Buwog-Prozess: Grasser und die "Fata Morgana der 960 Millionen Euro"
Nachdem er gestern ausführlich zum sogenannten "Schwiegermutterngeld" ("War tatsächlich ihres"), zu seinem Verhältnis zu Jörg Haider ("Mein Mentor") und Walter Meischberger ("Kein Kontakt mehr seit 2010") befragt worden war, stand der Donnerstag ganz im Zeichen von Karl-Heinz Grassers Rolle im Bietverfahren zur Buwog.
Zur ausführlichen Zusammenfassung des 42. Verhandlungstages
Richterin Marion Hohenecker verwendete den gesamten Vormittag darauf, eine Reihe an Dokumenten zur Privatisierung der Bundeswohnungen chronologisch mit Grasser durchzugehen. Dabei betonte der ehemalige Finanzminister mehrmals, er habe den Privatisierungsprozess anderen überantwortet, sei operativ eigentlich nur am Rande damit betraut gewesen. Das würde auch sein Terminkalender widerspiegeln, auf dem sich bei näherer Betrachtung nur wenige Termine zur Buwog-Privatisierung direkt finden.
Experten rieten zu zweiter Runde
Bei seiner Entscheidung, eine zweite Bietrunde zuzulassen, habe er sich denn auch ganz auf die Expertise von Lehman Brothers, der Wirtschaftskanzlei Freshfields und der Vergabekommission verlassen.
In dieser Vergabekommission saß damals auch Grassers ehemaliger Kabinettschef Heinrich Traumüller. Traumüller ist eine spannende Figur im Buwog-Prozess, wo er auch als Zeuge geladen ist. Er war es, der Grasser im U-Ausschuss 2012 belastete, indem er aussagte, dass der damalige Finanzminister selbst eine zweite Bieterrunde veranlasst hatte.
Am 4. Juni 2004 soll Traumüller laut Anklage zudem erstmals ein mögliches 960-Millionen-Euro-Gebot der CA Immo handschriftlich notiert haben. Laut Anklage hat sich Graser unmittelbar danach mit seinen mitangeklagten Freunden getroffen.
"Entscheidender Vorwurf empirisch belegbar falsch"
Beim genauen Studieren der Dokumente wurde heute jedoch klar, dass Traumüller diese Notiz erst am 7. Juni, das ist jener Tag, an dem im Finanzministerium die Entscheidung über eine zweite Runde fiel, gemacht hatte. Offenbar eine Ungenauigkeit in der Anklage, auf die Grasser-Anwalt Norbert Wess heute vehement hinwies.
Laut Grasser handelte es sich bei den ominösen 960 Millionen Euro der CA Immo aber ohnehin nicht um einen möglichen Spielraum für eine etwaige zweite Bieterrunde, wie Traumüllers Notiz von der Staatsanwaltschaft interpretiert wird.
Nein - und das ist Grassers wichtigstes Argument in diesem Fall - dabei handle es sich um das Gesamtinvestitionsvolumen (inklusive Transaktionskosten), das die CA Immo eben aufwenden hätte müssen, um ihr Erst-Angebot von 922,7 Millionen zu erfüllen. Mit einem möglichen Spielraum hätte das aber nichts zu tun. "Da ist ein eklatanter Widerspruch zur Realität in der Anklageschrift." Der entscheidende Vorwurf sei "empirisch belegbar falsch", sagte Grasser heute wiederholt.
Dass die CA Immo diese "Fleißaufgabe" auch beim zweiten Angebot erfüllte (Gesamtinvestitionen von genau einer Milliarde Euro), unterstreiche das nur. Wie hoch die CA Immo letztlich in einer zweiten Runde sei jedenfalls nicht absehbar gewesen, die 960 Millionen Euro "eine reine Fata Morgana", purer Zufall. Weshalb die CA Immo dann überhaupt als Privatbeteiligter am Prozess angeschlossen ist und auf 200 Millionen Euro Schadenersatz klagt, wird wohl noch zu klären sein.
