Spindelegger will Kanzler werden

APA12746226 - 15052013 - WIEN - ÖSTERREICH: Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger während der "Österreich-Rede" am Mittwoch, 15. Mai 2013, im Festsaal der Wiener Hofburg. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Der ÖVP-Chef nimmt zum Wahlkampf-Auftakt Bundeskanzler Faymann erstmals direkt ins Visier.

Sie waren überall: Frontal vor ihm, ein Meer aus Köpfen vor dem Rednerpult. Auch an den Seiten des Saales, ja selbst hinter Michael Spindelegger hatten die Partei-Manager Tribünen hochziehen lassen. Für die zweite „Österreich-Rede“ des ÖVP-Obmannes sollte die Hofburg zum zweiten Mal zur Polit-Arena werden – eine christlich-konservative Bühne für mehr als 1000 Zuhörer, mit buntem Licht und ansteckender Stimmung.

Die Show, darüber bestand kaum ein Zweifel, war durchaus gelungen – wenn man US-amerikanische Inszenierungen mag; Vorredner Sebastian Kurz hatte die Lacher schnell auf seiner Seite, und ganz zu Beginn konnte man die ÖVP-Veranstaltung sogar spüren – das Trommeln der Gruppe „Drumatical Theatre“ war intensiv und laut genug, um es auf dem Brustkorb zu fühlen.

Doch für die ÖVP ging es am Dienstag um mehr als eine Rede. Es ging darum, Michael Spindelegger als den Kanzlerkandidaten zu präsentieren. Er soll Wähler mitreißen, Partei-Mitarbeiter antreiben. Und ob ihnen das gelungen ist, darüber waren sich Spitzenfunktionäre beim Buffet nicht immer ganz einig. Was die Inhalte anging, setzte der 53-jährige Hinterbrühler einen klaren Schwerpunkt: die Wirtschaft muss „entfesselt“ werden.

Immer wieder beschwor der Ex-Chef des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) die Bedeutung einer starken Wirtschaft. Er redete der De-Regulierung und Ent-Bürokratisierung das Wort („Lohnverrechner in Österreich müssen 360 Beitragsgruppen kennen. Es ist Zeit zu vereinfachen! Auf Wiedersehen, Herr Kafka!“); und er vergaß natürlich nicht, daran zu erinnern, dass die ÖVP die Unternehmer-Partei sei: („Wir haben die Konzepte für die Entfesselung der Wirtschaft“). 420.000 Arbeitsplätze will der schwarze Kanzlerkandidat in den nächsten fünf Jahren schaffen. „Das ist ambitioniert, aber machbar, wenn wir eine Verwaltungsreform zustande bringen“, sagt WIFO-Chef Karl Aiginger zum KURIER.

„Faymann-Steuern“

In seiner Rede versucht Spindelegger deutlich auf Distanz zur SPÖ zu gehen: „Die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze – und nicht rote Plakate“, wetterte der ÖVP-Chef – eine Spitze gegen die neue Kampagne des Regierungspartners.

Neue Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern nennt der Vizekanzler schlicht „Faymann-Steuern“; die „klassenkämpferischen Töne aus den roten Mündern“ sind ihm ein Graus: „Nicht Reichtum ist ein Skandal, sondern Armut ist einer.“

Viel Raum widmete der Vizekanzler auch den Familien, denen er erneut einen 7000-Euro-Freibetrag pro Kind versprach – ein Vorhaben für die Zeit nach der Wahl. Zuvor muss Spindelegger freilich sein Ziel erreichen und im Herbst Erster werden.

ÖVP gegen SPÖ lautet für ihn das relevante Duell, folgerichtig verschwendet er in seiner 55-minütigen Rede kaum ein Wort auf die Blauen. Nur ein Mal, als er Staatssekretär Kurz lobt, erwähnt der Christlich-Konservative die FPÖ – ein guter Schachzug, befinden Beobachter wie Claus Raidl. Und was meint die Basis? „Das war motivierend“, sagte Manfred Barta, Gemeinderat aus Pressbaum. Gerhard Rohrböck, einem Gemeinderat aus Bad Vöslau, gefiel „die Abgrenzung zu Faymanns Versprechen“. Und die Tullnerbacher Gemeinderätin Elisabeth Barisits war „überrascht“, weilSpindelegger viel aktiver gewirkt hat als in den Medien.“ Das klingt positiv,durchaus angetan, allein: Die brennende Euphorie, die es wohl für Platz 1 braucht, die war in der Hofburg noch nicht zu spüren. Und daran konnten weder Inszenierung noch Sitzordnung etwas ändern.

„Ob das g’scheit ist?“, fragte sich manche in der ÖVP, als bekannt wurde, dass Sebastian Kurz vor Spindelegger ans Rednerpult tritt. Der 26-jährige Integrationsstaatssekretär ist immerhin der beliebteste schwarze Politiker – und gilt als sehr eloquent.

Und den mehr als 1000 Menschen im Festsaal gefällt merkbar, was der Shootingstar so fast frei redend von sich gibt. Etwa, jene Episode über seinen Versuch, in die Politik hineinzuschnuppern. Da erzählt Kurz, wie er als 16-Jähriger bei der ÖVP-Meidling angeklopft hat. Dort sei man „sehr überrascht“ gewesen, „dass sich überhaupt jemand meldet, der bei der ÖVP mitmachen möchte“. Er sei auch darauf hingewiesen worden, „dass alle wesentlich älter sind als ich, dass sie außerdem nur sehr wenige seien – und dass sie sich eigentlich fast nie treffen“. Die Meidlinger Schwarzen empfahlen dem Neuen, sich in ein paar Jahren wieder zu melden. „Ich habe mich gemeldet – in einem anderen Bezirk“.

Die Anekdote war die Einleitung für das Kurz’sche Credo für mehr direkte Demokratie: „Menschen, die mitmachen wollen, sollen die Möglichkeit dazu haben“ – durch ein Persönlichkeitswahlrecht, „für jene, die einzelne Personen unterstützen wollen“; und durch das Aufwerten von Volksbegehren, „für jene, die ein Thema unterstützen möchten“.

Unangenehm

Während die Zuhörer noch klatschen, spannt der Chef der Jungen ÖVP schon den Bogen zu den Jungen. Die Arbeitswelt habe sich verändert, doziert Kurz und stichelt in Richtung SPÖ: „Meine Generation ist nicht ein Leben lang Arbeiter oder Unternehmer. Der Klassenkampf der alten Schule ist nicht mehr gefragt. Wir Junge brauchen neue Lösungen.“

Offen spricht er ein anderes Thema an: Wenn die Lebenserwartung steige, „ist es nur logisch, dass wir alle auch wesentlich später in Pension gehen werden“. Zusatz: „Politik hat die Pflicht, Wahrheiten ehrlich auszusprechen, auch wenn es unangenehm ist; auch, wenn die Umfragen etwas anderes vorschlagen – und auch wenn die Nationalratswahl schon in vier Monaten ist.“ Das bringt Applaus.

Für Erheiterung sorgt jenes Beispiel, mit dem der Jung-Politiker sein Leib-Thema Integration illustriert: In der Großfamilie von Ex-ÖVP-Klubchef Andreas Khol sei „die Schwiegertochter aus der Türkei, ein Schwiegersohn aus Indien und ein anderer Schwiegersohn von der SPÖ Wien“. Das Leben sei eben bunter geworden, meint Kurz schmunzelnd, ehe er das Podium, auf dem er sich sichtbar wohlfühlt, seinem Mentor Michael Spindelegger überlässt.

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