Nationalrat: Hitzige Klimadebatte vor der Sommerpause
Die letzte Sitzungswoche des Arbeitsjahres im Nationalrat hat am Mittwoch mit einer hitzigen Diskussion über den Klimawandel begonnen. Die Grünen appellierten in der von ihnen gestalteten "Aktuellen Stunde" zum Thema "Hitze, Unwetter und Klimakrise gefährden unsere Gesundheit - aktiver Klimaschutz schützt die Bevölkerung", den Empfehlungen der Wissenschaft zu folgen und Klimaschutz zu forcieren.
Zu beschließen sind bis Freitag insgesamt rund 60 Gesetze. Zu jenen am Mittwoch gehören u.a. ein neues Hilfspaket für die Gemeinden, mehr Mittel für die Feuerwehr, das Aus für die Corona-Finanzierungsagentur Cofag und die Abschlussberichte für die beiden U-Ausschüsse (Cofag und "rot-blauer Machtmissbrauch").
Hier ein Überblick über die Beschlüsse:
Laut einem von Koalition, SPÖ und FPÖ getragenen Beschluss werden im Jänner kommenden Jahres 300 Millionen Euro ausgeschüttet. Ferner sollen 500 Millionen Euro für ein neues kommunales Investitionsprogramm (KIP) zur Verfügung gestellt werden, wobei der von den Gemeinden zu erbringende Kofinanzierungsanteil von 50 auf 20 Prozent gesenkt wird.
Die Hälfte der KIP-Mittel ist speziell für Projekte im Bereich Klimaschutz und Klimawandelanpassung reserviert. Förderbar sind aber auch Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulen, Altenpflege, Sport, öffentlicher Verkehr, Wasserversorgung oder Breitbandausbau. Damit auch die noch offenen 400 Millionen Euro aus dem laufenden Investitionsprogramm abgeholt werden können, soll die Antragsfrist um zwei Jahre bis Dezember 2026 verlängert werden.
Flexibilisiert wird die Verteilung von für Heiz- und Wohnkosten vorgesehenen Geldern. Nicht für diesen Zweck verwendete Mittel können demnach bis Jahresende auch für sonstige zusätzliche Beihilfen an natürliche Personen im Aufgabenbereich der Länder und Gemeinden für Soziales, Behindertenhilfe, Pflege sowie Wohnbauförderung verwendet werden. Hier kam Zustimmung nur von Koalition und Freiheitlichen.
Kritisch zum Paket zeigte sich die SPÖ, da ihrer Meinung nach weiter keine nachhaltige Lösung gefunden wird. Zudem würden die erst 2025 verfügbaren Mittel jenen Gemeinden, die jetzt schon kein Geld hätten, keine akute Hilfe bieten, wie der Abgeordnete Andreas Kollross kritisierte.
Der freiheitliche Mandatar Maximilian Linder gab zu bedenken, dass schon jetzt 500 Millionen nicht abgeholt worden seien, weil die Gemeinden die Co-Finanzierung nicht schafften. Die 20 Prozent würden auch etliche nicht stemmen können.
Die Neos hätten es bevorzugt, wenn statt zusätzlicher Gelder des Bundes die Landesumlage, die die Gemeinden in den meisten Bundesländern an das Land abliefern müssen, abgeschafft worden wäre.
Politiker werden künftig eine Zeit lang warten müssen, bis sie an den Verfassungsgerichtshof wechseln können. Jene Cooling-Off-Phase, die schon bisher für Präsidenten und Vizepräsidentin des Höchstgerichts hält, wird nun auch auf die einfachen Richter ausgedehnt. Allerdings dauert sie für diese nur drei und nicht wie für die Spitzenposten fünf Jahre. Einen entsprechenden Beschluss fällte der Nationalrat Mittwochvormittag einstimmig.
Konkret betroffen sind Mitglieder einer Bundes- oder Landesregierung, Abgeordnete von National- und Bundesrat sowie eines Landtags oder des Europäischen Parlaments sowie Angestellte bzw. Funktionäre einer politischen Partei.
Der letzte prominente Fall, den diese Cooling-Off-Phase betroffen hätte, war Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter, der nur wenige Monate nach seinem Abschied aus der Regierung an das Höchstgericht gewechselt war.
Die Opposition unterstützte die Vorlage an sich, hätte sich aber eine Ausdehnung etwa auf die Nationalbank vorstellen können. Damit bezog man sich auf die Bewerbung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) für die Leitung der Notenbank.
Die Länder werden in der Verfassungsnovelle die Möglichkeit bekommen, für Umwidmungen in Bauland Gegenleistungen im öffentliche Interesse einfordern zu können.
Konkret werden sie ausdrücklich dazu ermächtigt, in Angelegenheiten der örtlichen Raumplanung landesgesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die "zur Verfolgung öffentlicher Interessen das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrages als eine Voraussetzung für hoheitliches Handeln vorsehen".
Vereinfacht zusammengefasst bedeutet dies, dass beispielsweise die Umwidmung in Bauland mit bestimmten Auflagen wie der Errichtung eines Radwegs oder eines Spielplatzes gekoppelt werden kann.
Die FPÖ sieht durch die Regeln die Rechte der Grundeigentümer, aber auch der Bürgermeister eingeschränkt, die Neos brachten rechtliche Bedenken vor. Der Beschluss fiel ohne blaue und pinke Stimmen.