"Was genau ich weitergegeben habe, weiß ich nicht"
Ebenso wie die Frage, weshalb Walter die 960 Millionen Euro als Tipp fürs Mindestgebot an Peter Hochegger weitergegeben hat. Seine Antwort heute: "Was genau ich weitergegeben habe, weiß ich nicht."
In seiner früheren Einvernahme hatte Meischberger bereits ausgesagt, dass der entscheidende Tipp dazu von Jörg Haider gekommen war. Und woher der "die 960 Millionen" gehört haben soll, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
Anmerkung: Der Buwog-Prozess legt jetzt eine kleine Sommerpause ein. Die nächste Verhandlung findet am 17. Juli statt. Kurier.at wird wie gewohnt live berichten
Buwog-Prozess, Tag 43 zum Nachlesen
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"Summer"
Michael Dohr, seines Zeichens berühmtester Tapetenvertreter Österreichs und aber eigentlich Anwalt eines Nebenangeklagten im Buwog-Prozess, hat soeben den Großen Schwurgerichtssaal betreten und ist auf die Journalisten zugestürmt. "Summer", "Summer love", sagt er immer wieder. Und das ist das Outfit dazu:
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Guten Morgen
Und damit guten Morgen aus dem Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht. Rund 30 Journalisten sind auch am zweiten Tag der Einvernahme von Karl-Heinz Grasser wieder vor Ort, auch am Zuschauerrang hat sich wieder eine Handvoll interessierter Prozessbeobachter eingefunden, nur der Hauptangeklagte fehlt noch...
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Möchte er noch etwas ergänzen?
Freilich will er. Es geht noch einmal mal um die anonymen A1-Mailadressen mit HBM-Namensverwendung. Gestern konnte Grasser nicht erklären, wer die Mailadressen eingerichtet hat. Er habe gestern Abend seine ehemalige Assistentin angerufen - "Das war ein guter Anlass, mich wieder einmal bei ihr zu melden" - und auch sie könne sich an diese Mailadresse nicht erinnern.
"Ich wollte das nur ergänzen, damit sie sehen: Nicht nur meine Erinnerung ist hier schwierig."
Dafür könne sich eine andere Assistentin möglicherweise an die E-Mailadresse erinnern, sagt Grasser.
Kurz: Es hat die A1-HBM-Mailadresssen wahrscheinlich gegeben, aber sie wurden wohl vom Finanzministerium eingerichtet.
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Homepage?
"Auch wenn es nicht ganz verfahrensrelevant ist, aber es gab doch auch diese Sache mit der Homepage...", fragt die Richterin jetzt nach, weil Grasser zuvor von seinem mangelnden technischen Verständnis gesprochen hat ("Ich kann erst seit zwei Jahren auf dem Handy Emails schreiben").
Grasser bleibt freundlich, geht kurz auf die "Homepage-Affäre" ein: "Ich möchte die Verantwortung nicht von mir schieben", aber technisch sei er dabei ja nie involviert gewesen. Er hätte nur einige Inhalte geliefert. Und grundsätzlich: "Wir wollten damals eben eine politische Marke aufbauen", da habe er sich eben falsch beraten lassen.
Wir erinnern uns: In der so genannten Homepage-Affäre wurde Grasser vorgeworfen, im Jahr 2004 mehr als 280.000 Euro an Spendengeldern der österreichischen Industriellenvereinigung angenommen zu haben - und diese nicht versteuert zu haben.
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Weiter im Text
Und damit steigen wir jetzt wirklich wieder direkt in die Causa Buwog ein. Richterin Marion Hohenecker zeigt dem Ex-Finanzminister eine "Übersicht über Projektablauf in der Durchführungsphase" vom Oktober 2003 von der Investmentbank Lehman Brothers. Grassers kurze Antwort: Daran habe er keine Erinnerung. -
"Guter Teil war öffentlich"
Wobei er gegenüber dem Parlament - aufgrund der zahlreichen Anfragen damals - sicherlich dargestellt habe, wie der Projektablauf zum Verkauf der 62.000 Bundeswohnungen geplant sei. "Ich möchte also nur darlegen, dass ein guter Teil öffentlich war" - und dann habe es eben auch Teile des Verkaufsverfahrens gegeben, das nicht öffentlich gewesen sei. "Das ist doch ganz normal."
