Wenn Papa das Kopftuch anschafft
Auf den Schülerfotos am Gang muss man ein bisschen suchen, bis man eines findet. Erste Reihe, zweite Reihe, dritte Reihe; dunkle Haare, blonde Haare – Kopftuch.
Hier, in der Volksschule Leystraße, 20. Bezirk, ist man in einem der wohl migrantischsten Teile Wiens. Gut ein Drittel der Bewohner ist nicht in Österreich geboren; am Gang wird deutsch, bosnisch, türkisch, arabisch gesprochen. 29 Nationen unter 329 Schülern, das ist hier nichts Ungewöhnliches.
Nur: Dass darunter auch Mädchen mit Kopftuch sind – wie eben auf dem Foto –, ist schon ungewöhnlich. „Vor etwa fünf Jahren ist es plötzlich schwierig geworden, da kamen auffallend viele mit Kopftuch“, sagt Christa Maderbacher, seit zwölf Jahren Direktorin hier. Seither habe man zwar nicht massiv, eher „vereinzelt“ zu kämpfen; aber die Idee der Regierung, das Kopftuch für die Kleinen zu verbieten, die sei gut: „Es ist nicht schlecht, wenn das von oben geregelt wird. Das gibt uns eine andere Handhabe bei Eltern, die uns gegenüber besonders intensiv auftreten.“
Chauvinismusproblem
Denn: Freiwillig würden die Kleinen das Tuch kaum aufsetzen. „Meist sagen uns die Mädchen, ihr Papa habe ihnen gesagt, sie sollen es tragen“, sagt Maderbacher; ihr Mund verzieht sich. „Die Väter argumentieren immer mit der Religion. Das steht im Koran, das will ich so, heißt es“, sagt sie – obwohl das natürlich nicht im Koran steht. „Das sind auch die Männer, die Frauen nicht die Hand geben.“
Ein Chauvinismusproblem also? Könnte man sagen. „Unsere islamische Religionslehrerin hilft oft, wenn wir mit Eltern sprechen. Sie trägt auch Kopftuch, doch selbst sie beißt bei manchen auf Granit. Wahrscheinlich, weil sich die Väter nichts von einer Frau sagen lassen wollen.“
Einfluss aus Ankara
Fragt man, ob die besonders Konservativen – wie die Regierung andeutet – Flüchtlinge seien, kommt ein lautes Nein. „Die, die schon länger in Österreich sind, sind deutlich problematischer“, sagt sie. Die wirklich Sturen kämen eher aus der Türkei. Das seien meist die, „die selbst kaum deutsch sprechen, obwohl sie schon weiß Gott wie lange hier sind.“ Im Elterncafé, das seit vier Jahren einmal im Monat stattfindet, und "ganz gut funktioniert", wie Maderbacher sagt, könne man viel besprechen. "Bei den Flüchtlingen kommen auch die Männer.“ Unter den Türken seien es eher die Frauen, die kämen.
Dass man die Haltung vieler besonders Konservativer jetzt erst merke, habe mit „Vereinen wie ATIB“, der türkisch-islamischen Organisation, zu tun. Die seien zuletzt stärker geworden, sagt die Direktorin: „Eltern, die Hardliner-Positionen haben, fühlen sich dadurch eher im Recht.“ Da ist es fast ironisch, dass die Türkei selbst bis zur 5. Schulstufe das Kopftuch verbietet.
Verbot bis 14
Freilich, dass ein Gesetz allein die Lösung ist, glaubt Maderbacher nicht. Zum einen wäre ein Verbot für die ganze Pflichtschule gut, denn „die massiven Probleme treten erst in der Sekundarstufe auf.“ Die Mädchen seien bis dahin „in einem riesigen Zwiespalt“ – sie wollen zur Klasse gehören und zeitgleich kein Problem mit ihren Eltern haben.
Zum anderen müsse man sie – auch, weil sie gehänselt werden – stärken. „Wir sagen ihnen: Ihr dürft nein sagen, ihr müsst nicht alles tun, was man euch sagt.“
Dafür, so Maderbacher, brauche es Ressourcen – die Kürzungen bei der integration hält sie darum für völlig falsch. „Die Sprachförderkurse brauchen wir wie einen Bissen Brot. Auch die, die schon lang hier sind, brauchen oft Deutschkurse.“
Da ist das Kopftuch nur ein zusätzliches Problem.
(Salme Taha Ali Mohamed, A.W. Huber, E. Peternel)
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