"Im Sommer war es schon immer heiß"
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer machte in ihrem Eingangsstatement darauf aufmerksam, dass 2023 das heißeste Jahr der Messgeschichte war und es zuletzt bis zu 500 Hitzetoten pro Jahr in Österreich gab. Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen würden vor größer werdenden Aufgaben stehen, zudem komme es immer wieder zu Extremwetterereignissen.
Eigenlob gab es für Regierungsmaßnahmen wie Klimabonus und -ticket sowie die Ökosoziale Steuerreform. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) betonte Investitionen in das Gesundheitssystem und lobte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die "fünf Jahre hart gearbeitet" habe. Gegen sie soll es einen Misstrauensantrag der FPÖ geben.
Der FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch, die immer wieder dazwischenrief, warf Maurer Zynismus vor. Diese bezeichnete Maurers Rede später als "Kabarettvorstellung". Die Warnung vor dem Klimawandel entstamme "grüner Ideologie", im Sommer sei es immer schon heiß gewesen. Wenn man Leuten etwas "aufs Auge drücken" wolle, argumentiere man mit der Wissenschaft, meinte Belakowitsch - das sei auch während der Coronapandemie passiert.
Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) war zumindest insofern mit dem Koalitionspartner seiner Partei einverstanden, als dass der Klimawandel eine große Belastung in vielen Bereichen sei. Gleichzeitig kritisierte er alarmistische Kommunikation mit Weltuntergangsszenarien, die von NGOs, aber auch politischen Parteien betrieben werde. Nochmals betonte er, dass die ÖVP das EU-Renaturierungsgesetz, dem Gewessler zugestimmt hat, ablehne. Das Erneuerbare-Gase-Gesetz wolle man aber am Donnerstag beschließen, appellierte er an die Zustimmung durch FPÖ und SPÖ für die notwendige Zweidrittelmehrheit.
Die SPÖ machte den Klimawandel zu einer verteilungspolitischen Frage. Gewisse Gruppen müsse man besonders in den Blick nehmen, nannte Julia Herr etwa jene mit weniger Einkommen sowie Arbeiter und Angestellte. So brauche es u.a. aufgrund der Hitze bei Baustellen ein "Recht auf Hitzefrei". Mit Verweis auf notwendige Klimaschutzmaßnahmen kritisierte sie, dass die Regierung ein Budgetloch von 10 Mrd. Euro hinterlasse.
Michael Bernhard (Neos) kritisierte, dass die Grünen keine Lösungen anbieten würden. Man müsse auch darüber reden, wie Menschen trotz höheren Temperaturen ein gutes Leben führen können. Es gehe auch nicht darum, im Zuge des Klimawandels eine Ideologie durchzusetzen, sagte er in Richtung der SPÖ. Er kündigte an, dass Wien im Laufe dieses Jahres ein Klimaschutzgesetz erarbeiten werde.
"Faktenbefreite Kritik" an der Renaturierung
Dass in das Klima in der Koalition, speziell was die Klimapolitik angeht, immer noch erhitzt ist, zeigte ein Schlagabtausch zwischen der Grünen-Mandatarin Astrid Rössler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Rössler hielt dieser unter anderem "faktenbefreite" Kritik am EU-Renaturierungsgesetz vor.
Die attackierte Ressortchefin wiederum tadelte, ohne sie namentlich zu nennen, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Die Auseinandersetzung ereignete sich in einer Debatte, bei der eine emotionale Auseinandersetzung nicht zu erwarten war. Es ging um den zweiten nationalen Bericht zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele.
Rössler fand den inhaltlich durchaus gut. Ihr kämen nur "sehr große Zweifel", ob Edtstadler auch hinter den Inhalten des Reports stehe. Denn sie blockiere und bekämpfe die Umsetzung: "Schöne Fotos sind zu wenig."
Rössler erinnerte daran, dass Edtstadler den nationalen Klimaplan bei der EU zurückgezogen habe. Zudem bekämpfe sie die Biodiversität mit dem Nein zum Renaturierungsgesetz. Dazu käme noch die Strafanzeige gegen Gewessler, obwohl diese ganze korrekt und verantwortungsbewusst gehandelt habe: "Wir brauchen intakte Natur."
Das wollte die Verfassungsministerin dann doch nicht auf sich sitzen lassen. Man müsse in einem Rechtsstaat halt schon Form und Inhalt auseinanderhalten: "Es ist im Rechtsstaat nicht egal, was in der Verfassung steht", spielte sie auf die Rechtsposition der ÖVP (und des Verfassungsdiensts) an, wonach Gewessler dem Renaturierungsgesetz nicht im Alleingang zustimmen hätte dürfen.
In Sachen Klimaplan betonte Edtstadler, dass ein nationaler Plan auch national abgestimmt sein müsse. Dabei seien auch Bedenken einzuholen, statt Ideologie voranzustellen und etwas ohne Rücksicht auf Verluste umzusetzen.
Was sonst noch war
Sein Nationalratsmandat zurückgelegt hat der ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Reinhold Lopatka. Zu Beginn der Sitzung wurde deshalb mit Kerstin Fladerer eine neue ÖVP-Abgeordnete angelobt. Sie ist Rauchfangkehrermeisterin und Gemeinderätin in Fürstenfeld. Lopatka leitet seinerseits als EU-Mandatar die Delegation der Volkspartei in Brüssel und Straßburg, wie die ÖVP am Mittwoch mitteilte.
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