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Politisch richtiger Zeitpunkt?
Wichtig sei freilich auch der Zeitpunkt des Verkaufs gewesen. Fraglich ist, inwieweit dieser mit ihm abgestimmt war. Daran kann er sich jetzt nicht mehr erinnern, aber überraschen würde es ihn nicht, meint Grasser. Denn auch das sei ein ganz normaler politischer Prozess gewesen. Grasser erzählt, dass er zum Beispiel bei der Privatisierung der Voest gebeten worden sei, diese nicht im zeitlichen Umfeld der oberösterreichischen Landtagswahl zu machen...
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OTS: "Zahlenspekulationen verfrüht"
Wir sehen nun eine Presseaussendung des Finanzministerium aus dem Jahr 2003, in dem eine "verfrühte Zahlenspekulation" in den Medien zurückgewiesen wird. Damals wurden 500 Millionen Euro kolportiert...
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Grasser geht nur kurz auf die OTS ein. Das zeige eben, dass man dann einen sehr viel höheren Verkaufspreis erzielt habe. Richterin Hohenecker fährt mit handschriftlichen Aufzeichnungen zu "Abstimmungssitzungen" von Lehman Brothers und der Wirtschaftskanzlei Freshfields, die die Privatisierung begleitet hatten fort.
Sie sind nicht nur kaum zu entziffern, der Erkenntnisgewinn ist auch denkbar gering: "Das zeigt eben, dass es viele Sitzungen dazu gegeben hat", sagt Grasser. An Genaueres, inwieweit er auch in diese Sitzungen eingebunden war, daran kann er sich nicht mehr erinnern.
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Stress und Schock
Wir sehen ein Dokument aus dem Jahr 2003, in dem die ersten indikativen Angebote aufgelistet sind. Eingestellt war Grasser bereits damals auf 800 Millionen Euro Erlös. "Das haben sie (Lehman Brothers, Anm.) uns gesagt, dass wir uns darauf einstellen können", sagt er. Deshalb sei er dann schockiert gewesen, als bei der ersten "Indikativrunde" lediglich 400 bis 450 Millionen Euro für den gesamten Buwog-Deal geboten wurden.
Da hätte ihn als Finanzminister natürlich auch gestresst. Angepeilt sei letztlich schließlich fast eine Milliarde gewesen, bei dieser Anbotshöhe hätte er das Bieterverfahren abbrechen müssen. "Und dann hätte mich natürlich auch das Parlament - unter Anführungszeichen - gefoltert". "Weil die natürlich dann sagen: Jetzt hast du 2, 3 Millionen für Beratungskosten ausgegeben und jetzt stehst du ohne Ergebnis da."
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Wir gehen weiter die handschriftlichen Notizen von Grassers ehemaligem Kabinettschef Heinz Traumüller durch. "Keine Wahrnehmung", sagt Grasser nur. Und überhaupt: "Das kann authentisch nur Traumüller identifizieren."
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Heuschrecke, oder?
Heinz Traumüller schrieb von einer "Bieterparanoia". Auch daran kann sich Grasser keinen Reim machen. "Da werden Sie ihn sicher noch dazu fragen können."
Nächste Seite in den handschriftlichen Notizen, kleiner Exkurs: In dem Dokument ist von "Cerberus" die Rede. Der US-amerikanische Finanzinvestor stieg 2006 mit 2,6 Milliarden Euro bei der Bawag ein.
"Kennen Sie das?"
"Natürlich."
"Das ist eine Heuschrecke?", fragt Richterin Hohenecker.
"Ein Private Equity Fund", berichtigt Grasser. "Aber das ist wohl eine Frage der Perspektive."
