Im Fokus stehen am Freitag vor allem das Gesundheits- und das Pflegesystem. Neu hinzukommen soll nun aber die von ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer im ORF-Sommergespräch aufgebrachte Förderung für die Kleinsten: 4,5 Milliarden Euro sollen, geht es nach dem Regierungschef, bis 2030 insbesondere in den Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten der Ein- und Zweijährigen fließen. Einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung – wie es ihn in Deutschland gibt – soll es frühestens 2030 beim Vollausbau geben.
50.000 zusätzliche Betreuungsplätze
Nehammer spricht im ORF von einer „Gewaltanstrengung“, um das Milliardenvorhaben realisieren zu können. Diese Anstrengung nimmt nun federführend ÖVP Frauen- und Familienministerin Susanne Raab auf sich.
Sie versicherte am Dienstag, dass man bei den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen eine „echte Wahlmöglichkeit“ bei der Gestaltung des Familienalltags garantieren und jedenfalls 50.000 zusätzliche Betreuungsplätze schaffen will.
Wie hoch der Bedarf an zu schaffenden Betreuungsplätzen für die jeweiligen Altersstufen ist, wie viel zusätzliches Personal benötigt wird und wo welche Infrastruktur dafür auf- oder ausgebaut werden wird müssen – das ist noch ungewiss.
Betreuungskosten
Fix sei nur, dass die zuvor von WKÖ-Präsident Harald Mahrer vorgeschlagene Förderung von knapp sieben Milliarden Euro bis 2030 für die Kinderbetreuung zu hoch gegriffen sei. Grund: Die WKÖ lasse in ihre Berechnungen auch die Betreuungskosten für die unter Einjährigen einfließen.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria berechnet im Auftrag der Regierung die Kosten für die Betreuung der über Einjährigen und geht von 4,5 Milliarden Euro bis 2030 aus.
Das Grundproblem ist: In Österreich waren 2022/23 nicht einmal die Hälfte der Kinder in Einrichtungen mit sogenannten VIF-konformen Öffnungszeiten. Gemeint ist damit, dass die Einrichtung mit einer Vollbeschäftigung der Eltern vereinbar ist. Der VIF-Indikator wurde bereits 2006 von der Arbeiterkammer entwickelt.
Zu klären sind von der Politik neben den Öffnungszeiten außerdem:
- Gruppengröße: Derzeit bei etwa 21 Kindern pro Pädagogin und Kindergartenhilfe, was laut Experten viel zu groß ist.
- Schließtage: Geklärt werden muss, an wie vielen Tagen die Betreuungseinrichtungen maximal geschlossen haben dürfen.
- Ausbildung der Pädagogen: Soll die Ausbildung reformiert werden, soll sie an Unis oder Pädagogischen Hochschulen stattfinden, und wie soll die Arbeit entlohnt werden?
- Lehrplan: Sofern sich die Politik darauf verständigt, dass der Kindergarten die erste Bildungseinrichtung ist, und nicht bloß eine Aufbewahrung der Kinder, muss im nächsten Schritt geklärt werden, was den Kindern in allen Altersstufen vermittelt werden soll.
Fakt ist, dass Kinder am Beginn ihrer Schulkarriere in der ersten Klasse Volksschule derzeit noch einen Leistungsunterschied von dreieinhalb Jahren haben – manche können schon lesen, andere noch nicht einmal einen Stift halten. Das stellt wiederum Volksschullehrer vor enorme Probleme.
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