Kogler sieht Fortschritte, aber: „Es geht langsam voran“
Vor knapp einem Monat ist im erweiterten Bundesvorstand der Grünen entschieden worden, Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei unter Sebastian Kurz aufzunehmen. Seither wird fast täglich verhandelt. Der KURIER erreicht Grünen-Chef Werner Kogler Samstagfrüh am Telefon – zwischen Wohnung, Elektrotaxi und dem nächsten Meeting wirkt der Grünen-Chef mitunter gehetzt und stellt gleich klar:
Werner Kogler: Aus den Detailverhandlungen kann ich nichts verraten, eins zu eins da herauszuplaudern wäre nicht zielführend. Aber darüber, was uns wichtig ist, kann ich reden.
KURIER: Herr Kogler, der Grüne Michel Reimon brach am Freitag die Funkstille aus den Verhandlungen, als er sagte, die ÖVP habe sich beim Klimathema bisher gar nicht bewegt. Was ist Ihr Eindruck?
Die Aussage, dass gar nichts weitergegangen sei beim Klimaschutz, ist falsch. Aber die Aussage, es ist noch zu wenig und es geht langsam voran, ist richtig.
Was denken Sie: Stehen die Grünen mehr unter Druck, in der Klimapolitik Substanzielles liefern zu müssen, oder ÖVP-Chef Kurz, der Bevölkerung nicht einen zu radikalen Kurswechsel zu verordnen?
Am Schluss ist es doch so, dass ein gemeinsames Übereinkommen zustande kommen soll. Wir Grüne haben hier eine große Verantwortung den Wählerinnen und Wählern gegenüber. Aber in Wahrheit verteilt sich die Verantwortung auf beide. Wenn etwa beim Klimathema zu wenig passieren würde, werden wir auch keine Zusammenarbeit schaffen. Und so viele, tolle, andere Optionen hat Kurz ja nicht. Also sollte ein Erfolg doch ein gemeinsames Anliegen sein.
Und inwieweit fürchten Sie, dass die ÖVP abspringen und auf Rot oder Blau, die ja beide am Boden liegen, zugehen könnte?
Das ist jetzt nicht mein Bier. Ich denke aber nicht, dass die Alternativen für Kurz sehr attraktiv sind.
Was ist Ihnen also beim Klimaschutz wichtig?
Da haben wir ein ambitioniertes Gesamtprogramm auf dem Tisch. Es geht darum, die Klimaziele zu erreichen – entweder durch eine ökologische Steuerreform, bei der einige Steuern erhöht und andere gesenkt werden, das muss klar sein. Oder dass einen Preis bekommt und das sozial kompensiert wird. Die Methode müsste der ÖVP grundsätzlich näher liegen als uns, nämlich über die Marktwirtschaft. Die Volkspartei hat seit dreißig Jahren das Ökosoziale Forum, und die predigen ja genau das. Das ist auch gescheit, deshalb glaube ich auch, dass da mit der ÖVP was gehen wird.
Aber insgesamt höhere Steuern?
Nein. Dass unterm Strich die Steuern raufgehen, kann ich mir nicht vorstellen. Wenn man sich alles anschaut, kann es sogar zu einer Entlastung kommen, zu einer Steuersenkung, das traue ich mich jetzt schon zu sagen.
Und wo soll dann entlastet werden?
Einerseits auf dem Lohnzettel, aber auch bei anderen Maßnahmen. Ich sehe auch Chancen auf einen Konsens bei der Pendlerpauschale, wenn diese so organisiert wird, dass die, die wenig verdienen und in entlegenen Regionen leben, zum Schluss bessergestellt werden, als jetzt.
Sie wollen, dass Diesel jedenfalls nicht mehr geringer besteuert wird?
Ja, aber auch das kann man sozial verträglich machen. Das wäre sicher eine Maßnahme, um unsere CO2-Bilanz radikal und auch noch rasch zu verbessern. Im Transitbereich ist das Dieselprivileg doch längst ein einziges Ärgernis, mit dem wir den Lkw-Transit von überall anlocken. Nicht nur nach Tirol, auch auf der Südstrecke, wo ich daheim bin. Die Frächter würden dann wohl über Ungarn fahren oder schauen, wie sie effizienter sein können, oder gleich mit der Bahn fahren.
Und beim Öffi-Verkehr?
Da sehe ich gute Chancen mit der ÖVP, dass man bald mit einem „Österreichischen Klimaticket“ um drei Euro pro Tag durch ganz Österreich fahren kann. Und dann braucht’s die Nahverkehrsmilliarde, von der immer gesprochen wurde. Da müssen wir in den Nahverkehr in den Ballungsräumen investieren und auch die ländlichen Regionen nicht zurücklassen. Da sollten wir Angebote schaffen, den Taktfahrplan ausbauen, auch an den Tagesrand-Zeiten, nicht einfach nur den Dieselpreis erhöhen, wenn die Menschen gar nicht ausweichen können. Da braucht es ein Abkommen über die Legislaturperiode hinaus. Aber schon nach fünf Jahren würde man das Öffi-System am Land nicht wiedererkennen.
Und im Gebäudebereich?
Erstens würden sich die Photovoltaik-Installationen in unserer Welt vervielfachen, wir wollen das „Eine-Million-Dächer-Programm“, verteilt auf zehn Jahre, das kostet nicht die Welt. Da braucht es auch eine Ausbildungsoffensive für die Installateure hin zu Energiemanagern, das muss gut vorbereitet sein, sonst überhitzen wir den Markt. Gleichzeitig wollen wir die Sanierungsrate verdoppeln, da ist schon lange klar, dass hier jeder investierte Euro am meisten für die Arbeitsplätze bringt, weil das arbeitsintensiv ist. Und das meine ich auch mit ökologisch und ökonomisch sinnvoll, das bringt dem Klima was und der Wirtschaft.
UN-Generalsekretär Guterres sprach davon, den „Krieg gegen den Planeten“ zu beenden, und sagte „Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich.“ Wie sehen Sie das?
Ich habe auch immer gesagt, es wird Krieg gegen die Natur geführt. Das sehe ich also ähnlich, dem würde ich nicht widersprechen.
Aber Lebensstil ändern – das erzeugt doch eher Ängste, nicht?
Da müssen wir die Sorgen nehmen. Die Menschen werden sich durch freiwilliges Verhalten beteiligen können. Es geht aber vor allem darum, dass die Wirtschaft und die Industrie die richtigen Rahmenbedingungen kriegen, bessere Regeln, auch durch eine Regulierung der Preise. Da bin ich zuversichtlich. Die Frage ist nur, wie schnell das geht.
Gibt’s noch vor Weihnachten einen Abschluss der Verhandlungen?
Ich lasse mich selten auf Prognosen ein. Wir verhandeln so lange wie notwendig. Aber so, wie es derzeit aussieht, wird es länger dauern.
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