Kern-Nachfolge: „Jemand mit politischer Erfahrung“

Michael Ludwig im Interview. Wiens SPÖ-Chef hielte eine Frau an der Parteispitze für „interessante Ansage“, legt sich aber nicht fest.

KURIER: Warum eigentlich haben Worte wie Freundschaft oder Solidarität in der SPÖ keine Bedeutung mehr?

Michael Ludwig: Die haben nach wie vor große Bedeutung, und zwar nicht nur in unserem Programm, sondern auch im Alltagsleben.

Wie ein Parteiobmann zurücktritt, was herumerzählt wird, wie die Nachfolge gesucht wird – man hat den Eindruck, dass das nicht mehr so stimmt.

Doch, wir haben eine sehr intensive, freundschaftliche, solidarische Sitzung des Parteipräsidiums und des Parteivorstandes gehabt, wo wir Christian Kern mit überwältigender Zustimmung als Spitzenkandidat für die Wahl zum Europäischen Parlament vorgesehen haben. Da haben wir ihm auch eine starke Unterstützung der gesamten SPÖ vermittelt.

Aber Sie hätten sich das alles anders vorgestellt?

Ja, es ist unbestritten: Die Form war verbesserungswürdig. Den Inhalt, dass sich Christian Kern für das Europäische Parlament zur Verfügung stellt, halte ich für einen guten Schritt.

Können Sie verstehen, dass er gesagt hat, er will nicht Opposition machen, weil man da auf die anderen losgehen muss – das ist nicht sein Stil?

Muss man nicht, man kann Opposition in verschiedenen Formaten ausüben. Er hat sich in dieser Rolle offensichtlich nicht wohlgefühlt und nach einer Veränderung gesucht. Ich bin überzeugt, dass er auf europäischer Ebene eine gute Figur machen kann.

Es haben ja schon viele abgesagt. Versuchen wir es einmal positiv: Was sind die Voraussetzungen für eine Frau oder einen Mann, um jetzt SPÖ-Chefin oder SPÖ-Chef zu werden?

Wir sind gerade dabei, Parameter zu entwickeln. Ich persönlich bin der Meinung, es sollte jemand sein, der oder die politische Erfahrung hat, auch in der Lage ist, unterschiedliche Interessen und inhaltliche Positionierungen in der SPÖ zu koordinieren, und gleichzeitig nach außen glaubhaft aufzutreten und mit den politischen Mitbewerbern auf Augenhöhe in Konkurrenz zu treten.

Das könnte man als Skepsis gegenüber der ehemaligen Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner auslegen, die sehr wenig politische Erfahrung hat.

Sie war immerhin in einer Bundesregierung, vorher als Beamtin in einem politiknahen Umfeld. Aber wie gesagt: Es gibt mehrere Parameter.

Sie war als Gesundheitsstadträtin im Gespräch. Da war sie also nicht gut genug, aber Parteichefin könnte sie werden?

Nein, bei einer Stadtregierung muss man mehrere Dinge unter einen Hut bringen und daher habe ich mich zu einer anderen Personalentscheidung entschlossen.

Sie sind Chef der größten SPÖ-Organisation. Kann man sagen, gegen Sie wird das niemand?

Ich gehe davon aus, dass wir das sehr freundschaftlich und solidarisch klären. Es ist mir wichtig, da nicht nur in Abstimmung mit den Landesparteien, sondern auch mit der Gewerkschaftsfraktion, der Frauenbewegung und den Jugendorganisationen zu einer Lösung zu kommen.

Die nächste Nationalratswahl wird eine Persönlichkeitsentscheidung. Der wahrscheinlich wichtigste Gesichtspunkt wird sein: Wer kann am besten gegen Kurz auftreten?

Man sollte sich nicht primär am politischen Mitbewerber orientieren, sondern sich fragen: Was wollen wir als Sozialdemokratie?

Die SPÖ beklagt, dass die Bundesregierung gegen die so genannten kleinen Leute vorgeht. Die Leute sehen das offenbar anders. Warum bringen sie ihre Botschaften nicht rüber?

Zum einen gibt es genügend Eigenfehler. Zum anderen sind viele der Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt einleitet, für die Menschen noch nicht spürbar. Das ist meine Mahnung: Es werden Schritte gesetzt, die nicht unmittelbar, aber nachhaltig das politische System und die Gesellschaft sehr stark verändern werden.

Sie werden jemanden finden müssen, der nicht nur intellektuell, sondern vor allem emotional in der Lage ist, Ängste zu nehmen?

Das ist richtig. Es ist in der Politik immer so, dass politische Inhalte über Personen transportiert werden.

Eine Frau an der SPÖ-Spitze wäre doch eine interessantere Ansage als ein Mann, oder?

Eine Frau wäre eine interessante Ansage, aber ein gut qualifizierter Mann ebenso.

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