Kern sucht Mehrheit gegen rasche Wahl – und droht allein zu bleiben

Statt einjährige Kanzlerschaft zu feiern, muss sich Kern mit Neuwahl herumschlagen.
Warum der Kanzler sogar eine Minderheitsregierung überlegt, um eine vorzeitige Neuwahl zu vereiteln.

Bundeskanzler Christian Kern ist nicht erpicht darauf, dass sofort gewählt wird. "Ich sehe kein einziges Problem, das durch Neuwahlen gelöst werden könnte." Es gehe jetzt darum, die Zukunftsfragen anzupacken, sagte der Regierungs- und SPÖ-Chef am Donnerstag am Rande eines Schulbesuchs im burgenländischen Mattersburg.

Es geht Kern freilich nicht nur um die Sache, da spielt auch Taktik eine wesentliche Rolle. Wenn die ÖVP mit Sebastian Kurz in rasche Neuwahlen geht, hat sie Chancen, Platz eins zu erreichen. Kurz hat sich bis dato stets aus Querelen in der Regierung herausgehalten, sich nicht mit unangenehmen Themen befasst. Würde der Außenminister in der Regierung Kern als schwarze Frontfigur weiterarbeiten, wäre es für ihn nicht mehr so einfach, sich nur zur Außen- und Integrationspolitik zu äußern. Er wäre viel mehr mit den Mühen der Tagespolitik beschäftigt, seine Umfragewerte könnten sinken – so das rote Kalkül. Hinzu kommt, dass im Frühjahr 2018 vier Landtagswahlen stattfinden – und Kern als Kanzler ein besserer Wahlhelfer für seine Kandidaten in den Ländern wäre, als wenn die SPÖ – was im Fall der Neuwahl geschehen kann – aus der Regierung fliegt oder nur noch den Vizekanzler stellt.

Wilde Mandatare

Kerns Angebot für eine "Reformpartnerschaft" hat die ÖVP aber erwartungsgemäß abgelehnt. Naheliegend ist also, dass die Schwarzen wählen gehen wollen.

In der SPÖ war man darauf gefasst. Man hat allerdings zunächst darauf gehofft, dass die Kurz-ÖVP vielleicht gar keine Mehrheit für einen Neuwahlbeschluss im Parlament zustande bringt. Die FPÖ hat zwar Zustimmung signalisiert, das reicht aber nicht. Schwarz-Blau hat nur 89 Mandatare, 92 wären nötig (siehe Grafik). Die Grünen scheinen aber gewillt zu sein, mitzustimmen.

Kern versucht dennoch, die Neuwahl noch etwas hinauszuschieben. Seit Mittwochabend lotet er aus, welche Punkte aus seinem "Plan A" eventuell in einer Minderheitsregierung umgesetzt werden könnten. Daher traf er Neos-Chef Matthias Strolz und Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Am Freitag ist ein Gespräch mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig angesetzt. Um jenseits von Schwarz-Blau etwas beschließen zu können, würde Kern aber nicht nur die Grünen, die Neos und das TS benötigen, sondern auch noch mindestens zwei der vier wilden Mandatare.

Unrealistischer Plan B

Der Minderheitsregierungsplan ist also de facto unrealistisch. Denn die Blauen bleiben strikt bei ihrer Haltung, bestätigte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl dem KURIER: "Mit uns wird es weder einen fliegenden Koalitionswechsel noch eine Minderheitsregierung geben. Die sauberste Lösung wären Neuwahlen."

Eine vorzeitige Wahl ist sowieso die wahrscheinlichste Variante. Das weiß natürlich auch Christian Kern. Sein Versuch, die Regierung noch einige Zeit am Leben zu erhalten, ist daher auch ein Stück weit Inszenierung. Denn wenn gewählt wird, sollen Kurz & Co. zumindest den schwarzen Neuwahl-Peter in der Hand haben.

Die Blauen schießen sich auch schon auf den ÖVP-Star ein. Parteichef Heinz-Christian Strache warf dem potenziellen ÖVP-Konkurrenten auf Facebook vor, "skrupellos" zu sein. "Kurz geht politisch über Leichen – sogar innerparteilich."

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