Anklage gegen Karmasin: "Maximale persönliche Bereicherung"
Rechtlich geschützte Werte sind ihr nicht "gleichgültig", sie lehnt sie sogar ab; sie hat genau gewusst, was sie tut – ist also "überaus planvoll" vorgegangen; und obwohl man Sophie Karmasin (55) als "wirtschaftlich äußert gut situiert" bezeichnen darf, hat sie bereits in ihrer Zeit als Familienministerin der ÖVP Taten gesetzt, die eine "maximale persönliche Bereicherung zulasten der Allgemeinheit" nahe legen: Will man verdichtet lesen bzw. wissen, was die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) der früheren Familienministerin vorwirft, man findet es auf der vorletzten Seite der insgesamt 40 Seiten zählenden Anklageschrift gegen Karmasin.
Am Dienstag wurde die vorläufige Anklage gegen die frühere ÖVP-Ministerin publik. Und im Wesentlichen konzentriert sich die Anklagebehörde bei Karmasin und dem Zweit-Angeklagten (ein Beamter) auf zwei Faktenkreise: Der eine, das sind die sogenannten Scheinangebote.
Hier geht es darum, dass Karmasin unter anderem in Absprache mit einem Mitarbeiter des Sportministeriums und mit der Hilfe von Kronzeugin und Ex-Mitarbeiterin Sabine Beinschab Studien bzw. die Ausschreibungen von Studien manipuliert haben soll. Konkret wirft die WKStA den Angeklagten vor, sie hätten bei zumindest drei Studien im Stück-Wert von 69.000 bis 74.000 Euro die öffentliche Hand betrogen.
"Akkordierte Scheinangebote"
Konkret soll Karmasin Scheinangebote gelegt haben, die nur ein Ziel hatten: Es sollte möglichst keine billigeren Bieter geben und die "Karmasin Research & Identity" sollte sicher den Zuschlag bekommen. Um dies zu garantieren, erstellten Karmasin & Co "akkordierte Scheinangebote“.
Der zweite Themenkomplex betrifft Karmasins Zeit nach ihrem Ministerinnen-Amt: Wie berichtet, hat die Ex-Ministerin ihr Ministergehalt offenkundig widerrechtlich weiter bezogen, womit der Republik insgesamt mehr als 78.000 Euro Schaden entstanden sind. Im Zuge der Ermittlungen hat die frühere Meinungsforscherin rund 62.000 Euro in Raten zurückbezahlt. Für die WKStA zählt dies dennoch nicht als tätige Reue – man sei ihr ja bereits auf der Spur gewesen.
Grundsätzlich dürfen Regierungsmitglieder nach dem Ausscheiden aus der Funktion nur dann eine weitere, auf sechs Monate beschränkte Auszahlung des Ministergehalts beantragen, wenn sie keine anderen Einkünfte haben – die Fortzahlung ist als Arbeitslosengeld gedacht.
Keine Diversion
In der Anklageschrift ist auch dargelegt, warum der ehemaligen Ministerin keine Diversion angeboten wird. Bei Diversion geht es um die Möglichkeit, bei einem hinreichend geklärten Sachverhalt auf ein formales Strafverfahren zu verzichten. Beschuldigte bekommen das Angebot, sich einer Geldzahlung oder gemeinnütziger Arbeit zu unterwerfen.
Laut WKStA-Anklageschrift scheitert dieses "diversionelle Vorgehen" bei Karmasin aber mangels Verantwortungsübernahme schon aus spezialpräventiven, aber auch aus generalpräventiven Gründen – ihre Schuld ist zu groß, die kriminelle Energie war laut Strafverfolgern zu hoch.
Weitere Anklage droht
Nicht enthalten ist in der vorliegenden Anklage der gesamte Komplex des „Beinschab-Tools“. Dabei geht es um die mutmaßliche Inseraten- und ÖVP-Korruptionsaffäre um in der Mediengruppe "Österreich" geschaltete Inserate und Umfragen, die über das Finanzministerium abgerechnet und damit letztlich vom Steuerzahler beglichen worden sein sollen.
Diesbezüglich sind die Ermittlungen der WKStA noch nicht abgeschlossen. Politisch sind sie insofern relevant, als von ihnen – abgesehen von Karmasin – auch Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen ehemalige engste politische Mitarbeiter, die erwähnte Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die Medien-Manager Wolfgang und Helmuth Fellner und nicht zuletzt die ÖVP als Ganzes umfasst sind.
Karmasins Anwälte – sie wird von Philip Wolm und Norbert Wess vertreten – haben zwei Wochen Zeit, um die Anklage zu beeinspruchen. Bei einem Schuldspruch drohen ihr drei Jahre Haft.
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