Harte Entscheidungen für alle: Klimarat im Endspurt
Was wird am Ende übrig bleiben? Nur mehr maximal 100 km/h auf der Autobahn für alle? Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im Ortsgebiet? Veganes Essen fordern und fördern? Klimaschädliche Produkte höher besteuern? Deutliches Anheben des CO2-Preises auf 120 Euro pro Tonne bis 2025 und 240 Euro bis 2030 (geplant sind ab diesem Juli 30 Euro pro Tonne)? Sollen Wohnungsbesitzer gezwungen werden, auf alternative Heizsysteme zu wechseln?
Dieses Wochenende ging das fünfte und vorletzte Wochenende des Klimarats über die Bühne. Seit Jänner tagen die Klimaräte einmal im Monat, um Maßnahmen auszuarbeiten, wie Österreichs das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 verwirklichen kann. Assistiert werden die Klimaräte von Wissenschaftlern und einem Moderatorenteam, das die Aufgabe hat, die Diskussion konstruktiv in Gang zu halten und darauf zu achten, dass auch die leisen Stimmen gehört werden.
Aus der Lebensrealität
Die Klimaräte selbst, die durch ein Losverfahren von der Statistik Austria ausgewählt wurden, sollen Österreichs Bevölkerung im Kleinen abbilden. Sie sehen sich inzwischen als Sprachrohr der Österreicher. Denn die Empfehlungen an die Politik, die sie ausarbeiten, überprüft jeder und jede von ihnen aus der eigenen Lebensrealität: Denn sie alle pendeln zur Arbeit oder sind dabei, die Heizsysteme ihres Eigenheims zu tauschen. Sie haben Lieblingsspeisen (oft mit Fleisch) und sie gehen auch gern shoppen.
Der Unterschied zu den meisten anderen Bürgern des Landes ist, dass die Klimaräte nun umfassend informiert sind und genau wissen, worum es beim Klimawandel geh. Am vergangenen Wochenende wurden die Maßnahmen in fünf Kleingruppen finalisiert, in der Nacht auf Sonntag bewerteten die Forscher die Vorschläge, ob diese auch effektiv und umsetzbar sind. Dann, beim letzten Klimarat Mitte Juni, kommen alle Vorschläge ins „Plenum“, wo final darüber abgestimmt wird. Alles, was eine Mehrheit von 50 Prozent plus eine Stimme hat, kommt in die Empfehlungen an die Politik hinein. Es gibt also noch keine finalen Entscheidungen, aber sehr wohl Hinweise, welche Maßnahmen der „Klimarat der Bürger“ fordern wird.
Außerdem gab es einen externen Check der Ideen: Von 27. April bis 8. Mai fragte der Klimarat im Rahmen einer Online-Beteiligung um Rückmeldungen zu den bisher erarbeiteten Empfehlungen. Die Reaktionen waren überschaubar. Rund 6.000 Personen sind dem Aufruf nachgekommen, die Ergebnisse waren teils eindeutig, teils sehr strittig.
Der KURIER gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte in den fünf Gruppen:
- Mobilität Der Verkehr produziert in Österreich fast ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen, und er steigt jedes Jahr an, statt zu sinken. Abgefragt wurde etwa der Vorschlag einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im Ortsgebiet – das Ergebnis war nicht eindeutig, ebenso wenig beim Vorschlag einer Beschränkung von 100 km/h auf Autobahnen. Ein klares Ja gab es für den Vorschlag, dass sich Österreich für eine EU-weite Umsetzung der Kerosinsteuer einsetzen soll.
- Energie Da die Energiewende schleppend läuft, sprach sich eine Mehrheit dafür aus, die Raumordnungskompetenzen der Bürgermeister auf die Landesebene zu verschieben. Zustimmung fand sich für den Vorschlag, dass der „Umstieg auf erneuerbare Energiequellen für alle leistbar sein muss“. Ebenso die Forderung, dass die Selbstversorgung (Energie-Autarkie) mit erneuerbaren Energien in Gemeinden und bäuerlichen Betrieben gefördert werden solle, und, dass öffentliche Gebäude wegen ihrer Vorbildwirkung rasch auf erneuerbare Energien umgestellt werden sollten.
- Wohnen Zustimmung gab es für sinnvollere Raumordnungsgesetze im Hinblick auf Klimaschutz, ebenso zum Vorschlag, dass jede Gemeinde verpflichtende Erhebungen zu leer stehenden Häusern und Wohnungen machen solle. Strittig war der Vorschlag, dass Eigentümer zu einer klimafreundlichen Sanierung von Häusern und zum Tausch alter Heizungen verpflichtet werden sollen.
- Produktion Zustimmung gab es zu einem „Verbot der Vernichtung von Neuwaren bei Online-Retourware“ als auch zur Idee, versiegelte Flächen wie Parkplätze durch Anlagen für erneuerbare Energiegewinnung zu nutzen.
- Landwirtschaft Uneinigkeit gab es zur Frage, Fleischkonsum deutlich zu reduzieren und gleichzeitig vegetarische und vegane Ernährung zu unterstützen. Positiv wird dafür die Forderung gesehen, dass es einfacher sein müsse, sich bewusst, regional und nachhaltig zu ernähren.
Siehe auch www.klimarat.org
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