Kern: „Unsere Tage werden noch kommen“

Christian Kern über durchwachsene Wahlergebnisse, Kritik von Häupl und Blecha und eine neue Chianti-Wette.

KURIER: Heuer gab es fünf größere Wahlgänge. Die SPÖ hat zweimal bescheiden gewonnen, zweimal leicht verloren. Nur in Kärnten hat Peter Kaiser den Sessel des Landeshauptmanns nicht nur verteidigt, sondern mit plus 10 Prozent triumphiert. Sie sind der kürzest dienende SPÖ-Kanzler. Was hat Peter Kaiser, was Sie nicht haben?

Christian Kern: Wir haben auch bei der Bundeswahl im Oktober zugelegt. Insgesamt waren es daher vier Wahlgänge, wo wir reüssiert haben. Das war gegen den Trend in ganz Europa, wenn Sie sich die Wahlergebnisse anderer sozialdemokratischen Parteien ansehen. Man darf diese Ergebnisse aber nicht überinterpretieren. Denn je nach Wahl entscheiden sich die Menschen ganz unterschiedlich. Wir haben es jetzt in Innsbruck gesehen: Da waren wir bei der Nationalratswahl stärkste Partei. Am Sonntag haben wir deutlich schlechter abgeschnitten.

Nur zehn Prozent für die ehemalige Kanzlerpartei, das ist doch erbärmlich.

Ich will jetzt niemanden deprimieren, aber das ist sicher nicht das Ende unserer Erwartungshaltungen. Das geht rauf und runter. Wir müssen uns jetzt wieder vorarbeiten.

Alle Wahlforscher sagen, es kommt primär auf die Person und nicht auf die Partei an. Hat die SPÖ die falschen Spitzenkandidaten?

Ich halte mich lieber an die Wahlen , bei denen es aufwärts ging. Es kann Wahlergebnisse geben wie in Salzburg und sehr gute wie in Kärnten. Für mich ist wichtig, dass der Trend in die richtige Richtung geht.

Wahlforscher sagen, dass es auch Ihnen als Person nicht gelungen ist, einen Oppositionsbonus aufzubauen. Warum?

Es ist logisch, dass in den ersten zwei, drei Jahren die Regierung eine gute Presse hat und die Themen bestimmt. Aber unsere Tage werden kommen. Es hat in der ersten Ära Schwarz-Blau auch vier Jahre gedauert, bis wir Wahlen gewonnen haben. Für mich war es daher eine Überraschung, dass wir bereits jetzt, bei drei von vier Landtagswahlen zugelegt haben. Denn im Moment schüttelt man seitens der Regierung dem Papst die Hand und streichelt Pandabären. Die wirklich ernsten politischen Projekte kommen erst in den nächsten Monaten. Dann ist es für die Opposition auch leichter. Entscheidend wird, was die Menschen real spüren: Von den Einsparungen bei der AUVA bis hin zu den Kürzungen im Bildungsbereich bei den Integrationslehrern. Das ist ein Regierungsprogramm für einige wenige. Bei der großen Zahl der Menschen, die Hoffnungen in die Regierung gesetzt haben, wird eine Ernüchterung einsetzen. Da wird man spüren, was die Regierung neben dem PR-Sprech wirklich tut.

Ihr Parteifreund Häupl hat dieser Tage in „Heute“ konstatiert: Kern muss in die Rolle des Oppositionsführers erst hineinwachsen. Er hat auch ihre Wortwahl gegenüber der Regierung kritisch kommentiert. Wie kommt er dazu?

Da müssen sie Michael Häupl fragen. Ich habe aufgehört, in den Zeitungen solche Aussagen zu lesen. Die einen sagen: Das ist viel zu hart, der haut so drauf. Die anderen sagen: Die sind viel zurückhaltend und zu vorsichtig. Für mich ist entscheidend, dass wir jetzt dagegenhalten. Die Regierung wollte zum Beispiel die Strafen für Unternehmen, die Schwarzarbeiter einsetzen, massiv reduzieren. Da haben wir uns hingestellt und gesagt: Das kann doch nur ein Scherz sein, dass Schulschwänzer härter bestraft werden als Sozialbetrüger in Unternehmen. Was tut die Regierung? Sie rudert zurück und traut sich das nicht mehr umzusetzen. Das aufzuzeigen ist unsere Aufgabe als Opposition. Alles andere sind Betrachtungen für ein paar Politikwissenschaftler.

