko
In Summe kommt das Gutachten auf 277 bis 337 Millionen Euro, die durch die Kassenfusion nachhaltig eingespart werden können. Die Studienautoren gehen nach einer Übergangsphase von fünf Jahren von einem jährlichen „Einsparungspotenzial von ungefähr 300 Millionen Euro“ aus.
Darüber hinaus erwarten sie für die Sozialversicherung eine „verbesserte Handlungsfähigkeit und Agilität“ aufgrund der Verringerung der Entscheidungsgremien und durch Effizienzsteigerungen. Das Realisationsrisiko der Reform sei „vertretbar bzw. beherrschbar“.
Rossmann und die SPÖ trommeln indessen weiterhin: Die Kassenreform bringe zusätzliche Kosten und keine Verbesserungen für die Patienten.
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