Kickl bei Misstrauensanträgen auf Rekordkurs
Der umstrittene Sager von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zur Europäischen Menschenrechtskonvention hat heute, Mittwoch, ein parlamentarisches Nachspiel: Kickl hatte vorige Woche erklärt, er glaube „dass das Recht der Politik zu folgen hat, und nicht die Politik dem Recht“.
Nach heftiger Kritik von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und einem telefonischen Rüffel von Bundeskanzler Sebastian Kurz wird sich nun auch der Nationalrat mit der Aussage befassen. SPÖ, Neos und Liste Jetzt haben gemeinsam einen Misstrauensantrag gegen Kickl eingebracht. Ein Minister, der Grundrechte infrage stelle, sei untragbar, heißt es im Antrag.
Man wagt sich nicht weit aus dem Fenster, wenn man prognostiziert, dass der Antrag mit den Stimmen der Koalition abgelehnt wird. Das war noch bei jedem der mehr als 250 Misstrauensanträge seit 1945 so. Auch diesmal wird die Koalition halten – wie schon bei den vergangenen fünf Misstrauensanträgen gegen Kickl. Allerdings strapaziert der rhetorisch wenig zimperliche Innenminister die Geduld des Koalitionspartners zunehmend.
Die Parlamentsdebatte im Livestream:
Eine Chronologie:
- 19. März 2018: In der Causa BVT bringt die Liste Pilz (heute Liste Jetzt) einen ersten Misstrauensantrag gegen Kickl ein. Am
- 11. Juni 2018 folgt in derselben Causa der zweite und am
- 7. September 2018 der dritte Misstrauensantrag. Am
- 26. September 2018 folgen die Misstrauensanträge vier und fünf: Diesmal geht es um eine Informationssperre im BMI für kritische Medien.
Schon damals zeigte sich die ÖVP sichtlich genervt: „Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird“, zitierte Werner Amon aus Bert Brechts „Leben des Galilei“.
Die Geduld der Volkspartei wird nun weiter strapaziert. Einen Koalitionsbruch wird man deswegen aber nicht riskieren.
Sechster Mistrauensantrag für Innenminister Kickl
Spitzenreiterin Fekter
Mit sechs Misstrauensanträgen binnen zehn Monaten (plus einem U-Ausschuss zur Causa BVT) legt Kickl ein beachtliches Tempo vor. Den Rekord von zehn Misstrauensanträgen in einer Legislaturperiode hält Maria Fekter. Dafür brauchte sie allerdings vier Jahre. Karl-Heinz Grasser brachte es auf acht in 14 Monaten, Dieter Böhmdorfer auf sieben in einem Jahr.
Seit dem Amtsantritt von Türkis-Blau gab es sechs Misstrauensanträge (alle gegen Kickl). In der vorangegangenen Legislaturperiode waren es insgesamt 12, von denen die FPÖ neun einbrachte. Zwischen 2008 und 2013 (Kabinett Gusenbauer/Faymann) waren es 39.
Nimmt der Nationalrat einen Misstrauensantrag mehrheitlich an, hat der Bundespräsident den betreffenden Minister (oder gegebenenfalls die gesamte Regierung) des Amtes zu entheben.
Jetzt stellt Kickl-Dringliche an Kurz
Die Liste Jetzt stellt zusätzlich einen dringlichen Antrag zum Thema und zitiert Dafür Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den Nationalrat.
In den Antrag soll Kurz durch Parlamentsbeschluss unter anderem dazu aufgefordert werden, "jeglichen Bestrebungen, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention oder dem Europarat auszutreten, eine Absage zu erteilen" und "durch öffentliche Erklärung klarzustellen, dass nur Personen, die sich zur EMRK bekennen, Teil der Bundesregierung sein dürfen". Jetzt-Abgeordneter Alfred Noll und Kollegen wollen darüber hinaus, dass der Kanzler den die EMRK in Frage stellenden Aussagen einzelner Regierungsmitglieder "öffentlichkeitswirksam, vehement und sofort" widersprechen soll. Er solle auch nur "Ministerialentwürfen seine Zustimmung zu erteilen, die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention konform sind".
Auch dieser Antrag braucht für eine Mehrheit Stimmen von den Regierungsparteien. Debattiert wird er kurz nach 15 Uhr.
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