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Im Terminkalender spielt Buwog kaum eine Rolle
Richterin Hohenecker gleicht nun das zweite indikative Angebot vom Jänner 2004 - die Angebotshöhe liegt jetzt bei 701 bis 865 Mio. Euro - mit Grassers Terminkalender ab.
Darin ist am 5.1. 2004 auch ein Termin mit einem gewissen Walter Meischberger eingetragen. Grassers einfache Antwort, die wir nun schon öfter gehört haben: "Keine Wahrnehmung dazu."
Ihm ist vielmehr wichtig, auch auf andere Termine hinzuweisen. So waren damals an einem Nachmittag etwa "vier Stunden für die Steuerreform" reserviert. Für Grasser zeigt das, dass an persönlicher Zeit "viel mehr für politische Vorhaben reserviert war", wie für die Buwog.
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"Die Kärntner wollten immer weniger zahlen"
Richterin Hohenecker lässt einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2004 einblenden. Der Kärntner ÖVP ist darin der kolportierte Kaufpreis von 120 Millionen Euros an den ESG-Wohnungen viel zu hoch. Landeshauptmann Haider hatte sich ja das Vorkaufsrecht (von dem man letztlich nicht Gebrauch machte) gesichert. Die ÖVP wolle aber maximal 50 Millionen Euro hinblättern, heißt es in dem Artikel. "Das ist mir erinnerlich, dass die Kärntner immer dramatisch niedrigere Preise ansetzen wollten, als uns als Verkäufer lieb war", sagt Grasser und betont, dass er damals genau darauf schaute, dass den Mietern keine Nachteile durch den Verkauf erwachsen würden. "Das wäre politisch unklug gewesen." Sind ja auch allesamt potenzielle Wähler, die Mieter...
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"Bitte Traumüller fragen"
Seit 9.30 Uhr gehen wir jetzt schon die handschriftlichen Aufzeichnungen von Heinrich Traumüller durch. Unterbrochen nur von gelegentlichen Ausflügen in Grassers Terminkalender. Erkenntnisgewinn bislang? Schwer zu sagen. Grasser (und mit ihm der gesamte Saal) kann die Handschrift seines ehemaligen Kabinettschefs entweder nicht entziffern, oder sich nicht an die notierten Treffen erinnern.
Wichtig bisher: Grasser war ob der geringen ersten Angebote schockiert, für Details möge man bitte den Herrn Traumüller fragen. Er selbst sei, was die persönliche Arbeitszeit angehe, vor allem mit anderen - politischen Vorhaben - beschäftigt gewesen.
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Traumüller packte im U-Ausschuss aus
Wobei der ständige Verweis auf Traumüller durchaus spannend ist. Schließlich war er es, der Grasser mit seinen Aussagen im U-Ausschuss 2012 schwer belastete, als er aussagte, dass Grasser selbst eine zweite Bieterrunde veranlasst hatte. Traumüller, von 2000 bis 2002 Grasser Kabinettschef löste damit weitere Ermittlungen der Justiz aus.
Laut Anklage soll Traumüller am 4. Juni 2004 die Anbotssumme von 960 Millionen notiert haben.
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Laut Anklage hat sich Graser unmittelbar nachdem er von Traumüller die Höhe des Gebots erfahren hatte mit seinen mitangeklagten Freunden getroffen. Am 7. Juni habe es im Finanzministerium die Entscheidung gegeben, eine zweite Bieterrunde einzuberufen - obwohl sich die Experten erst am 8. Juni treffen und eine Empfehlung aussprechen sollten...
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Pause bis 11.30 Uhr
Aktuell sind wir in den handschriftlichen Notizen am 2. Juni angelangt. Hier ist ein "Routinetermin", so Grasser, mit Traumüller vermerkt. Spannend wird's am 4. Juni, wenn erstmals das Angebot in seiner vollen Höhe verzeichnet ist. Zuvor gibt' aber noch eine kurze Pause...
