Hartes Match ums Kanzleramt

Einen harten Schlagabtausch lieferten sich Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger bei der ORF-Konfrontation. Der ÖVP-Chef war sichtlich bemüht, sich von seinem SPÖ-Pendant abzugrenzen.
TV-Wahlkampf: Faymann und Spindelegger buhlten im ORF um die Unentschlossenen.

Der eine will Kanzler bleiben, der andere will es werden. Viele Zeit haben Werner Faymann und Michael Spindelegger nicht mehr, um davon zu überzeugen, dass der jeweils andere nicht der richtige für diesen Job ist. Gestern versuchten sie es ein letztes Mal vor großem Publikum. Im ORF traten der SPÖ-Chef und der ÖVP-Chef gegeneinander an. Es war das dritte derartige Duell im TV – und das mit Abstand heftigste.

Spindelegger war von Beginn an bemüht, die Unterschiede zwischen ihm und seinem SPÖ-Pendant herauszuarbeiten – wohl eine Folge der vorangegangenen Konfrontationen, die über weite Strecken harmonisch abgelaufen waren. Gestern attackierte und kritisierte der ÖVP-Obmann den Kanzler praktisch unaufhörlich. „Spindelegger war angriffiger. So wie es seine Rolle als Herausforderer verlangt“, urteilt der Mediencoach Gerald Groß. Das befindet auch der OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Er fügt aber an: „Die attraktiveren Themen hat Faymann transportiert. Und das griffiger.“ Zudem habe der Kanzler „viele Botschaften an Frauen gesendet“. Etwa jene, dass deren Pensionsalter – wie einst mit der ÖVP vereinbart – nicht vor dem Jahr 2024 schrittweise an jenes der Männer anglichen werde.

Die besten Zitate des Duells

Hartes Match ums Kanzleramt

Wahl 13
Hartes Match ums Kanzleramt

Wahl 13
Hartes Match ums Kanzleramt

ORF-TV-KONFRONTATION ZUR NR-WAHL 2013: FAYMANN
Hartes Match ums Kanzleramt

Wahl 13
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ORF-TV-KONFRONTATION ZUR NR-WAHL 2013: FAYMANN/SPI
Hartes Match ums Kanzleramt

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ORF-TV-KONFRONTATION ZUR NR-WAHL 2013: FAYMANN/SPI
Hartes Match ums Kanzleramt

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Wahl 13

100er-Aktionismus

„Ein bisschen geschreckt und geärgert“ habe Faymann ein abgewandelter Taferl-Aktionismus Spindeleggers. Einen Hunderter hielt dieser in die Kamera, den er dann zusammenfaltete – um zu demonstrieren, wie viel davon übrig bleibe. Groß: „Das hat Faymann aber auch aus der Reserve gelockt.“

Für Groß war Spindelegger mitunter „an der Grenze zur Untergriffigkeit“. Etwa mit dem Sager: „Du sitzt schon zu lange im Kanzleramt. Du gehörst da einmal weg.“ Es ging um das Thema Arbeit. Faymann hatte neuerlich für einen Mindestlohn von 1500 Euro plädiert. Aktiengewinne seien um drei, Geldvermögen um vier Prozent gestiegen: „Da werden wir doch einer Frisörin 1500 Euro zahlen können!“

Spindeleggers Konter: „Dann wird es dort den Arbeitsplatz nicht geben.“ Das brachte Faymann in Rage: „Bundeskanzler wird nicht jemand, der die Logik hat: Je weniger ein Arbeitnehmer verdient, desto besser ist es für die Wirtschaft.“ Spindelegger, auch nicht mundfaul: „Du sorgst dafür, dass wir ein Arbeitslosen-Heer haben.“

In Sachen Steuern ging es ebenfalls wild zu. Faymann pochte wieder auf eine Steuerreform – schon 2015. Das regte Spindelegger auf: „Wir haben ausgemacht, bis 2016 wird saniert. Jetzt kommst Du, zwei Wochen vor der Wahl, und sagst: ,Jetzt machen wir eine Steuerreform.’ Das ist keine Handschlagqualität.“ Faymann konterte, die Reform sei mit den geplanten Sparmaßnahmen möglich – ohne neue Schulden. Spindelegger entgegnete: „Ich möchte nicht Steuerzuckerl verteilen und danach ein Sparpaket machen.“

Apropos Steuern: Der Herausforderer betonte einmal mehr, dass er gegen Vermögenssteuern sei. Und Faymann erklärte neuerlich, warum er sie anstrebt: OECD und EU-Kommission würden Österreich stets darauf hinweisen, dass „wir zu wenig Vermögenssteuern haben“. Solche würden nur 84.000 Menschen treffen, die über ein Vermögen von 500 Milliarden verfügen würden.

