"Falsche Zahlen": Kern attackiert Rendi-Wagner und Deutsch

"Falsche Zahlen": Kern attackiert Rendi-Wagner und Deutsch
Der Ex-Chef will die Partei in "mehr als prekärer finanzieller Lage" übernommen und auf Sanierungskurs übergeben haben.

Zwischen Ex-SPÖ-Chef Christian Kern und seiner Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Kern attackiert Rendi-Wagner in einem Brief an SPÖ-Vorstandsmitglieder frontal. Dem KURIER liegt der Brief vor. Kern postete die Attacke auch auf Facebook.

Er schreibt, er habe die SPÖ einer "mehr als prekären finanziellen Situation" übernommen. Dann die erste Breitseite gegen Rendi-Wagner, die kürzlich die SPÖ mit einem "Rucksack voller Steine" verglich. Kern: "Ich hatte nie das Gefühl, einen „Rucksack voller Steine“ übernommen zu haben, sondern habe es als großes Privileg gesehen, die SPÖ anführen zu dürfen. Anderes ist mir auch nicht in den Sinn gekommen, weil ich bei allen Herausforderungen auf positive Entwicklungen aus der Zeit meiner Vor- und Vorvorgänger aufbauen konnte."

Kern und Rendi-Wagner sind sich uneins über die Schulden der SPÖ

Der Schuldenstand am Tag von Kerns Rücktrittserklärung habe "nach einem umfassenden Sanierungsprogramm, das übrigens auch regelmäßig im Parteivorstand berichtet und abgestimmt wurde, 10,57 Millionen Euro betragen und nicht 14,9 wie neben anderen falschen Zahlen behauptet". Die entsprechenden Belege ließen sich in der Löwelstraße finden, so Kern.

"Abgewohnter Zustand"

Ein Teil des Programms war der Verkauf des "Haus Altmannsdorf". Der größere Teil des Verkaufserlöses sei korrekterweise an das Renner-Institut und nicht an die Partei gegangen. Das Renner-Institut hat mit dem Erlös eine neue, günstigere Immobile am Wiener Hauptbahnhof finanziert. Kern: "Ich darf in Erinnerung rufen, dass der abgewohnte Zustand des Hotels Millioneninvestitionen erfordert hätte, deren Rendite nicht einmal die dafür notwendigen Kreditkosten gedeckt hätte. Darüber hinaus haben die laufenden Erhaltungskosten für Park und Anlage wesentliche Teile des Budgets des Renner-Institutes aufgezehrt, die dann für die politische Arbeit gefehlt haben. Wir haben also gemeinsam nach ausführlichen Gutachten und Diskussionen im Parteivorstand wirtschaftlich völlig korrekt entschieden."

Politische Abrechnung

Nach der finanziellen fügt Kern auch noch eine politische Abrechnung in dem Schreiben an: "Wir haben bei der Nationalratswahl 2017 rund 100.000 Stimmen und einen kleinen Prozentanteil dazugewonnen. Wir waren de facto in allen großen Städten die Nummer eins – darunter auch Graz und Innsbruck. Bei den folgenden Landtagswahlen haben wir in drei von vier Fällen zulegen können. Wir haben tausende neue Mitglieder für die SPÖ gewinnen können. Gemeinsam haben wir ein Parteiprogramm ausgearbeitet, das dem Klimawandel einen sehr prominenten Platz eingeräumt hat. Wir haben eine Organisationsreform beschlossen, die eine weitgehende Demokratisierung der SPÖ gebracht hätte. Die Mitglieder hätten mehr Mitsprache bekommen. Die von mir vorgeschlagene und ebenfalls im Vorstand beschlossene Begrenzung der Mandatszeiten hätte gezeigt, dass es uns um ein politisches Anliegen geht und nicht um einen persönlichen Versorgungsanspruch."

Absturz mit Ibiza

"Man", so Kern, habe sich nach seinem Abgang aber entschlossen, einen anderen Kurs einzuschlagen. Das sei selbstverständlich das gute Recht der Führung. "Aber dann sollte man auch zu den Konsequenzen dieser Entscheidungen stehen." Kurz vor seinem Abgang sei die SPÖ bei 29 Prozent gelegen, danach habe sie sich bei 26 Prozent eingependelt. Kern: "Mit dem Management der Ibiza-Ereignisse und dem Wahlkampf 2019 kam dann der Absturz auf das bekannte Niveau. Bis heute haben sich die Zustimmungswerte nicht erholt."

Gegner in eigenen Reihen

Über seinen verunglückten Abschied auf Raten schreibt Kern: "Mein Abschied von der Parteispitze hat viele enttäuscht. Vielleicht verstehen manche im Lichte der jüngsten Ereignisse meine Entscheidung nunmehr besser. Ich habe im Wahlkampf 2017 erlebt, welchen Schaden Illoyalität verursachen kann. Und in der Oppositionszeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass unser größter Gegner in den eigenen Reihen sitzt. Ich habe mich dennoch öffentlich mit Äußerungen zurückgehalten, um das Unglück nicht noch zu vergrößern. Aber ich habe auch keinen Sinn darin gesehen, mich von den „eigenen“ Leuten scheibchenweise abmontieren zu lassen - und die SPÖ gleich mit dazu."

Kern schließt den Brief "mit freundschaftlichen Grüßen" und Glückwünschen für die Zukunft.

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