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Stichwort Heinrich Traumüller
Bevor es hier weitergeht noch einige Vorbemerkungen zu Herrn Traumüller. Einer, der rund um die Privatisierung für Schlagzeilen sorgt, ist der Beamte Heinrich Traumüller, der auch in der Buwog-Vergabekommission sitzt. Im Korruptionsuntersuchungsausschuss im Parlament lässt er 2012 mit der Aussage aufhorchen, dass Grasser deutlich mehr Insiderwissen habe, als er zugibt. Am gleichen Abend wird Traumüller als abgängig gemeldet, später von der Polizei in verwirrtem Zustand gefunden. Heute spielt Traumüller, der auch als Zeuge geladen ist, die Sache herunter.
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Wir machen weiter mit dem 4.6. 2004... Also jener Tag, an dem die verbindlichen Angebote abgegeben werden mussten.
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Als die Angebotshöhe bekannt wurde...
Grasser hat auch hier wieder "keine konkrete Erinnerung". Aber immerhin: Es wäre durchaus möglich, dass da dann die Information über die Angebotshöhe von Herrn Traumüller an mich erfolgt ist."
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836 Mio. in erster Bieterrunde
Traumüller notierte jedes Anbot der drei letztlich verlbliebenen Interessenten ganz genau handschriftlich:
- Das Österreich-Konsortium um die Immofinanz bot insgesamt 836 Millionen Euro. Für die ESG Villach - extra ausgewiesen - bot man 83 Millionen Euro.
- Blackstone / conwert bot in Summe 677 Mio. Euro.
- CA Immo bot... darüber herrscht hier gerade Unklarheit (wieder ist's die Handschrift, die fuxt, wir reichen das nach)
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Abarbeiten an Handschrift
Wir arbeiten uns noch immer an der Handschrift von Heinrich Traumüller ab... Dass die ESG Villach immer extra ausgewiesen wurde, liegt am Vorkaufsrecht der Kärntner Landesregierung, erklärt Grasser jetzt. -
... und wann kam die zweite Runde?
Traumüller notierte am 4. Juni auch eine Frage nach einer zweiten Runde. Damals sei man jedoch davon ausgegangen, dass es keine zweite Bieterrunde geben würde, sagt Grasser jetzt. "Damals war der Abschluss des Vergabeverfahrens geplant."
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4. oder 7. Juni?
Am 7.6. notierte Traumüller, das wird jetzt klar, erstmals: "960. Mio. € Fin. Zusage".
In der Anklageschrift heißt es jedoch, dass Grasser diese Information bereits am Freitag, den 4. Juni 2004, erhalten - und Walter Meischberger weitergegeben habe... Auf diesen Widerspruch weist jetzt Grasser-Anwalt Norbert Wess energisch hin. "Das hätte auch die Staatsanwaltschaft klarstellen können", findet Wess. So muss er es eben selber machen...
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Wann konnte Grasser die Angebotshöhe wissen?
Richterin Hohenecker erinnert daran, dass Anmerkungen der Verteidigung zu einzelnen Dokumenten während der Verhandlung nicht vorgesehen sind. "So steht es nicht in der Strafprozessordnung", sagt sie. Es sei aber eben auch nicht explizit verboten, entgegnet Wess. Sein Einwand wird protokolliert - und Grasser erinnert daran, dass er das auch bereits am Dienstag bei seinem Eröffnungsstatement erwähnte.
Also: Wann hatte Grasser von der Finanzierungszusage wissen können? Folgt man den Notizen Traumüllers, dann erst am 7. Juni.
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"Politisch ein schreckliches Bild"
Grasser erklärt, er sei dann davon ausgegangen, dass damit der Bieterprozess abgeschlossen sei. Es seien dann aber Lehman Brothers und die Vergabekommission gewesen, die auf eine zweite Runde gedrängt hätten. Ihm sei dabei jedoch wichtig gewesen, dass dabei das erste Höchstgebot der CA Immo über 928 Millionen Euro nicht unterboten worden wäre. "Das wäre politisch und auch faktisch ein schreckliches Bild gewesen."
Wobei sich schon die Frage stellt, wieso in einer zweiten Runde geringere Angebote eintrudeln sollten...
