Experte zu Energiekonzepten: "Politiker haben eine nicht ausreichende Diskussionskompetenz"
Ab September wird der neue Klimabonus ausgezahlt. Es geht um einen Sockelbetrag in der Höhe von 110 € sowie einem gestaffelten Regionalausgleich. Häftlinge bekommen diesen nicht mehr, auch nicht jene Österreicher, die nicht hier wohnen. Sorry, lieber neuseeländische Bruder.
Bernhard Gaul, Klima-Experte des KURIER, informiert über weltweite Dynamiken in der Klimakrise und zeigt Lösungsansätze auf, wie wir selbst einen Beitrag leisten können. Bernis persönlichen Klima-Report können Sie schon sonntags um 7 Uhr als Newsletter direkt in Ihrem Mail-Postfach lesen. Ganz einfach hier anmelden.
Aber jetzt die Elferfrage: Warum bekommen Sie und wir den Klimabonus?
Wegen der Teuerung? Wegen der hohen Spritpreise? Weil Magnus Brunner (der Finanzminister) zwar Vorarlberger ist, aber in Wien Spendierhosen gekauft hat?
Ich bezweifle, dass viele Mitmenschen wissen, was das eigentlich soll. Meine Cousine sagt immer: „Nimm, wenn man dir gibt, schrei, wenn man dir nimmt.“
Die Antwort ist natürlich: Wegen der CO2-Besteuerung, die ja keine Steuer ist, sondern eine Abgabe. „Jeder Euro, der durch die CO2-Bepreisung eingenommen wird, kommt damit direkt zurück zu den Menschen. Die gesamten Einnahmen werden so rückvergütet, dass sich klimafreundliches Verhalten und klimafreundliche Produktion immer mehr auszahlen. Das Prinzip dahinter: Je weniger CO2 verbraucht wird, desto mehr bleibt vom Klimabonus übrig. So zahlt sich Klimaschutz auch finanziell aus und insbesondere für niedrige Einkommen ist der Klimabonus eine wichtige Unterstützung“, wirbt das Klimaministerium.
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Sonst war es eher keine gute Woche für Klima & Umwelt. Der Europäische Rechnungshof bezweifelt, dass die EU die Klimaziele 2030 schaffen wird,
Die Prüfer fanden "wenige Hinweise darauf, dass zur Verwirklichung der ambitionierten EU-Ziele für 2030 ausreichende Maßnahmen getroffen werden". (Hier der KURIER-Bericht, hier der Link zur Behörde). Und sie bemängeln, dass es an Geld, Daten und Transparenz fehle.
Die Europäische Volkspartei zerschießt gerade den Green Deal der EU, die ÖVP macht mit. Deutschlands Klimaminister Robert Habeck, wie Leonore Gewessler anfangs beliebt und inzwischen kaum geliebt, hat mit Mühe und Not sein Heizungsgesetz durchgebracht, Rote und FDP haben seinen Entwurf noch umgearbeitet (aka zerschossen), Habeck sagt: „Der Kern des Gesetzes bleibt gewahrt.“
Gewessler kann das bekanntlich noch nicht sagen, ihr Heizungsgesetz (Erneuerbares Wärmegesetz) liegt noch unbeschlossen im Parlament. Man wird sehen, wer ihres "umarbeiten" wird.
Das Gesetz sieht je nach Anlagenalter ein schrittweises Verbot von Fossilheizungen bis 2035 (Öl) und 2040 (Gas) vor. In Deutschland ging es dann auch um die Frage eines sozialen Ausgleichs, also wie Mitbürger den Heizungstausch eigentlich finanzieren sollen. Super, dass wir das jetzt schon diskutieren. Zeigt ja, wie ernst das Thema bisher besprochen wurde.
Also ja, so eine (extrem wichtige) Debatte muss es auch bei uns geben. Der deutsche Staat will die Wärmewende jedenfalls mit Milliarden fördern, geplant ist, dass unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 70 Prozent der Investition beim Kauf einer klimafreundlicheren Heizung übernommen werden. Bei uns, auch das wissen die wenigsten, übernimmt der Staat im finanziellen Notfall nicht 70, sondern 100 Prozent, sei hier angemerkt.