Spindelegger ätzte, das sei „ein Griff in die Mottenkiste des Klassenkampfes“. Das Vermögen würde, wie etwa in Frankreich, abgezogen werden. Faymann verwies genüsslich auf die deutsche CDU-Wahlsiegerin Angela Merkel. In Deutschland würden Erbschaften und Schenkungen besteuert. „Da ist niemand davongelaufen.“

Für Groß haben beide die eigene Klientel bedient: „Faymann war der Sozialpolitiker, der für die kleinen Leute kämpft. Spindelegger jener, der für kleine Unternehmen kämpft, damit kleine Leute einen Arbeitsplatz haben. Das verwendeten beide wie ein Mantra.“ Auch Bachmayer spricht von einem „Mobilisierungsprogramm für die eigenen Anhänger“.

Positionswechsel

Fehler habe weder der Eine noch der Andere gemacht. Groß: „Sie sind schon gut trainiert.“ In einer Hinsicht haben Faymann und Spindelegger die Positionen getauscht: „Der Vizekanzler ist – wie bisher Faymann – im Sessel gelehnt. Der Kanzler saß erstmals aufrecht."

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Werner Faymann

Themenführerschaft

„Er hat die attraktiveren Themen populistischer dargebracht“, urteilt OGM-Chef Bachmayer. Gerald Groß sagt: „Faymann ist es öfter gelungen, seine Leib- und Magen-Themen aufs Tapet zu bringen.“

Schlagfertigkeit

„Das hat mit seiner Rolle als Kanzler zu tun. Daher war Faymann stärker auf der Bremse“, erklärt Mediencoach und Ex-TV-Moderator Gerald Groß.

Glaubwürdigkeit

„Er hat seine Positionen sehr glaubwürdig rübergebracht. Es ging beiden darum, die eigenen Anhänger zu mobilisieren“, befindet Bachmayer. Groß befindet auch, dass Faymann seine Positionen „relativ souverän dargelegt hat“.

Michael Spindelegger

Themenführerschaft

„Dass er den Kanzleranspruch stellt, hat er mehrmals betont. Das war in den vergangenen TV-Duellen nicht so klargemacht“, sagt Gerald Groß. Spindelegger habe auch sein „Leib-Thema“ Wirtschaft immer wieder ansprechen können.

Schlagfertigkeit

Spindelegger hat locker gewirkt und gut reagiert. Er hat sich gegen Faymann fast leichter getan, als gegen die Chefs der Oppositionsparteien“, sagt Bachmayer. Groß ergänzt: „Spindelegger war kecker.“

Glaubwürdigkeit

Groß: „Manchmal war Spindeleggers Angriffigkeit aufgesetzt. Das hat man ihm nicht immer ganz abgenommen.“

Hartes Match ums Kanzleramt

Startschuss:

Zu Beginn steht die Frage nach dem "Du" - die beide bejahen: Wie in den Duellen zuvor werden sich die beiden Kontrahenten nicht siezen. Die erste Frage geht an Michael Spindelegger und dessen Erwartungshaltung - scharf angehen werde man sich ja nicht, legt ihm Moderatorin Thurnher in den Mund. Der VP-Chef verneint nicht - und auch Kanzler Faymann meint, man habe "gemeinsam viel geschafft".

Steuern:

Ingrid Thurnher will den Abend unter das Thema "Österreich 2018" stellen und eröffnet mit dem Thema Steuern. Ob Herr und Frau Österreicher dann weniger an den Staat abliefern müssen, will sie von Michael Spindelegger wissen - "ja, natürlich", sagt er dezidiert. Faymanns Steuerpläne - Stichwort Reichensteuer - trage er deshalb in keinem Fall mit.

Faymann selbst verweist darauf, dass Einsparungen nötig wären - er stehe für drei Milliarden Euro schwere Steuerreform im Jahr 2015, 2016 folge dann das ausgeglichene Budget.

Spindelegger kann damit - wenig Wunder - nichts anfangen: Man habe schließlich gemeinsam einen Weg eingeschlagen, der keine Steuerreform im Faymann-Stil beinhalte. Der Konter des Kanzlers: "Wenn's den Leuten gut geht, geht's der Wirtschaft gut" - der Faktor Arbeit sei einfach zu hoch belastet. Eine unmoderierte Diskussion ist im Gange; ein Novum bei den TV-Duellen. Zeitlich gesehen sind die beiden Kontrahenten fast gleichauf; Faymann liegt knapp vorne.

Steuern II:

Thurnher macht ein Unterkapitel auf - sie spricht Spindelegger auf eine mögliche Erhöhung der Grundsteuer an. Der VP-Chef lehnt dies rundweg ab. In puncto Lohnsteuer sieht er dies nicht so: Künftig soll jedem - egal, wie viel er verdient - mehr im Börsel bleiben.

Faymann nickt zustimmend: Für "vier Millionen Österreicherinnen und Österreicher" solle es Steuererleichterungen beim Einkommen geben - und vergisst nicht, darauf hinzuweisen, dass Vermögenssteuern der richtige Weg dazu wären.