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Zweite Bieterrunde nicht Grassers Idee
Grasser fasst selbst noch einmal zusammen: Das Last And Final Offer (LAFO), also die zweite Bieterrunde, sei eine dezidierte Empfehlung aller Experten (Lehman Brothers, Freshfields, Vergabekommission) gewesen (also nicht seine Idee). "Und dem sind wir eben gefolgt." -
"Eklatanter Widerspruch zur Realität"
Und Grasser weist, wieder ungefragt, noch einmal explizit auf die ominösen 960 Millionen Euro der CA Immo hin. Dabei habe es sich nämlich nicht um einen möglichen Spielraum für eine etwaige zweite Bieterrunde gehandelt, wie das von der Staatsanwaltschaft interpretiert werde.
Nein, dabei handle es sich um Gesamtinvestitionsvolumen (inklusive Transaktionskosten), das die CA Immo eben aufwenden hätte müssen, um das Angebot von 922,7 Millionen zu erfüllen. Das sei sozusagen eine Art Fleißaufgabe der CA Immo gewesen, diesen Betrag ebenfalls zu vermerken.
Mit einem möglichen Spielraum hätte das aber nichts zu tun. "Das ist ein eklatanter Widerspruch zur Realität in der Anklageschrift", wird Grasser jetzt lauter. Der entscheidende Vorwurf sei "empirisch belegbar falsch".
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"Um wieviel mehr haben Sie in der zweiten Runde gerechnet?" ...
... Darüber habe er sich eigentlich keine Gedanken gemacht, sagt Grasser. Er sei einfach nur dem Rat der Experten gefolgt, eine zweite Bieterrunde auszurufen. "Alles andere wäre geradezu pflichtwidrig gewesen."
Richterin Hohenecker will's genau wissen: "Welche Überlegungen haben Sie genau dazu bewogen?" Grasser nimmt sich Zeit. "Frau Rat, ich muss da vielleicht etwas einordnen. Das war eine einstündige Sitzung mit rund 14, 15 Leuten, in denen die Experten ganz klar eine zweite Runde empfohlen haben."
Nobrainer quasi.
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Und damit kommen wir nun wirklich zur zweiten Bieterrunde: Am 11. 6. gingen die zwei Angebote der beiden verbliebenen Bieter CA Immo und Österreich-Konsortium schließlich ein - wir sehen hierzu das dazugehörige Dokument
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Folgenloser Formfehler
Grasser weist darauf hin, dass beim zweiten Angebot der CA Immo ein Formfehler vorlag. Rein rechtlich wäre es also möglich gewesen, CA Immo aus dem Bietverfahren auszuschließen.
Stattdessen wurde eine neue Frist bis zum 14. Juni eingeräumt, innerhalb derer der Fehler behoben werden konnte. Für Grasser ein Indiz dafür, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Hätte jemand CA Immo ausstechen wollen, sagt Grasser, hätte er doch diesen Fehler ausnutzen können...
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Privatisierung im Vergleich
Der letztlich erzielte Verkaufspreis von 961 Millionen Euro habe sich, darauf besteht Grasser, in der Skala möglicher Erlöse ganz oben befunden. Das habe Lehman Brothers auch mehrfach bestätigt. Zur Einschätzung habe man sich auch andere Privatisierungsprojekte, unter anderem in Berlin, angesehen... Und mit diesem sehr rosigen Resümee verabschieden wir uns in die Mittagspause. -
Mittagspause
Weiter geht's um 14.00 Uhr.
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Wieder Emailrätsel
Zurück aus der Mittagspause hat Norbert Wess noch einen kurzen Einwand. 20 Minuten Recherche hätten ergeben, dass die gestern am späten Nachmittag noch angesprochene A1plus-Emailadresse eine Art SMS-Service sei. Sprich: Der Absender verschickt ein SMS, die beim Empfänger als Email ankommt.
Grasser hatte sich gestern verwirrt darüber gezeigt, als ihm eine Email-Adresse vorgelegt wurde, die ihm zugeschrieben wurde. Er selbst habe nämlich keine Emailadresse... Das Aha-Erlebnis heute: Er verschickte SMS, die auch E-Mails waren...
