Krise der Wiener SPÖ überschattet Mai-Aufmarsch
"Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun", heißt es in der "Internationalen", die auch an diesem 1. Mai wieder über den Wiener Rathausplatz schallte.
Ob das der tief zerstrittenen Wiener SPÖ gelingen wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Der diesjährige Tag der Arbeit war jedenfalls überschattet vom desaströsen Landesparteitag am Samstag, bei der die zerstrittenen Flügel mit wüsten Streichorgien übereinander hergefallen waren. Michael Häupl war mit mageren 77,4 Prozent als Parteichef bestätigt worden, seine Stellvertreter Michael Ludwig, der als Häupl-Nachfolger gehandelt wird, und Vizebürgermeisterin Renate Brauner erwischte es noch schlimmer.
Kern zur Premiere nicht ausgepfiffen
"Tag der Arbeit": Sozialdemokraten in Wien
Seine Wiener Genossen rief Kern einmal mehr zur Einigkeit auf: "Der wahre politische Gegner ist nicht in den eigenen Reihen zu suchen." Vielmehr gelte es, die FPÖ zu bekämpfen. Kern: "Es ist eine Frage des Respekts, dass wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern mit den Sorgen und Nöten der 95 Prozent, die wir vertreten."
Gegen "schrankenlosen Egoismus der Reichen"
Häupl rechnet mit einer harten Wahlauseinandersetzung, die – geht es nach Kern – aber nicht vorgezogen wird. "Nur wenn die Menschen wissen, wofür ganz klar die Sozialdemokratie steht und wofür sie eintritt, dann wird man uns auch das Vertrauen schenken", betonte der Bürgermeister. Es brauche eine Neuinterpretation der roten Werte. "Freiheit ist wichtig, sie bedeutet aber nicht den schrankenlosen Egoismus der Reichen", sagte Häupl.
ÖGB-Präsident Erich Foglar machte sich in seiner Rede am Wiener Rathausplatz für faire Arbeitsbedingungen und Einkommen stark, von denen man leben könne. Wenn über den „12-Stunden-Tag“ diskutiert werde, müsse auch klar gesagt werden: „Mehrarbeit zum Nulltarif – nicht mit uns.“ Mehr Flexibilität sei okay, dann müsse man aber auch über Arbeitszeitverkürzungen reden, forderte der Gewerkschaftschef. Denn, so hielt er fest: „Wir stehen für soziale Sicherheit und nicht für den Rückbau des Sozialstaates.“
Das Problem dabei: ÖGB-Boss Foglar soll als Teil der Sozialpartner noch vor dem Sommer eine Einigung bei der seit Jahren umstrittenen Arbeitszeit-Flexibilisierung verhandeln. Die Arbeitgeber-Seite argumentiert, dass in Betrieben auch ein 12-Stunden-Arbeitstag möglich sein soll, sollten die Auftragbücher temporär voll sein. Die Arbeitnehmer sollen dafür in Zeiten mit schwacher Auftragslage weniger arbeiten und länger daheim bleiben. Die Arbeitnehmer-Vertreter befürchten, dass sich die Wirtschaft nur Überstunden-Bezahlung sparen wolle.
Foglars am Rathausplatz aufgestellte Bedingung, nur über den 12-Stunden-Arbeitstag reden zu wollen, wenn dafür über Arbeitszeitverkürzungen verhandelt wird, setzt die Chance auf eine mögliche Einigung im Grunde in weite Ferne.
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