Für Spindelegger ein "Griff in die Mottenkiste des Klassenkampfes": So wie auch Francois Hollande eine Millionärssteuer versprochen habe und dies nicht einhalten konnte, drohe Österreich auch eine Abwanderung der Reichen.

Bildung:

Das Schulsystem 2018? Für Michael Spindelegger ein ganz anderes als heute: Jene 25 Prozent mit Lernschwäche, wie es sie jetzt gibt, soll es dann nicht mehr geben. Für eine Systemänderung ist er nicht zu haben: "Die Türschilddebatte führe ich nicht."

Faymann, gefragt nach der Realisierung der Gesamtschule 2018, schwenkt um auf die Kinderbetreuung: "Hier ist viel auszubauen und zu verbessern" - und verweist wiederum darauf, wie viel bereits gemeinsam beschlossen worden sei. In weiterer Folge brauche es ein neues Lehrerdienstrecht und Ausbaupläne für die Schulen selbst, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Zum Thema Ganztagsschule sagt Spindelegger Altbekanntes: Es laufe eine Erhebung, ob und wie viele der Eltern für ein solches Modell plädieren würden. Aber auch Neues präsentiert er: Der VP-Chef wirft seinem Noch-Koalitionspartner vor, bereits jetzt vorschreiben zu wollen, dass 50 Prozent der Schüler eine Ganztagesbetreuung verordnen zu wollen. "Lass doch die Eltern entscheiden", meint er - für Faymann indiskutabel.

Mindestlohn:

Wer wie viel verdienen soll, ist die nächste Frage - für Spindelegger ist die Antwort klar: Dies stehe in den Kollektivverträgen festgeschrieben. Faymann hingegen plädiert für eine Mindestgrenzen von 1500 Euro: "Es ist doch unfair, wenn Menschen den ganze Tag arbeiten und nicht einmal 1500 Euro bekommen."

Spindelegger verweist auf die zu hohen Lohnnebenkosten: "Du musst einmal rausgehen zu den Betrieben, du sitzt schon zu lange im Bundeskanzleramt." Faymann pariert: "Man wird in dem Land nicht Kanzler, wenn man will, das die Arbeiter wenig verdienen" - die Zuseher klatschen lautstark.

Das Publikum ist übrigens beiderseits stark vertreten - die Faymann- und Spindelegger-Fans sind beinahe gleich lautstark.

Pensionen:

Faymann schwenkt um zum Thema Frauenpensionen - ein Vorziehen der Senkung sei indiskutabel, meint der Kanzler. Spindelegger glaubt seinem Koalitionspartner nicht so recht: "Wenn's keine Einzahlungen gibt, sondern nur Auszahlungen, wird das zum Problem." Nur mit einem "Bundeskanzler Spindelegger" sei eine Pension für die heute Jungen gewährleistet.

Thurnher unterbricht - und spricht die Frage nach der privaten Vorsorge an. Ob eine private Pensionsvorsorge sinnvoll sei, will sie vom Kanzler wissen. Der antwortet ausweichend: Sinnvoll ja, aber nicht nötig, so Faymanns Tenor; die staatliche Vorsorge sei garantiert. Spinelegger attackiert Faymann wieder: Unter einem Kanzler Faymann sei dies nicht garantiert.

Pensionen II:

Spindeleggers Forderung, das faktische Pensionsalter auf 62,5 Jahre anzuheben - und das in der kommenden Legislaturperiode - wird von Thurnher hinterfragt. Der VP-Chef argumentiert dies mit Reformen, die bereits beschlossen worden sind. Faymann plädiert dafür, dass sich die Menschen doch auf etwas verlassen müssen" - ein Vorziehen von Reformen komme nicht infrage.

Europa:

Thurnher polemisch: "Was macht Angela Merkel so viel besser als Sie?" In Deutschland hätten die Europakritiker kaum Zuspruch, in Österreich durchaus. Spindeleggers Rezept: "es genauso machen wie Merkel" - stabile Verhältnisse, keine neuen Steuern seien ihre Devise gewesen - und so auch seine. In Puncto Europa verweist er darauf, dass es darum gehe, wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch Faymann weist auf die hohe Exportrate Österreichs hin.

Zum Thema möglicher neuer Schuldenschnitte weicht Faymann aus - und stellt die Kanzler-Frage: "Wer soll Österreich künftig vertreten?" Jemand, der für Konjunkturmaßnahmen und Beschäftigung stehe - also er. Spindelegger setzt ebenso zur Wahlwerbe-Rede an: Er sei jemand, der "an einem neuen, zukünftigen Östereich bauen" wolle.

Koalitionsfrage:

Große Koalition oder nicht - und mit oder ohne Vermögenssteuern? "Das wird der Wähler am Sonntag entscheiden", sagt Spindelegger. Faymann spricht sich auch dafür aus, das "nach dem Sonntag zu verhandeln." Auf die Antwort des Wählers wartet auch Ingrid Thurnher, die mit diesen Worten die Diskussion beschließt.

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