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"Servus die Wadln"
Inhaltlich ist das kein wichtiger allzu Punkt - es geht um die Budgetrede Grassers aus dem Jahr 2006, für die er Feedback erbittet. Wess geht es aber darum, den Eindruck, der auch von der Staatsanwaltschaft befeuert worden sei, zurückzuweisen, sein Mandant hätte ein geheimes Emailkonto gehabt.
Grasser verabschiedet sich in der SMS/Mail übrigens mit "Servus die Wadln, KH"
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Zurück ins Jahr 2004
Aber zurück zum Bietverfahren und zum 7. Juni 2004 - und wieder geht es um die Frage, wie die zweite Bietrunde zustande kam. KHG betont noch einmal, dass alle Experten für eine zweite Runde votierten. Und das auch vollkommen zurecht, schließlich seien letztlich 39 Millionen Euro mehr erlöst worden.
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Fata Morgana mit 960 Millionen Euro
Wir sehen eine Finanzierunsbestätitung vom 14. Juni 2004 gegenüber der CA Immo, in dem ein Gesamtinvestitionsvolumen von einer Milliarde Euro verzeichnet ist. Grundlage für die Berechnung ist das Zweitgebot der CA Immo in der Höhe von 960,1 Millionen Euro.
Für Grasser ist das der entscheidende Punkt: Wie beim ersten hätte die CA Immo nämlich auch beim zweiten Anbot das Gesamtinvesititionsvolumen mit bekannt gegeben. Dass sich die Beträge hier gleichen, ist eben Zufall. 40 Millionen Euro hätten nunmal die Nebenkosten ausgemacht offenbar.
Die 960 Millionen Euro vom ersten Anbot seien fälschlicherweise als Finanzgarantie für ein mögliches zweites gehandelt worden. Aber "das ist die objektive Unwahrheit", sagt Grasser jetzt. Leider habe sich daraus in den vergangenen Jahren eine Fata Morgana entwickelt.
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"Was ich genau weitergegeben habe, weiß ich nicht"
Aber wieso hat Meischberger dann die 960 Millionen Euro als Tipp fürs Mindestgebot an Peter Hochegger weitergegeben? Walter Meischberger darf selbst antworten: "Was genau ich weitergegeben habe, weiß ich nicht."
Und woher hatte Meischberger überhaupt die Info? Das weiß Grasser nicht. Sicher ist er sich nur, dass Meischberger ihm, angesprochen auf seine Quellen, versicherte, die Info weder von Freshfields oder Lehman oder aus dem Finanzministerium zu haben. "Damit war das für mich abgehakt", sagt Grasser. Für ihn sei lediglich wichtig gewesen, dass von Republik-Seite alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
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Lieber nichts wissen wollen
Grasser erinnert sich an die Aussage eines Immofinanz-Managers, wonach die 960 Millionen Euro am Markt bekannt waren. Aber letztlich sei das für ihn auch nicht relevant. Ihm gehe es lediglich darum festzustellen, dass die 960 Millionen Euro jeglicher Grundlage entbehren. "Die CA Immo hat Gesamtkosten bekannt gegeben. Und das steht hier schwarz auf weiß".
Richterin Hohenecker lässt nicht locker: Aber habe er Meischberger nicht wenigstens aus reiner Neugierde fragen wollen, woher er die Info mit den 960 Millionen Euro hatte?
Im Gegenteil, führt Grasser aus. Ihm wäre es auch aus taktischen Gründen lieber gewesen nichts Genaues nicht zu wissen. Sonst wäre er ja - sinngemäß zitiert - Teil einer Affäre geworden, mit der er von Beginn an nichts zu tun gehabt hätte.
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Für Grasser war lediglich wesentlich, dass Meischberger die Info nicht aus seiner Sphäre hatte. "Es wäre ja auch schlimm, wenn das von einem Kabinettsmitglied gekommen wäre."