Aber, so ehrlich dürfen wir zur Halbzeit 2023 sein, wir kommen nicht wirklich weiter in Sachen Klimaschutz. Wie an dieser Stelle sicher schon erwähnt, steht zu befürchten, dass jetzt, wo es zu konkreten Klima-Gesetzen und -Maßnahmen kommt, die Bevölkerung und die meisten Parteien nicht mehr mitgehen wollen. Zu teuer, zu mühsam.
„Wir lernen alle, dass wir den notwendigen Transformationsprozess nicht nur am Klimathema aufhängen dürfen“, sagt da der Klimaökonom Stefan Schleicher.
Wir haben im Gespräch nicht genau definiert, was er mit „Transformationsprozess“ meint, aber grundsätzlich geht es eben nicht nur um Energieproduktion und -verbrauch, sondern um Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Gebäude und Infrastruktur, nicht nur darum, von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu wechseln, es geht darum die Energieeffizienz zu steigern, nachhaltige Landnutzungsmethoden zu fördern, klimafreundliche Verkehrsmittel zu unterstützen, und um soziale, kulturelle und politische Veränderungen.
„Ich lerne da viel von der Schweiz“, erzählt Schleicher weiter, „dort gibt es Stadtentwicklungskonzepte, wo das lokale Energiesystem einen ganz hohen Eigendeckungsgrad hat. Das geht es um mehr als Strom, nämlich zum Beispiel um zu 100 Prozent lokal erzeugtes Wärmen und Kühlen, bei lokal erzeugtem Strom sind sie bei 75 Prozent.“
Fehlender Fokus auf Gesamtsysteme
Denn die Schweizer hätten dabei Großartiges entdeckt: „Dass das nämlich ein enormer Inflationsschutz ist, die Energiekosten sinken, bei sehr viel mehr Lebensqualität in den Vierteln, die mit Wohnungen, Büros und Einkaufmöglichkeiten auch gut genutzt und durchmischt sind.“
Über solche Ideen würde er viel lieber auch in Österreich diskutieren. Österreich habe hier etwa mit den Erneuerbaren Energiegemeinschaften zweifellos eine gute Maßnahme gesetzt. „Aber auch hier ist der Fokus nur auf Elektrizität. Mir fehlt der Fokus auf solche integrierten Gesamtsysteme.“
Stichwort „Anergienetze“: Dabei geht es um die Nutzung von niedrigwertiger Wärme (sogenannter "Anergie"), die sonst ungenutzt bliebe. Diese niedrigwertige Wärme kann aus der Abwärme von Industrieanlagen oder aus dem Erdreich, dem Grundwasser oder dem Seewasser geholt werden. In einem Anergienetz wird diese Wärme eingesammelt und über ein Netz von Rohrleitungen zu den Verbrauchern transportiert, wo sie mit Hilfe von Wärmepumpen auf ein nutzbares Temperaturniveau gebracht wird.
Der Vorteil solcher Anergienetze ist, dass sie eine sehr effiziente Nutzung von Energie ermöglichen, da sie auf Wärmequellen zurückgreifen, die sonst ungenutzt sind. Die Schweizer holen vor allem die Wärme aus Seewasser oder Grundwasser. (Immerhin, die Vorarlberger machen das inzwischen auch mit dem Bodensee.)
„Wir führen keine ausreichende Diskussion über die Zukunft der Voest, über die Zementproduktion, wie wir mit der Borealis weitermachen, oder welche Rolle die OMV übernehmen könnte.“
Die OMV?
"Die könnte ja ein echter Energie-Hub werden und ganz stark in Richtung lokale Energiekonzepte gehen mit ihrer Kompetenz bei Tiefenbohrungen für die Geothermie, da hat die OMV sicher einen Startvorteil, auch für Geothermie aus geringer Tiefe für Nahwärmenetze, Niedertemperaturnetze, Anergienetze.“
"Solche Diskussionen gibt es bei uns nicht", sagt der Professor seufzend, und, auf meinen Einwand, dass ich auch nicht wüsste, wer über so etwas philosophiert, und nicht mal die Grünen solche Ideen ventilieren, meint er nur: "Ja, wir haben auf Ebene der Spitzenpolitik eine nicht ausreichende Diskussionskompetenz."
Höflicher hat es nie jemand formuliert.
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