SPÖ und ÖVP mobilisieren ihre Kernklientel

Die ÖVP umwirbt die Kernklientel in der Wirtschaft, die SPÖ plakatiert sich als "Arbeiterpartei".

ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat gestern offiziell den Kampf ums Kanzleramt ausgerufen. Der Ökonomie-Schwerpunkt in seiner Rede sowie gemeinsame Auftritte mit Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl sind ein klares Signal: Die ÖVP umwirbt verstärkt ihre Kernklientel in der Wirtschaft.

Die SPÖ mobilisiert ebenfalls ihre Stammkundschaft und plakatiert sich als „Partei der Arbeit“. Da passt es perfekt ins Konzept, dass der ÖGB-Kongress diesmal mitten in den Nationalratswahlkampf fällt.

Der ÖGB-Kongress vom 18. bis 20. Juni, auf dem sich Erich Foglar der Wiederwahl als Präsident stellt, wird zur Wahlkampfbühne. Kanzler Werner Faymann hat als Eröffnungsredner Gelegenheit, die Gewerkschaftsfunktionäre um Laufarbeit für die SPÖ zu bitten. Auch die SPÖ-Minister Rudolf Hundstorfer und Gabriele Heinisch-Hosek können ihre Wahlkampfbotschaften anbringen.

Man darf gespannt sein, was Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner als einziger ÖVP-Vertreter dem ÖGB-Kongress zu sagen hat. Die Wirtschaftskammer hat ausgerechnet, dass die ÖGB-Forderungen im 80-seitigen Leitantrag elf Milliarden schwer sind: mit acht Milliarden würde die Wirtschaft, mit drei Milliarden die öffentliche Hand belastet.

Eine dieser ÖGB-Forderungen unterläuft auch die SPÖ. Während Faymann nicht müde wird zu betonen, dass die „Häuslbauer“ von den SPÖ-Vermögenssteuern nicht betroffen wären, sondern nur die „Millionäre“, will der ÖGB Erbschafts- und Schenkungssteuern schon ab 150.000 Euro einführen. Das ist Wasser auf die Mühlen der ÖVP, die die SPÖ-Vermögenssteuern als Schröpfen des Mittelstands verteufelt.

Bisher haben sich die Parteien in Wahlkämpfen gegenseitig mit Wahlzuckerln überboten. Neu ist diesmal, dass sie sich gegenseitig die Kosten für die jeweiligen Wahlzuckerln vorwerfen. So hat nicht nur die Wirtschaft die ÖGB-Forderungen auf Belastungen abgeklopft, sondern auch die SPÖ das Familienkonzept der ÖVP. Die bis zu elf Milliarden teuren „Retro-Ideen“ im ÖVP-Familienmodell seien schlicht unfinanzierbar, rechnet SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder vor.

Noch rasch vor der Nationalratswahl besetzt Finanzministerin Maria Fekter Spitzenpositionen in ihrem Haus neu. Der langjährige Sektionschef Wolfgang Nolz zieht sich auf den Posten des Kapitalmarktbeauf-tragten zurück und gibt die Leitung der Sektion IV (Finanzverwaltung, Steuerbetrugsbekämpfung, Zoll) ab. Der Posten wird an den derzeitigen Chef der Präsidialsektion, Hans-Georg Kramer, gehen. Die Bestellungskommission hat Kramer einstimmig nominiert, Fekter hat die Ernennung bereits unterschrieben. Nun müssen noch Kanzleramt und Bundespräsident zustimmen. Kramers derzeitiger Job als Präsidialchef ist bereits ausgeschrieben. „Fekter hat es eilig wegen der Nationalratswahl“, mutmaßen Eingeweihte. Sie wolle ihren Kabinettschef Gerhard Zotter als Präsidialchef versorgen.

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