Kern im Disput um Spenden: "Vorsätzliche Unwahrheit"

Eine Kurz-Aussage über vermeintliche Haselsteiner-Spende nützt Kern für Gegenangriffe
Während SPÖ und ÖVP weiterhin um falsche Spendenvorwürfe streiten, machen Hubert Sickinger und weitere Experten für Parteienfinanzierung mobil für "echte Transparenz".

Tage nach dem ORF-"Sommergespräch" sorgt ein im hitzigen TV-Gespräch von ÖVP-Chef Sebastian Kurz geäußerter Vorwurf immer noch für heftige Aufregung: Weil Kurz fälschlicherweise behauptete, die SPÖ habe eine Wahlkampfspende über 100.000 Euro vom Bau-Riesen Hans-Peter Haselsteiner erhalten, erwägen die Roten nun weiterhin eine Klage. "Es ist eine Behauptung, die zutiefst unwahr ist", sagt Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern in einem KURIER-Video-Interview, das am Sonntag veröffentlicht wird. Ob er klagen werde, wisse der Kanzler aber noch nicht: "Darüber muss man diskutieren". Nun wolle er einmal die Reaktion der ÖVP abwarten. Nachsatz: "Klagen sind in der Politik kein gutes Mittel, aber ich kann nicht akzeptieren, wenn jemand vorsätzlich die Unwahrheit sagt".

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser fährt noch schärfere Geschütze auf: „Von sich selbst zu behaupten, man pflege einen neuen Stil, und dann abstruse Anschuldigungen zu erfinden, ist unmoralisch und unehrlich“, tönt der SPÖ-Landeschef. Kurz habe gezeigt, "dass er keine Skrupel hat, wenn es um eigene Machtinteressen geht“, so Kaiser – der Kurz aufforderte, seine Aussagen zurückzunehmen und sich öffentlich zu entschuldigen. Das ist bisher nicht passiert.

Experte sieht "Lücken im Parteiengesetz"

Hubert Sickinger, Experte für Parteienfinanzierung, hält es für nicht nachvollziehbar, warum NEOS-Unterstützer Haselsteiner für die SPÖ spenden sollte. Das von Kurz im ORF-Sommergespräch angesprochene Problem, dass Großspender auch Vereine finanzieren können, die im Wahlkampf mitmischen, sei aber tatsächlich eine "Lücke im Parteiengesetz". Heute stellen Sickinger und weitere Mitstreiter in Wien die Plattform "Echte Transparenz" vor (siehe unten). Fünf Jahre nach Verabschiedung des Transparenzgesetzes zieht man Bilanz und fordert die Behebung von Konstruktionsfehlern.

Kern im Disput um Spenden: "Vorsätzliche Unwahrheit"
Politologe Hubert Sickinger im Interview im Cafe Hummel in Wien am 05.08.2013.
"Alle Formen von Parallelkampagnen, ob das jetzt Lobbygruppen sind, Personenkomitees oder Kampagnen parteinaher Organisationen, sollten, wenn das einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, genauso ihre höheren Spenden offenlegen“, fordert der Politikwissenschafter im KURIER-Gespräch. Außerdem sei der Schwellenwert von 50.000 Euro für die sofortige Offenlegung einer Parteispende vor dem Rechnungshof "viel zu hoch". Sickinger: "10.000 Euro wären angemessener"

Eine direkte Einsichtnahme des Rechnungshofes hält er für sinnvoll, aber wichtig wäre Sickinger vor allem ein Punkt: „Dass Spendenwäsche, das vorsätzliche Verschleiern von Großspenden und das Umgehen der Rechenschaftspflicht, ein strafrechtliches Delikt wird."

Was sich bei der Parteienfinanzierung in Österreich ändern sollte

  • Experte Hubert Sickinger über Kampagnen von Personenkomittees und parteinahen Organisationen:

"Es geht um Parallelkampagnen zu den Kampagnen der Parteien, egal ob das jetzt Personenkomitees sind, Wahlkampagnen von den Parteien nahestehenden Organisationen (SP-Gewerkschafter zum Beispiel) oder andere Lobbygruppen - in den USA würde man von Political Action Committees (PACs) sprechen, die für oder gegen gewisse Kandidaten oder Parteien Campaining betreiben und damit in den Wahlkampf eingreifen. Jenseits von einer Bagatellgrenze von sagen wir 10.000 Euro sollte man diese ebenfalls gegenüber dem Rechnungshof rechenschaftspflichtig machen. Das wäre die einzige logische Konsequenz. Das liefe über eine Registrierung beim Rechnungshof: wenn das Finanzvolumen einen Schwellenwert von 10.000 bis 15.000 Euro überschreitet, also über ehrenamtliches Engagement eindeutig hinausgeht, und Wahlwerbung im weiteren Sinne, mit Onlinekampagnen, kommerzieller Werbung und professionellen Wahlveranstaltungen betrieben wird, dann sollte man das ähnlich behandeln wie Parteien. Allerdings sollte dadurch zivilgesellschaftliches Engagement nicht übermäßig verteuert werden, daher erst ab einem bestimmten Ausgabevolumen."

