Kindergarten: „Jeder investierte Euro kommt achtfach zurück“

Kindergarten: „Jeder investierte Euro kommt achtfach zurück“
Natascha Taslimi, Vorsitzende des Netzwerks elementare Bildung, kann nicht verstehen, warum die Politik das Thema ignoriert

KURIER: Als Vertreterinnen des Netzwerks Elementare Bildung (NEBÖ) wollen Sie Forderungen an die politisch Zuständigen übergeben. Wer ist denn  überhaupt zuständig?
Natascha Taslimi: Wir haben neun Zuständigkeiten und neun unterschiedliche Landesgesetze. Es sind überwiegend die Länder zuständig, außer für die Ausbildung der Elementarpädagogen, da ist der Bildungsminister zuständig.

Dennoch richten Sie Ihre Forderungen an den Bund?
Ja, weil dieses Jahr wieder die Bund-Länder-Vereinbarungen neu verhandelt werden, da wollen wir in Kontakt mit der Politik treten und unsere sieben Forderungen einbringen.

Der Bildungsminister soll außerdem die Agenden übernehmen?
Es ist doch befremdlich, dass wir neun unterschiedliche Regelungen in Österreich haben. Warum soll ein steirisches Kind andere Rahmenbedingungen brauchen als eines  im Burgenland? Bis zum Schuleintritt sollen die Kinder  ja alle die gleichen Kompetenzen haben, damit sie den Schulalltag bestens meistern können. Deshalb fordern wir, dass der Bildungsminister zuständig wird.

Warum geht beim Kindergarten seit Jahrzehnten wenig weiter?
Es hakt an den Landeshauptleuten. Wo waren deren Forderungen, dass sich was verbessern muss, oder Maßnahmen, die sie präsentiert haben? Es hängt am Geld, natürlich, aber ein Staat muss sich dazu bekennen, was ihm die Bildung wert ist. Und das kostet auch was. Wir im Verband haben schon auch die Befürchtung, dass der Politik das Verständnis bei dem Thema fehlt, das bewusst seit 30 Jahren verschlafen oder ignoriert wird.

Ist das heute anders als vor 30 Jahren?
Die Anforderungen und Aufgaben von elementaren Bildungseinrichtungen haben sich enorm geändert. Im Schnitt kommen die Kinder früher in die Einrichtung, zudem auch aus Familien, die mit dem Thema überfordert sind. Die Pädagogen beraten ja auch, kooperieren mit Entwicklungspsychologen, Logo-
päden und mit den Volksschullehrern – das sind Aufgaben, die Zeit brauchen und die nirgends abgebildet sind. Wie soll man das bei 25 Kindern in hoher Qualität tun?

Eine Milliarde brauche es, und das sei gut investiertes Geld – was meinen Sie damit?
Es gibt zahlreiche Studien, die den Return of Investment belegen. Jeder in die Elementarpädagogik investierte Euro kommt achtfach zurück. Weil es den Kindern später  bessere und höhere Bildungsabschlüsse ermöglicht, weil sie früher ins Berufsleben einsteigen können.

Im nationalen Bildungsbericht steht, dass Kinder in der ersten Volksschule einen Leistungsunterschied von bis zu dreieinhalb Jahren haben.
Das liegt auch daran, wie Bildung organisiert ist. Wenn es in Wien so ist, dass ein Kind
 nur einen Kindergartenplatz bekommt, wenn beide Eltern arbeiten gehen, ist es leicht nachzuvollziehen, warum der Rückstand teils so groß ist. Natürlich kann der Kindergarten da viel kompensieren, wenn die Kinder aus bildungsfernen Schichten   kommen und dort eine hohe Qualität vorfinden.

Und die  Öffnungszeiten?
Die sind unterschiedlich, in Wien sehr gut,   in den Bundesländern oft gar nicht gut. Im Westen haben wir Einrichtungen, die zu Mittag oder um 14 Uhr schließen. Das geht sich nicht aus, wenn die Mutter berufstätig sein will.  Wenn die hohe Qualität nicht gegeben ist und die Kinder nur drei Stunden im Kindergarten sind, können wir die Probleme nicht verbessern, dann geht sich das nicht aus. Deshalb fordern wir ja, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass jedem Kind, unabhängig vom   familiären Background, von Einschränkungen oder Begabung, ein Bildungsplatz zur Verfügung steht.

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