Nein, niemand wird behaupten, dass der Klimaschutz und die Klimaschutzpolitik heute irgendeine Vorrangstellung haben. Vielmehr werden in der EU schon seit Herbst bestehende Regelungen verwässert oder eingedampft, es wird überlegt, wie Klimaziele „flexibler“ gemacht werden könnten.
In Österreich werden jetzt Klimaförderungen gelöscht und fossile Förderungen (Pendlerpauschale, NoVa-Befreiung von leichten Lkw) ausgebaut.
Ist demnach aus dem Klimaschutz komplett die Luft raus? Ist das Klimathema gar toxisch geworden, ein Garant für weglaufende Wähler?
Vor ein paar Jahren war das noch ganz anders. 2018 und 2019 können getrost als jene beiden Jahre bezeichnet werden, wo es fast kein anderes Thema gab. Als Höhepunkt zählt jener Freitag, der 20. September 2019, als weltweit in 2.000 Städten in 130 Staaten und auf allen sieben Kontinenten (ja, auch ein kleines Grüppchen Forscher protestierte vor der Polarforschungsstation Neumayer-III in der Antarktis) Millionen besorgter Schüler und viele Erwachsene mehr Ambition zur Reduktion der Treibhausgase einforderten.
In Österreich schaffte im Juni 2020 das Klimaschutz-Volksbegehren 380.590 Unterschriften und gab der türkis-grünen Regierung enormen Rückenwind.
Und die Politik reagierte. In Österreich nannte Kanzler Kurz die Klimaneutralität Österreichs 2040 als neues Ziel, schon im EU-Wahlkampf im Frühling 2019 ließen sich Politiker aller Couleurs (außer Blau) zu immer weitreichenderen Ansagen für Klimaschutz hinreißen. Die EU-Kommission unter der damals neuen Chefin Ursula von der Leyen erfand deshalb den Green Deal der EU, die Deutsche sprach bei der Präsentation der tiefgreifenden Transformationsagenda von Europas „Man on the moon“-Moment, weil die EU als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral sein wollte.
„Bessere Mehrheiten“
Heute freut sich die ÖVP im EU-Parlament, dass im Eilverfahren die „überbordenden Bürokratie-Vorschriften der letzten Gesetzgebungsperiode korrigiert werden sollen“, jene Vorschriften, denen sie noch vor ein paar Monaten zugestimmt hatte: „Die besseren Mehrheitsverhältnisse im neuen Europaparlament tragen jetzt Früchte“, richtet der ÖVP-Abgeordnete Lukas Mandl aus, und meint damit die Stimmenmehrheit der EVP-Fraktion mit der nationalistischen „Patriots“-Fraktion samt FPÖ, der ECR-Fraktion mit den polnischen Rechtskonservativen der PiS-Partei und der ESN-Fraktion, in der die deutsche AfD Gleichgesinnte gefunden hat.
Also alles ist hin?
Klimaschutz nicht einmal mehr Thema in Sonntagsreden? Das Thema ist keines mehr?
Keineswegs. Nicht in Österreich, nicht in der EU und auch sonst in der Welt.
Die EU-Kommission wird Anfang Juli das gemeinsame Ziel zur Reduktion von Treibhausgasen bekannt geben. Und dieses Ziel wird minus neunzig (!) Prozent heißen. So würden nur mehr zehn Prozent der (am schwersten zu vermeidenden) Emissionen für die verbleibenden zehn Jahre bis zur Klimaneutralität Europas 2050 übrig bleiben.
Klar, die diversen Fossil-Lobbys in Brüssel werden da sicher noch das Kleingedruckte zu ihren Gunsten aufblasen, doch die Minus 90 Prozent werden am Ende einzementiert werden. Das Ziel für 2030, das eine Reduktion der Treibhausgase EU-weit um 55 Prozent verlangt, ist übrigens längst implementiert.
Und Europa ist damit auch nicht alleine: China, der derzeit mit Abstand größte Verursacher von Treibhausgasen (Weltanteil bei 30 Prozent) hatte 2024 seinen CO2-Höchststand, die Emissionen gehen nun nachhaltig zurück.
Das war international erhofft worden und ist dennoch eine Sensation, denn China dürfte (laut Pariser Klima-Abkommen von 2015) eigentlich noch bis 2030 steigende Emissionen haben – das Zugeständnis war mit dem Aufholen der wirtschaftlichen Entwicklung begründet worden.
Chinas Klimaschutzpolitik heißt vor allem: Resilienz und Unabhängigkeit von Energieimporten. Indem mehr als zwei Drittel aller weltweit neu gebauten Anlagen in den vergangenen drei Jahren für grüne Wasser-, Wind- und Sonnenkraft in China errichtet wurden. Ein Ende des Ausbaubooms ist nicht in Sicht.
Die asiatischen Nachbarn, aber auch andere Weltregionen, ziehen inzwischen mit, weniger aus Klimaschutzgründen, sondern weil Erneuerbare inzwischen den mit Abstand günstigsten Strom produzieren. Trotz Gegenwinds durch zunehmende geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheit dürften die weltweiten Investitionen in den Energiesektor auf einen Rekordwert von 3.300 Milliarden (3,3 Billionen) US-Dollar steigen, heißt es in einem neuen Bericht der IEA.
Was aber auch klar ist: Wissenschaftlich sind die Klimaschutz-Bemühungen von nahezu jedem Staat viel zu wenig, um die Welt vor den Folgen einer Erderhitzung von derzeit 2,9 °C (bis zum Jahr 2100) zu bewahren. Wir stehen kurz vor einer Erwärmung von global 1,5 °C, Europa erwärmt sich dabei doppelt so schnell wie andere Kontinente, auch Österreich steht bei rund 3 °C.
Auch wenn der Mai 2025 definitiv zu kalt war.
(In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde im Mai 2025 mit 51,6 Grad Celsius in Sweihan ein neuer Hitzerekord für den Monat Mai gemessen.)
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