  • Über die Schwelle zu den Großspenden:

"Der Schwellenwert von 50.000 Euro für die sofortige Offenlegung einer Parteispende - über eine Meldung an den Rechnungshof, der sie dann auf seiner Website veröffentlicht - ist viel zu hoch. 10.000 Euro wären angemessener."

  • Über die Transparenz der Kurz-Kampagne:

"Wenn Parteien ihre Spenden ab 3.500 Euro oder auch darunter sofort veröffentlichen - wie Neos seit 2013 und jetzt auch die ÖVP-Bundespartei für ihre Kurz-Kampagne -, wenn sie also unverkrampft damit umgehen und mehr offenlegen, als sie müssten, dann finde ich das positiv. Aber warum soll man das nicht verpflichtend machen? Das würde dann auch für die Landesparteiorganisationen gelten oder einzelne Kandidaten, die sich um Vorzugsstimmen bewerben. Wenn die zentral koordinierte Spendenkampagne alles offenlegt, ist das natürlich positiv. Aber niemand kann beispielsweise garantieren, dass nicht irgendein Vorzugsstimmenwerber in NÖ oder Tirol nicht auch eine Spende von 20.000 Euro bekommt, die bis zur Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts geheim bleibt. Wenn diese nicht über die Kurz-Webseite geleistet worden ist, dann wird sie wohl nicht offengelegt. Darauf hat die Bundespartei auch gar keinen Einfluss. Innerhalb der ÖVP führen ja die Kandidaten eigene Vorzugsstimmenwahlkämpfe auf mehreren Ebenen."

  • Über Großspender, von denen man erst hinterher erfährt:

"Eine einzelne Großspende die höher als 50.000 Euro ist, muss unverzüglich dem Rechnungshof gemeldet werden, dieser legt sie in der Liste der Großspender offen. Spenden vom Gesamtausmaß pro Spender mehr als 3.500 Euro (auch an unterschiedliche Parteiorganisationen) sind in den Rechenschaftsbericht aufzunehmen, dieser ist aber erst Ende September des Folgejahres zu übermitteln. Diese Angaben werden dann erst in der ersten Hälfte des übernächsten Jahres veröffentlicht. Das heißt, da könnten sie Großspender haben, die z.B. an die ÖVP nicht direkt über die Webseite gespendet haben, sondern z.b. an eine Landesparteiorganisation oder an einen anderen Kandidaten. Das erfährt man eben im Nachhinein. Da können durchaus Spender dabei sein, von denen man vorher noch nichts gewusst hatte."

  • Über die Forderung nach strafrechtlichen Konsequenzen:

"Eine direkte Einsichtnahme des Rechnungshofes wäre durchaus sinnvoll. Wenn die Spende aber auf Umwegen geleistet wird, etwa indem ein Unternehmen die Bezahlung einer Rechnung übernimmt und diese daher nicht in der Buchhaltung der Partei enthalten ist, würde das wenig bringen, falls die Partei das nicht dennoch pflichtgemäß als Spende in den Rechenschaftsbericht aufnimmt. Wichtig wäre daher, dass Spendenwäsche, also das vorsätzliche Verschleiern von Großspenden und das Umgehen der Rechenschaftspflicht, ein strafrechtliches Delikt wird.

Kern im Disput um Spenden: "Vorsätzliche Unwahrheit"
APAGIN02 - 14092006 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA 464 II vom 13.9. - Der Politikwissenschafter Hubert Sickinger vor dem Parlament am Donnerstag, 14.September 2006. APA-FOTO: BARBARA GINDL
Derzeit kann der Rechnungshof beispielsweise nicht überprüfen, ist, wenn ein Unternehmen verdeckte Parteispenden tätigt, indem zum Beispiel Ausgaben für die Kampagne übernommen werden. Daher wäre das Strafrecht eine nötige Ergänzung. Der RH und auch die Wirtschaftsprüfer könnten nämlich nicht Konten von Dritten, also etwa von privaten Unternehmen überprüfen. Kontenöffnungen und die Vernehmung von Auskunftspersonen unter Wahrheitspflicht kann nur die Staatsanwaltschaft beim Verdacht einer Straftat vornehmen."
  • Über weitere mögliche Schlupflöcher:

"Derzeit ist das ganze System darauf ausgerichtet, dass die Partei alle Spenden pflichtgemäß in ihrer Buchhaltung verbucht. Als Spende ist auch zu bewerten, wenn zum Beispiel jemand Dritter Ausgaben etwa für Inserate tätigt, die eigentlich die Partei zu tätigen hätte. Das ist aber nicht in den Büchern der Partei enthalten. Wenn das wirklich von der Partei in Auftrag gegeben wurde, könnte der Rechnungshof darauf stoßen, auch die Wirtschaftsprüfer. Wenn das aber nur mündlich vereinbart wir, haben wir Pech gehabt. Sachleistungen sind eigentlich deklarierungspflichtig. Was ist aber, wenn das nicht deklariert wird? Dann läuft dieses System ins Leere."

