Kopftuch: Das Verbot dreht sich nicht um die Religion

Warum es nicht gegen Grundrechte verstoßen muss, wenn die Regierung das Tragen von Kopftüchern verbietet

Es ist ein Widerspruch, zumindest auf den ersten Blick: Wie kann ein Land, das Religions- und Meinungsfreiheit hoch hält, Menschen verbieten ein Kleidungsstück zu tragen? Noch dazu, wo sie es als Teil ihrer Identität empfinden. Ist das mit den Grundrechten vereinbar?

Um es kurz zu machen: Ja, ist es – und das bestätigen nicht nur Experten, sondern die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, kurz EGMR.

Der wesentliche Punkt ist folgender: Das Kopftuchverbot, das die Regierung für Kindergärten und Volksschulen beschließen will, fußt nicht auf religiösen, sondern auf gesellschafts- und bildungspolitischen Argumenten. Nicht von ungefähr heißt es „Kinderschutzgesetz“.

„Sowohl der Verfassungsgerichtshof wie auch der EGMR in Straßburg gehen davon aus, dass der Gesetzgeber bei Kindern besondere Schutzpflichten hat“, sagt Verfassungsexperte Christoph Bezemek von der Universität Graz.

So existiert seit 2011 das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder. Und dieses garantiert Kindern die „bestmögliche Entwicklung und Entfaltung“ .

Werden in Kindergärten oder Schulen muslimische Mädchen zum Tragen von bestimmten Kleidungsstücken gezwungen, trennt sie das vom Rest der Schülerinnen. „Hier könnte der Gesetzgeber ansetzen, weil er begründbar einer Segregation oder Diskriminierung von Mädchen in einem Alter entgegenwirken will, in dem sie besonders empfindlich auf äußere Einflüsse reagieren“, so Bezemek.

Dass dies auch vom EGMR so gesehen wird, lässt sich unter anderem aus einem Fall aus der Schweiz ableiten, bei dem Eltern dagegen prozessiert haben, dass ihre Tochter am verpflichtenden Schwimmunterricht teilnimmt. Der EGMR entschied gegen die Eltern. Der Grund: Das Recht des Kindes sich zu entwickeln und schwimmen zu lernen wiegt schwerer als die Wünsche der Eltern.

Christian Böhmer

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