ÖVP-Ministerin Edtstadler: "Das ist wie eine zivile Todesstrafe"

Karoline Edtstadler
Die Salzburgerin will an der Länge der Ermittlungsverfahren etwas ändern. Im Interview spricht sie auch über die Kanzlergerüchte und den Selbstmord der oberösterreichischen Ärztin.

KURIER: In den Gerüchten um einen Wechsel an der Spitze der Regierung wurde auch Ihr Name als mögliche Bundeskanzlerin genannt. Wie viele haben schon bei Ihnen angerufen und gefragt, ob Sie das im Fall der Fälle machen würden?
Karoline Edtstadler: Das ist eine Sommerloch-Debatte, an der ich mich nicht beteiligen möchte. Wir haben einen Kanzler, der erst vor Kurzem mit 100 Prozent zum Bundesparteiobmann gewählt worden ist, der die volle Unterstützung  in der ÖVP hat. 

Die aktuell schlechten Umfragewerte der ÖVP machen Sie nicht nervös?
Natürlich ist das etwas, was nicht schön ist. Und ich will das auch gar nicht schönreden. Wir sehen im Moment aber in ganz Europa, dass sich Zorn und Unzufriedenheit gegenüber den Regierenden entlädt. Wir sehen Regierungen, die fallen, Ministerpräsidenten, die zurücktreten.  Aber ich denke, dass es gerade in so einer Zeit wichtig ist, ruhig zu bleiben, mit Verantwortung für das Land zu handeln und aus Verantwortung auf Position zu bleiben. Auch wenn das in Zeiten wie diesen manchmal nicht sehr gemütlich und angenehm ist.

Ministerin Karoline Edtstadler zu Gast im Checkpoint

Sie schließen also aus, dass Sie  im Herbst  die Parteispitze oder auch das Kanzleramt übernehmen könnten, selbst wenn die Tiroler Wahl für die ÖVP komplett schief geht und man etwa in Niederösterreich wegen der bevorstehenden Wahl nervös wird?

Wir haben jetzt die Zeit, den Menschen zu beweisen, dass wir Entlastungspakete schnüren, dass wir gegen die Teuerung arbeiten. Ich bin überzeugt, dass sich das bei den Wahlen in den angesprochenen Bundesländern entsprechend widerspiegelt. Angekündigte Katastrophen finden in der Regel nicht statt. Ich bin  überzeugt, dass die Bundesregierung in der jetzigen Formation einfach weiterarbeiten muss. Und wir müssen alles tun, den Kanzler nach Kräften zu unterstützen.

Sie verhandeln mit Justizministerin Alma Zadic Reformen in der Justiz. Jetzt hat der tragische Selbstmord einer Ärztin in Oberösterreich das Thema Hass im Netz erneut aufgeworfen. Muss nachgeschärft werden?

Der an Tragik kaum zu überbietende Fall ist wirklich unglaublich schrecklich und zeigt uns, wie ernst wir das Thema  nehmen müssen. Wir haben  das Kommunikationsplattformen-Gesetz geschaffen, um dem im Netz zu begegnen.  Was die Politik jetzt  aus meiner Sicht machen muss, ist, diesen schrecklichen Fall zum Anlass zu nehmen, um weiter öffentlich zu sensibilisieren.

Was auch passiert, ist, dass Menschen, gegen die die Justiz ermittelt, sehr oft in der Öffentlichkeit,  in den Sozialen Medien dargestellt werden, als ob sie bereits verurteilt wären. Sie haben dafür in einem Interview den  dramatischen Vergleich „zivile Todesstrafe“ gewählt. Was meinen Sie damit?

Ich habe hier bewusst mit dem Begriff „zivile Todesstrafe“ zugespitzt, um deutlich zu machen, was es bedeutet, ewig lang als Beschuldigter zu gelten. Als ehemalige Richterin liegt mir natürlich etwas daran, dass Straftaten aufgeklärt werden. Aber es kann nicht sein, dass sich Ermittlungen über Jahre hinausziehen, dass Betroffene deswegen Nachteile haben, etwa keinen Kredit bekommen und auch noch geächtet sind. Und dann kommt  noch dazu, dass ein Handy beschlagnahmt wird, das auch noch in einem Untersuchungsausschuss landet und alles medial breitgetreten wird. Da sage ich, wir müssen die Beschuldigtenrechte stärken. Wir müssen schauen, dass es kürzere Verfahren gibt. Die schöne Unschuldsvermutung ist zwar in der Verfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegt, sie muss aber auch gelebt werden. Das geht nur, wenn wir Ermittlungsverfahren nicht öffentlich führen. 

Meinen Sie damit auch Verfahren gegen berühmte ÖVP-Politiker wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz? 

Ich meine alle, die in so etwas verfangen sind. Das Gesetz macht da keinen Unterschied, ob jemand berühmt ist oder nicht. Jeder muss eine Chance haben, aus einem Verfahren schnell wieder herauszukommen. 

Ist das eine Retourkutsche gegen die WKStA, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft?

Als ehemalige Richterin geht es mir darum, dass Fairness vorherrscht. Wir haben  Artikel 6 in der Europäischen  Menschenrechtskonvention, der von fairen Verfahren spricht.

Sind Sie mit Ministerin Zadic auch noch zum Thema „Bundesstaatsanwalt“ im Gespräch? Zuletzt ist es da sehr ruhig geworden.

Selbstverständlich sind  wir auch darüber im Kontakt. Allerdings bin ich hier nur insofern informiert, dass es hier noch weitere Sitzungen von Arbeitsgruppen gibt. Politische Gespräche zum Thema Bundesstaatsanwalt gibt es noch nicht. Die Arbeitsgruppe hat noch keine endgültigen Eckpunkte festgelegt, wie man sich eine Bundesstaatsanwaltschaft vorstellt.

Karoline Edtstadler

Sie haben eine Koalition mit der FPÖ miterlebt, jetzt eine mit den Grünen. Welche war ihnen lieber?

Ich werde keine Reihung vornehmen. Die Situation ist eine ganz andere. Aber der jetzige Koalitionspartner ist mir persönlich in vielem auch sehr nahestehend.

Glauben Sie noch daran, auch nach der nächsten Wahl den Kanzler zu stellen?

Ich hoffe es, weil die ÖVP nicht nur sehr viel Erfahrung hat, sondern auch immer eine staatstragende Partei war. Das wollen wir jetzt   in den schwierigen Zeiten  der Bevölkerung beweisen.

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