Erwischen Sie immer den richtigen Ton? Sie hatten vorgestern eine einstündige Debatte mit Heinz-Christian Strache auf Ö1. Viele Zuhörer haben mir nachher gesagt, sie konnten in Ton und Inhalt nicht mehr zwischen Strache und Kern unterscheiden. Sind Sie jetzt der Strache im Slimfit-Anzug?

Sie entschuldigen, aber das halte ich jetzt für eine üble Beleidigung. Das ist auch das, was mich von politischen Kontrahenten unterscheidet. Ich würde mich nie in persönliche Beleidigungen reinsteigern. Man muss in der Sache hart sein und sagen, die FPÖ hat im Wahlkampf alles Mögliche versprochen. Außer der Aufhebung des Rauchverbots hat sie aber bis jetzt nichts eingehalten. Stattdessen haben sie ihre Freunde in den Unternehmen, im Beamtenbüros und komfortablen Dienstwägen untergebracht.

Viele Menschen sagen auch angesichts der vielen Kritik und Proteste gegen Türkis-Blau: Lasst die Regierung doch einmal arbeiten und zeigen, ob und was sie kann. Was sagen Sie diesen Menschen?

Das ist legitim, ganz klar. Ich möchte die Regierung aber nicht in erster Linie an ihren Taten messen, sondern schon an ihren Vorhaben. Denn ich möchte nicht, dass diese zu Taten werden.

Der erfolgreichste SPÖ-Wahlkämpfer, Karl Blecha, meinte jüngst im KURIER, dass die SPÖ schlecht aufgestellt ist: „Die Organisation funktioniert nicht mehr. Man geht in kein Sektionslokal mehr. Die SPÖ muss die Menschen anders erreichen.“ Haben Sie schon als SPÖ-Chef schon ein Rezept dafür?

Blecha hat vollkommen recht. Wir arbeiten daher nicht nur an einem neuen Programm, sondern auch an der Organisationsfrage. Wir haben seit ich Vorsitzender bin, rund 8000 neue Mitglieder. Allein 2400 neue sind es seit die Regierung angetreten ist. Das ist rund dreimal soviel wie in der ersten Ära Schwarz-Blau. Aber das frühere Hochdienen von unten nach oben in der Partei interessiert heute niemanden mehr. Wir brauchen daher eine Plattform, wo wir Experten, Wissenschaftler, NGOs und alle, die uns Nahe stehen, integrieren.

Eine heiß umstrittene tagesaktuelle Frage zum Schluss: Haben Sie Uber schon benutzt?

Habe ich, ja.

Finden Sie den Gerichtsentscheid. Uber dem Betrieb einstweilig zu untersagen, politisch richtig?

Mein Papa war Taxifahrer. Und ich habe deshalb große Sympathie für die Taxifahrer. Man muss faire Wettbewerbsbedingungen herstelen. Das Mitarbeiter nicht ordentlich bezahlt werden, kann ein Sozialdemokrat nie befürworten. Der Grund, dass Uber wegen der Garagen-Problematik gestoppt wurde, ist vielleicht skurril. Aber man braucht eine Neuordnung und Waffengleichheit in diesem Sektor. Denn es kann nicht sein, das digitale Geschäftsmodelle unsere traditionelle Wirtschaft und Kaufleute überrollen. Da gibt es auch in Österreich ausreichend Spielraum. Man muss daher hier nicht in allen auf Europa warten.

Sie haben dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Radio eine Wette angeboten, dass Sie länger als er Parteichef sein werden und haben dafür eine Flasche Chianti eingesetzt. Wie viel würden Sie für eine Wette einsetzen, dass Sie 2022 wieder Bundeskanzler sind?

Ich setze locker noch eine zweite Flasche Chianti dafür ein und übernehme auch die dann fällige Wettschuld von Strache, die erste Flasche Chianti.

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