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Probleme bei der Rekonstruktion
Grasser holt aus. Er tue sich überhaupt schwer, gewisse Vorgänge zu rekonstruieren. "Als Minister kommt man sich vor, als ob man unter einem ganz großen Trichter sitzt und jeder schmeißt Terrabyte an Information rein. Durch diesen Information-Overload kannst dich einfach nicht erinnern."
Anders gesagt: Die Staatsanwaltschaft hätte ab 2009 das Informationsmonopol auf ihrer Seite gehabt und hätte es zu ihren Gunsten ausgelegt.
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Grassers Erklärung
Grasser kompakt: Die 960 Millionen sind Missverständnis der Staatsanwaltschaft, eine Fata Morgana. Woher Meischberger die Zahl kannte, weiß er nicht, es ist ihm auch egal. Hätte er genauer nachgefragt, sei er nur zum Mitwisser geworden, das wollte er vermeiden.
Richterin Hohenecker nickt. Sie will noch einmal zurück zur ersten Bieterrunde gehen. Es geht um Details.
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CA Immo (+ Kärnten) Bestbieter
Richterin Hohenecker macht mit einer handschriftlichen Notiz von Traumüller weiter. Schwer zu lesen. Grasser erklärt, weshalb es gut war, die CA Immo trotz des vorhin erwähnten Formalfehlers an Bord zu halten. Hätte das Land Kärnten von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht, hätte man mit diesem Angebot nämlich insgesamt (Buwog plus ESG) 982 Millionen Euro erlösen können. "Dann wäre das das beste Angebot gewesen." -
Telefonrätsel
Und wieder eine handschriftliche Notiz. Diesmal mit einer Telefonnummer. Vorwahl 07. Richterin Hohenecker hat extra nachgegooglet - es handelt sich wohl um den Anschluss der ÖVP Grieskirchen. Aha. -
Grasser und die Medien
Wieder off topic, und wieder nimmt Grasser auf die "veröffentlichte Meinung" Bezug. Seiner Meinung nach habe man sich gestern nämlich amüsiert darüber gezeigt, dass er Verträge unterzeichnet hatte, ohne diese gegenzulesen. "Aber das sei nunmal so als Minister," sagt er jetzt. Wenn man ewig lang einen Sachverhalt diskutiere, ihn mit hochrangigen Beamten und Vertrauensleuten bespreche, dann unterzeichne man eben auch, was einem im Anschluss an diesen Prozess vorgelegt werde.
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Anmerkung #10
Grasser ist es außerdem noch wichtig anzumerken, dass Richterin Hohenecker von einer terminlichen Ungenauigkeit ausgegangen sei. Ein in Meischbergers Kalender verzeichnetes Treffen mit Grasser hätte definitiv nicht stattgefunden, das gehe wiederum aus seinem Kalender hervor, der jetzt eingeblendet wird. Wir sind beim Erbsenzählen angelangt. -
Wichtiger dürfte ein gemeinsames Abendessen mit allen Akteuren der Buwog-Privatisierung gewesen sein. Petrikovics war dort anwesend, auch Scharinger auf Käufer- und eben auch Grasser quasi auf Verkäuferseite.
Außerdem verzeichnet auf Grassers Terminkalender, allesamt im August 2004: Ein Termin bei Jörg Haider in Kärnten, Ernst Karl Plechs Geburtstag, ein Termin mit Meischberger und einem ORF-Redakteur.
"Keine Wahrnehmung", sagt Grasser nur. "Das ist jetzt auch bald 14 Jahre her."
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Sommerpause
Und mit dieser etwas ermüdenden Kalenderdurchsicht beendet Richterin Marion Hohenecker die heutige Verhandlung. Wir verabschieden uns, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. In Kürze lesen Sie an dieser Stelle eine ausführliche Zusammenfassung des 43. Prozesstages.
Der größte Korruptionsprozess der Geschichte der Zweiten Republik verabschiedet sich einstweilen in eine kleine Sommerpause. Weiter geht's erst wieder am 17. Juli.
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