  • Über die Rolle der Parlamentsklubs:

Sickinger nennt Beispiele aus dem Nationalratswahlkampf 2013: Die SPÖ plante damals, bundesweit geschaltete Plakate vom Parlamentsklub bezahlen zu lassen. Bevor der damalige Grün-Abgeordnete Peter Pilz auf diese Praktik aufmerksam machte. Diese Ausgaben wären somit nicht unter die maximal erlaubten Wahlkampfkosten von sieben Millionen Euro gefallen. Der blaue Parlamentsklub wiederum bezahlte FPÖ-Wahlkampfbroschüren an alle Haushalte.

"Der Parteien-Transparenz-Senat kann dem Rechnungshof nur im Rahmen der Ergebnisse seiner Überprüfung des Rechenschaftsberichts vermutete Unregelmäßigkeiten übermitteln: Wenn im Rechenschaftsbericht aber nichts zu finden ist, kann er nichts übermitteln und der Senat keine Sanktion aussprechen. Da die Parlamentsklubs sich vermutlich besonders veranlasst fühlen, Kosten der Partei zu übernehmen, ist meine Forderung, dass die Rechenschaftspflicht der Parteien auch auf ihre parlamentarischen Klubs ausgedehnt wird. Dann könnte der Rechnungshof bei den Wirtschaftsprüfern konkret nachfragen, ob es illegale Querfinanzierungen gegeben hat. Wenn der Rechnungshof in solchen Fragen selbst überprüfen könnte, wäre das in solchen Fragen natürlich viel besser.“

  • Über "amerikanische Verhältnisse" durch Großspenden:

"Im Prinzip wären amerikanische Verhältnisse schon eine Gefahr, aber das eigentliche Rückgrat der Parteienfinanzierung in Österreich ist trotzdem nicht das Spendenwesen, sondern die staatliche Parteienfinanzierung. Und man soll sich nicht täuschen lassen: Auch wenn schon eine Million für die Liste Kurz gesammelt worden ist, der Großteil der ÖVP-Kampagne wird nicht über Spenden bestritten werden, sondern von der öffentlichen Parteienförderung kommen.“

  • Über indirekte Einflussnahme auf politische Prozesse:

"Die gibt es im Prinzip schon. Allerdings wird man sich nach der Wahl genau anschauen: Was wird die Politik der Partei sein? Wenn der mögliche Einfluss ohnehin von vornherein offen gelegt ist, wird sich die Partei hüten, Wünsche zu erfüllen. Bleibt noch immer die Frage nach der Motivation von Großspendern. Wer unterstützt welche Partei warum? Auch dann, wenn der Spender die Politik der Partei nicht durch Geld beeinflussen will, so will er doch, dass die Partei möglichst gut bei der Wahl abschneidet, nachher also mehr Einfluss hat. Hier kann man also natürlich sehr wohl die Frage stellen, warum bestimmte Parteien für welche Großspender attraktiv sind. Und der Spender wird natürlich eher ein offeneres Ohr finden und rascher einen Gesprächstermin beim Kanzler oder bei Ministern bekommen."

Die neue Plattform "Echte Transparenz" liefert nach fünf Jahren eine kritische Bestandsaufnahme des Transparenzgesetzes. "Natürlich hat es auch Fortschritte gebracht, wir legen aber eine umfangreiche Mängelliste vor", sagt Politologe Hubert Sickinger. Gemeinsam mit Marion Breitschopf (Transparenzplattform meineabgeordneten.at), Mathias Huter (vom Forum Informationsfreiheit) und Florian Skrabal von der Rechercheplattform Dossier.at hält Sickinger am Freitag, 1.9., 9:30 Uhr eine Pressekonferenz im Presseclub Concordia, Bankgasse 8, 1010 Wien.

"Jeder ist seinem Arbeitsbereich auf Lücken gestoßen, die nun ausführlich dokumentiert vorgestellt werden", sagt Sickinger. "Wir hoffen, dass unsere Kritikpunkte vor allem am Parteiengesetz in der Öffentlichkeit aufgegriffen werden und sich auch die Kandidaten und die Parteien dazu äußern."

Kommentare